Aufnahmen von versteckten Kameras in der Woosmerhofer Landerzeugergesellschaft in Vielank, Mecklenburg-Vorpommern (Kreis Ludwigslust-Parchim) und der Schweinemast der Spreefa GmbH in Drebkau OT Löschen, Brandenburg (Kreis Spree-Neiße) mit 20.000 Schweinen zeigen, dass in beiden Betrieben schwer kranke, verletzte und verwundete Schweine über eine Woche nicht behandelt werden. Schweine, die nicht von alleine gesund werden oder sterben, werden auf brutale Weise getötet. Knüppelschläge; quälerische Tötungsversuche mittels Bolzenschuss; zappelnde Schweine in minutenlangem Todeskampf; kranke und verletzte Tiere, die über eine Woche lang sich selbst überlassen bleiben: Diese Bilder aus zwei deutschen Schweinemastanlagen stammen aus der aktuellen Rechercheveröffentlichung von Animal Rights Watch e.V. (ARIWA). Sowohl die Tötungen und Tötungsarten als auch die Nichtbehandlung der Tiere stellen laut ARIWA klare Verstöße gegen das Tierschutzgesetz dar. Das Veterinäramt des Landkreises Spree-Neiße hat bereits reagiert.
Laut Animal Rights Watch handelt es sich keineswegs um Einzelfälle: Jährlich sterben 13,6 Millionen Schweine in deutschen Zucht- und Mastanlagen, bevor sie das vorgesehene Schlachtalter erreichen. Viele dieser Tiere haben zu Lebzeiten erheblich gelitten. Sie sterben an unversorgten Wunden, Entzündungen und Krankheiten, die aus Kostengründen nicht behandelt werden. Nur eine Komplettabkehr von der Tiernutzung kann diese Zustände beenden. Spiegel Online und ARD Report Mainz berichteten am Dienstag exklusiv mit Videomaterial von ARIWA.
In einer Mitteilung von ARIWA heißt es, in der Schweinemast in Brandenburg mit etwa 20.000 Tieren werden ebenfalls regelmäßig Tiere getötet oder sterben gelassen. Das ist Betriebslisten in den Masthallen zu entnehmen. Versteckte Kameras zeigen, dass auch hier kranke Schweine über einen langen Zeitraum nicht behandelt werden. Auch die brutale Tötung von sechs Schweinen konnte in diesem Betrieb dokumentiert werden. Die Tiere werden mit einem Bolzenschuss betäubt, dessen Wirkung aber niemals überprüft wird. Die anschließende Tötung durch einen Kehlschnitt erfolgt entweder gar nicht oder erst so spät, dass sich der Todeskampf verlängert und die Schweine mit zunehmender Wahrscheinlichkeit wieder zu Bewusstsein kommen. Weitere Tiere werden tot oder noch zappelnd auf den Gang geschleift. Im Todeskampf werden sie sich selbst überlassen. Die gleichgültigen Reaktionen der Arbeiter machen deutlich, dass dieses Vorgehen hier Alltag sein muss.
Das Veterinäramt des Landkreises Spree-Neiße reagierte: „Dem Veterinäramt ist das Bildmaterial über die unsachgemäße Nottötung von kranken Schweinen in einem Betrieb der Spreefa GmbH in unserem Landkreis erst durch den Bericht von „Report Mainz“ zu Kenntnis gelangt. In einer Mitteilung der Geschäftsführung der Muttergesellschaft LFD an das Veterinäramt zu dem gesendeten Beitrag heißt es, dass die Aufnahmen bereits im Mai 2019 entstanden sein sollen. Die LFD informierte uns über die bereits von ihr gezogenen Konsequenzen. Dieser Betrieb wird regelmäßig von Mitarbeitern des Veterinäramtes besucht. Die letzte routinemäßige Kontrolle fand durch zwei amtliche Tierärztinnen am Montag dieser Woche statt. Dabei wurden keine relevanten Verstöße gegen veterinärrechtliche Vorschriften festgestellt. Für die ordnungsgemäße Tötung von unheilbar erkrankten oder verletzten Schweinen besitzen zwei dafür verantwortliche Mitarbeiter entsprechende Sachkundenachweise nach dem Tierschutzgesetz. Gegenwärtig prüft das Veterinäramt die rechtliche Würdigung der gezeigten unsachgemäßen Tötung von Schweinen in dieser Mastanlage. Nach einer neu durchzuführenden Risikobewertung wird gegebenenfalls erhöhte Kontrollfrequenz festgelegt.“
