Seit dem frühen Montagmorgen blockieren dutzende Aktivisten Förderbänder und Gleisverbindungen zum Kraftwerk Jänschwalde. Die Aktivisten der Aktionsgruppe “unfreiwillige Feuerwehr” protestieren laut eigener Aussage gegen den umweltzerstörerischen Weiterbetrieb des Tagebaus Jänschwalde und die klimavernichtenden Folgen der Braunkohle-Verstromung. Der Kraftwerksbetreiber LEAG bezeichnete die Aktion gegenüber dem RBB als Angriff auf die Versorgungssicherheit. Demnach mussten zwei der noch vier aktiven Kraftwerksblöcke außer Betrieb genommen werden. Auch die Politik reagierte. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen und die Lausitzer Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein verurteilten die Aktion scharf. Stübgen: “Wer für seine Weltanschauung absichtlich andere in Gefahr bringt, ist kein Aktivist, sondern ein Verbrecher. Darauf muss der Rechtsstaat mit empfindlichen Strafen reagieren. Friedlicher Protest und Demonstration gehören zur Demokratie und dürfen auch laut und schrill ausfallen. Den Klima-Extremisten muss jedoch das Handwerk gelegt werden.”
Aktionsgruppe: Blockade des Kohlekraftwerks Jänschwalde
Von der Aktionsgruppe heißt es in einer Mitteilung: Seit Montagmorgen um 05:30 Uhr blockieren ca. 40 Aktivist*innen der Aktionsgruppe “Unfreiwillige Feuerwehr” unter dem Motto “Jänschwalde ausschalten” in drei koordinierten Aktionen das Kohlekraftwerk Jänschwalde. Dabei hat eine Gruppe die Kohlebunker auf dem Kraftwerksgelände besetzt und sich an den Förderbändern festgekettet. Gleichzeitig unterbrechen zwei andere Gruppen die Gleisverbindungen zwischen dem Tagebau Jänschwalde und dem Kraftwerk mit technischen Blockaden. Sie protestieren damit gegen den umweltzerstörerischen Weiterbetrieb des Tagebaus Jänschwalde und die klimavernichtenden Folgen der Braunkohle-Verstromung.
Der Tagebau Jänschwalde macht das Grundwasser in der Lausitz knapp und der Wasserverbrauch vom Kraftwerk gefährdet die Trinkwasserversorgung von 2 Mio. Menschen in Berlin/Brandenburg – nicht nur global ist fossiler Strom große scheiße, auch lokal! Deshalb: #JänschwaldeAusschalten pic.twitter.com/5KWLrwVxHS
— Jänschwalde ausschalten! Unfreiwillige Feuerwehr (@Feuerwehr_Klima) September 19, 2022
Jette Klamnitz, die sich auf dem Kraftwerksgelände festgekettet hat, äußert sich zu den Beweggründen: “Wir nehmen hier und heute den Kohleausstieg selbst in die Hand. Das Verbrennen von Braunkohle und anderen fossilen Energien zerstört nicht nur lokal Lebensgrundlagen sondern auch global. Es ist umweltzerstörend und menschenfeindlich, in Zeiten der Klimakrise fossile Energien zu verheizen. Der trockene Sommer 2022 verdeutlicht wieder einmal: Die Klimakrise, in der wir uns zur Zeit befinden, ist bedrohlich und fordert ein massives Umdenken und einen radikalen Wandel in vielen Lebensbereichen. Die Verstromung fossiler Energien muss sofort aufhören!” Das Kraftwerk Jänschwalde ist Deutschlands drittgrößtes Braunkohlekraftwerk und stößt europaweit die vierthöchsten CO2-Emissionen aus. Doch nicht nur die mit den Emissionen verbundenen Klimafolgen bereiten den Aktivist*innen und großen Teilen der Bevölkerung Sorgen. Im März urteilte das Verwaltungsgericht Cottbus, dass der Tagebau Jänschwalde seinen Betrieb im Mai einstellen müsse: Die Trinkwasserversorgung der Region sei gefährdet, da für den Tagebau wiederholt zu viel Wasser abgepumpt worden sei. Im Falle der Reaktivierung der beiden Kraftwerksblöcke E und F müssten der Spree jährlich zusätzlich 13 Millionen Kubikmeter Wasser entzogen werden, dadurch wäre die Trinkwasserversorgung von 2 Millionen Menschen in der Region in Gefahr. Im Zuge der energiepolitischen Debatten um den russischen Angriffskrieg wurde der Braunkohleabbau im Tagebau Jänschwalde nun allerdings doch weiterhin erlaubt.
Statement einer Aktivistin vor Ort#unfreiwilligeFeuerwehr #Kohlestopp pic.twitter.com/20WeOjFefT
— Jänschwalde ausschalten! Unfreiwillige Feuerwehr (@Feuerwehr_Klima) September 19, 2022
Dazu bezieht Carl Rems, der die Gleise im Westen mit seinem Rollstuhl blockiert, Stellung: “Der Weiterbetrieb des Tagebaus ist nicht nur rechtswidrig sondern vor allem auch gefährlich. In der Lausitz zeigt sich ganz offensichtlich die zerstörerische Wut der Braunkohle und derer die daraus ein Geschäft gemacht haben. In einer kompletten Region ist das Trinkwasser knapp, über 130 Dörfer wurden alleine in der Lausitz für den Kohleabbau weggebaggert, die LEAG und andere fossile Konzerne zerstören in der Lausitz ganz konkret Lebensgrundlagen.”
