“ArcelorMittal zieht in Deutschland die Konsequenzen, da nicht mehr alle Anlagen wirtschaftlich betrieben werden können. Ab Ende September wird der Konzern bis auf weiteres einen der beiden Hochöfen am Flachstahlstandort Bremen stilllegen. Im Hamburger Langstahlwerk, in dem ArcelorMittal Qualitätswalzdraht produziert, wird ebenfalls ab dem vierten Quartal die Direktreduktionsanlage auf Grund der aktuellen Situation und der negativen Aussichten außer Betrieb genommen werden. In beiden Werken gibt es bereits jetzt Kurzarbeit, die durch die anstehenden Maßnahmen ausgeweitet werden muss. Auch an den Produktionsstandorten in Duisburg und Eisenhüttenstadt wird auf Grund der angespannten Lage bereits Kurzarbeit angewandt.” heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Stahlkonzerns. In Eisenhüttenstadt wird seit Anfang August auf Kurzarbeit zurückgegriffen.
Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt
In Eisenhüttenstadt arbeiten insgesamt rund 2.700 Mitarbeiter. “Im August waren ca. 600 Mitarbeiter besonders im Kalt- und Warmwalzwerk von Kurzarbeit betroffen, allerdings in zeitlich sehr unterschiedlichem Ausmaß, also zum Beispiel der eine drei und der andere fünf Tage. Wir sind wie unsere Kollegen an den anderen Standorten von der stark gesunkenen Nachfrage nach weiterverarbeitetem Stahl und den hohen Energiepreisen betroffen. Im Moment profitieren wir davon, dass wir Aufträge von anderen Standorten, bei denen Anlagen vorübergehend stillstehen, übernehmen und dadurch unsere Flüssiglinie nahezu auslasten können. Möglicherweise können wir in diesem Monat auf die angemeldete Kurzarbeit verzichten, aber ab Oktober ist es sehr wahrscheinlich, dass wir wieder darauf zurückgreifen müssen und einen sehr angespannten Herbst/Winter haben werden. Wir beobachten die konjunkturelle Entwicklung insgesamt sehr besorgt.” sagt Carolin Becker, Leiterin Kommunikation bei ArcelorMittal Eisenhüttenstadt.
„Die hohen Kosten für Gas und Strom belasten unsere Wettbewerbsfähigkeit stark. Dazu kommt ab Oktober die geplante Gasumlage der Bundesregierung, die uns weiter belasten wird“, erklärt Reiner Blaschek, CEO von ArcelorMittal Germany und ebenfalls verantwortlich für das Werk in Bremen. „Als energieintensive Industrie sind wir davon extrem betroffen. Mit einer Verzehnfachung der Gas- und Strompreise, die wir innerhalb weniger Monate hinzunehmen hatten, sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig in einem Markt, der zu 25% aus Importen versorgt wird. Wir sehen dringenden politischen Handlungsbedarf, um die Energiepreise umgehend in den Griff zu bekommen“, ergänzt Blaschek.
Dr. Uwe Braun, CEO von ArcelorMittal Hamburg, ergänzt: „Wir haben den Verbrauch von Gas bereits sehr stark reduziert. Unter anderem haben wir das Vorprodukt Eisenschwamm extern aus Amerika zugekauft, wofür wir sonst vor Ort Erdgas genutzt hätten. Die Anlage hat den Betrieb bereits um rund 80 Prozent reduziert. Der extreme Preisanstieg bei Gas und Strom macht es uns unmöglich, weiter profitabel zu arbeiten – weshalb wir Eisenschwamm nun mit höherem CO2-Fußabdruck komplett importieren müssen, um zumindest weiter produzieren zu können.“
ArcelorMittal Germany fordert gleichartige Entlastungsregeln in Europa, was mit einem europäischen Industriestrompreis möglich ist. Ein erster Schritt muss sein, das Strommarktdesign anzupassen, damit nicht der Erdgaspreis allein ausschlaggebend für die Strompreisbildung ist. Die geplante Gasumlage darf laut Konzern außerdem nicht noch zusätzlich auf die bereits sehr hohen Spotmarktpreise angewandt werden. Diese Maßnahmen müssen mit höchster Priorität vorangetrieben werden, um so schnell wie möglich eine Verbesserung der Situation zu erreichen.
Hintergrund
In Eisenhüttenstadt werden in dem integrierten Hüttenwerk bestehend aus Roheisenwerk, Konverterstahlwerk, Warm- und Kaltwalzwerk hochwertige Flachstahlprodukte für Kunden der Automobil-, Haushaltsgeräte- und Bauindustrie vor allem in Ost- und Mitteleuropa hergestellt. 2021 produzierte ArcelorMittal Eisenhüttenstadt 1,6 Mio. Tonnen Flachstahl. Das Unternehmen ist Anfang der 1950er Jahre als das ehemalige Eisenhüttenkombinat Ost entstanden.
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