Die LFD-Holdung hat eine Stellungnahme nach Veröffentlichung der Aufnahmen erstellt: “Dabei wurden Aufnahmen gemacht, welche die nicht sachgerechte, und den Sorgfaltskriterien des Unternehmens nicht genügende Durchführung von Nottötungen zeigen. Diese Nottötungen sind eine bei kranken und verletzten Tieren ohne positive Genesungs-Prognose durchzuführende Maßnahme. In den auch uns vorgelegten Video-Sequenzen ist ein einzelner Mitarbeiter zu sehen, der wiederholt diese Maßnahmen zwar vom Ansatz her richtig mit Bolzenschuss und Entblutung durchführen will, dabei jedoch zwischen Betäubung und Kehlschnitt zu viel Zeit verstreichen lässt. Wir möchten Sie an dieser Stelle aktiv auf diesen Sachverhalt hinweisen und betonen, dass dies (a) nicht den Qualitätskriterien unserer Arbeit entspricht und (b) wir unmittelbar Konsequenzen gezogen haben. Der betroffene Mitarbeiter wurde umgehend entlassen und der Betriebsleiter ist für schlechte Kontrollen abgemahnt worden. Selbstverständlich stehen wir im engen Kontakt mit den zuständigen Behörden zur weiteren Aufarbeitung des Geschehens. Auch nehmen wir diesen Vorgang zum Anlass, alle in der LFD Gruppe mit Nottötungen betrauten Mitarbeiter nochmals zu schulen, und über die für den entlassenen Kollegen erfolgte Konsequenz einer Missachtung der rechtlichen Vorgaben mit Nachdruck zu informieren. Die LFD Holding und ihre Tochterunternehmen sehen sich den gesetzlichen Vorgaben für Tierhaltung sowie dem Tierwohl verpflichtet und tun in ihrer täglichen Arbeit das Beste, um diese zu erfüllen. Wir bedauern daher die in einer Betriebsstätte der Spreefa GmbH festgestellten Fehler umso mehr!”
ARIWA schreibt: „Hierbei handelt es sich nicht um Einzelfälle“, sagt Sandra Franz. 2017 zeigte eine Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover erstmals, dass in deutschen Zucht- und Mastanlagen jährlich 13,6 Millionen Schweine sterben. Jedes fünfte Tier erreicht gar nicht erst das vorgesehene Schlachtalter. „Entzündete Gelenke und offene Wunden, Nabelbrüche, Klauenerkrankungen sowie blutig gebissene Schwänze und Ohren sind direkte Folgen der üblichen Mastbedingungen. Die betroffenen Tiere sind von vornherein als ‚Verluste‘ einkalkuliert“, sagt Sandra Franz weiter. Da eine angemessene tierärztliche Behandlung nicht rentabel wäre, werden sie einem langsamen und leidvollen Tod überlassen. Das ist die logische Folge einer Ideologie, die Tiere als Waren betrachtet: „Über das Leben und Sterben dieser Tiere entscheidet allein ihr wirtschaftlicher Nutzen. Ihr millionenfaches Leid und selbst klare rechtliche Verbote spielen in der Tierindustrie keine Rolle.“
ARIWA hat gestern eine Online-Petition an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gestartet mit der Forderung, die deutschen Tierkörperbeseitigungsanlagen zur systematischen Dokumentation aller angelieferten Tiere zu verpflichten, regelmäßig die tierschutzrelevanten Befunde in den Anlagen zu erheben und die Ergebnisse dieser Erhebungen zu veröffentlichen.
Hintergrund:
Animal Rights Watch e.V. (ARIWA) ist eine gemeinnützige Tierrechtsorganisation. ARIWA deckt die Zustände in der Tierindustrie auf und fördert eine tierfreundliche, vegane Lebensweise. Bundesweite Bekanntheit erlangte ARIWA durch die Veröffentlichung von Recherchen in Bio-Betrieben und Schweinezuchtanlagen und durch die Ausrichtung des „Vegan Street Day“ in Stuttgart und Dortmund.
Die LFD-Holding (Muttergesellschaft der Spreefa GmbH), betreiben Ferkelzucht-Betriebe an mehreren Standorten in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Bayern. Das Unternehmen ist im Jahre 2015 aus einem niederländischen Familienunternehmen hervorgegangen. 95% der Anteile an der LFD Holding werden treuhänderisch vom Treuhänder Christian Graf Brockdorff und 5% von Schultze & Braun gehalten. Das Unternehmen beschäftigt an seinen Standorten derzeit saisonal 400 Mitarbeiter. Die Zentrale befindet sich im Jerichower Ortsteil Roßdorf (Sachsen-Anhalt).
Foto und Video: Animal Rights Watch e.V. (ARIWA)