Lena Ströer, die das Gleis direkt daneben blockiert, ergänzt: “Statt den Ausbau erneuerbarer Energien schnellstens voranzutreiben und gleichzeitig unseren Energiekonsum zu verringern, hängt das Kraftwerk weiter am Netz. Jänschwalde ist symptomatisch für eine verschleppte Energiewende und kapitalistische Verwertungslogik. Die fossilen Energiekonzerne instrumentalisieren die Energiekrise, um ihre Profite ins Endlose steigen zu lassen. Der russische Angriffskrieg darf nicht als Ausrede genutzt werden um weiterhin an zerstörerischem fossilen Gas und Kohle festzuhalten. Eine Energieversorgung ohne Kohle, Gas und Atom ist möglich und längst überfällig.”
Statement von Aktivisti zu den Vorgängen auf dem Kraftwerksgelände!#unfreiwilligeFeuerwehr #Jänschwalde #Kohlstopp pic.twitter.com/uHbZHpH57H
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LEAG reagiert auf Vorwurf, Besetzer durch weiterlaufende Förderbänder zu gefährden
Die LEAG reagierte vor wenigen Minuten auf Twitter auf den Vorwurf, die Förderbänder weiterlaufen zu lassen und so Besetzer zu gefährden: “Die Polizei ist vor Ort. Der Einsatzort ist gesichert, es besteht und bestand zu keiner Zeit eine Gefährdung von Besetzerinnen und Besetzern durch die LEAG. Wir fordern Besetzerinnen und Besetzern auf, sich nicht selbst zu gefährden und die Aktion zu beenden.”
Weiterhin bestätigte die LEAG, dass zweitweise zwei von vier Kraftwerksblöcken (installierte Leistung beträgt pro Block 500 MW) heruntergefahren waren, aktuell ist ein Kraftwerksblock heruntergefahren (Stand 14:30 Uhr, 19.09.2022). “Die LEAG verurteilt diese Besetzung mit radikalen Mitteln, die nichts erreicht außer einer Störung der Versorgungslage und das in einer Zeit, wo sich alle Sorgen machen, ob für diesen Herbst und Winter ausreichend Strom und Wärme zur Verfügung stehen wird. Aus Sicht der LEAG ist es das absolut falsche Signal, mit Gewalt ein Kraftwerk zum Runterfahren zu zwingen.”
Brandenburgs Innenminister fordert„Strafen für Klima-Extremisten”
Seit Monaten mehren sich Attacken gegen Brandenburger Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur. Unter dem Deckmantel des Protests gegen die Klimapolitik haben sogenannte Aktivisten versucht, Ölleitungen der Raffinerie in Schwedt zu manipulieren und den Straßenverkehr mit Klebeaktion zu blockieren. Heute versuchten mehrere Personen, das Kraftwerk in Jänschwalde gewaltsam lahmzulegen. Brandenburgs Innenminister, Michael Stübgen, zeigte sich besorgt angesichts der zunehmenden Attacken. Es handele sich nicht um Kavaliersdelikte, sondern um Straftaten, bei denen Gefahr für Leib und Leben Unbeteiligter bewusst in Kauf genommen werde. Stübgen forderte empfindliche Strafen für die Täter. Stübgen: „Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Das gilt auch beim Klima. Wer Ölleitungen sabotiert, provoziert Umweltkatastrophen, wer sich auf Autobahnen klebt, riskiert schwere Verkehrsunfälle und wer Kraftwerke lahmlegt, spielt mit der Strom- und Wärmeversorgung von Krankenhäusern, Schulen und tausenden Haushalten. Das ist keine Kleinigkeit und hat mit politischer Meinungsäußerung nichts zu tun. Wer für seine Weltanschauung absichtlich andere in Gefahr bringt, ist kein Aktivist, sondern ein Verbrecher. Darauf muss der Rechtsstaat mit empfindlichen Strafen reagieren. Friedlicher Protest und Demonstration gehören zur Demokratie und dürfen auch laut und schrill ausfallen. Den Klima-Extremisten muss jedoch das Handwerk gelegt werden.“
Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein: “Gefährlich und falsch”
„In einer Zeit wie dieser muss es uns allen um konstruktive Lösungen gehen und nicht um eine weitere Polarisierung. Im Bereich Klimaschutz muss weiterhin sehr viel passieren, was in den letzten Jahren versäumt wurde. Darum haben wir in der Ampel-Koalition bereits 20 Verordnungen und Gesetze angepackt, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Das hilft uns bei der Unabhängigkeit in der Versorgungssicherheit und allem voran auch dem Klima. Beides muss aber immer mitgedacht werden. Angriffe wie diese auf Tagebaue und Kraftwerke halte ich darum auf mehreren Ebenen für gefährlich und falsch – sowohl mit Blick auf die betroffenen Menschen, als auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Ziel der Klimakrise Herr werden zu wollen.“
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