Bahnreisende mögen sich gewundert haben, dass am Samstag in Raddusch, Kunersdorf und Kolkwitz großer Bahnhof herrschte: Dutzende Menschen nahmen an diesem Tag Abschied vom Bahnhalt.
Die Radduscher Bürgerinitiative Haltepunkt Raddusch hatte sich für diesen Tag etwas Besonderes einfallen lassen. Bei einer Besetzung des Bahnhofsgebäudes wurde gezeigt, welche Nachnutzungsmöglichkeiten es für dieses Gebäude geben kann – unabhängig von einem Bahnhalt. So eignen sich die Räume für Kunstaustellungen ebenso, wie für Workshops. Die Wiederinbetriebnahme des Gebäudes für einen Tag war nur die eine Seite der Aktion: Die andere war, für alle sichtbar den Protest gegen die Schließung des Bahnhalts kundzutun. Matthias Hantscher, Rico Mudra und Florian Saaro nahmen symbolisch das Bahnhofsschild ab, legten es in ein Klinikbett und schlossen es an einen Tropf an. Matthias Hantscher von der Bürgerinitiative: „Der Radduscher Bahnhalt ist nicht tot, sondern nur krank. Deshalb gehört er an den Tropf und muss gesund gepflegt werden – von uns allen!“ Bernd Herzog-Schlagk vom Umweltbahnhof Dannenwald (bei Gransee) machte den Radduschern Mut: „Uns ereilte vor Jahren das gleiche Schicksal. Wir haben nicht aufgegeben, wir haben Kultur in den Bahnhof geholt, mühsam geackert und letztlich die Wiedereröffnung erreicht. Aussteigen muss Lust machen!“ Vetschaus Bürgermeister und der Radduscher Ortsvorsteher appellierten ebenfalls, nicht mit den Anstrengungen nachzulassen. Landtagsabgeordnete Roswitha Schier (CDU): „Langfristig muss das zweite Gleis her, der Dialog darf nicht abbrechen und der Bahnhalt wenigstens fürs Wochenende muss durchgesetzt werden!“
Anschließend machten sich etwa 50 Radduscherinnen und Radduscher mit der Bahn auf den Weg nach Kolkwitz. Begleitet wurden sie von den Vetschauer Blasmusikanten, die sehr zur Freude der anderen Reisenden aufspielten. Grit Mudra und Andrea Müller waren in ihrer Tracht eine zusätzliche Augenweide für die Reisenden. Kolkwitz empfing die Radduscher Leidensgefährten in völligem Schwarz: Überall flatterten schwarze Bänder, die Frauen trugen die schwarze Tracht – Kreuze überall. Die Kapelle spielte Trauermusik. Nach dem Austausch kurzer Kampfbotschaften und Willensbekundungen mussten die Radduscher schon wieder mit dem Gegenzug zurück. Am und im Bahnhofsgebäude wurden sie mit Kaffee, Kuchen und Glühwein von den Sport- und Vereinsfrauen bewirtet. Es war Zeit, sich auch mal in den Räumen umzusehen. Der Vetschauer Maler Siegfried Engelmann sowie Ute Jahn aus Raddusch und Rita Wiek aus Lübbenau stellten dort ihre Werke aus. Ortschronist Manfred Kliche zeigte Dokumente aus der Geschichte des Hauses. Es könnte wieder Leben in das Haus einziehen, wenn es zum Kauf durch die Stadt kommt. Es bestehen ernste Absichten, aktuell stehen Stadt und Bahn in Verhandlung.
Die Radduscher Pendler werden nun auf den Busverkehr umsteigen, den sie hoffentlich rege nutzen. Viele Auswärtige werden mit dem Auto nach Lübbenau oder Vetschau fahren, so mancher Bus könnte dann praktisch leer fahren – so die allgemeine Befürchtung. Sie gipfelt darin, dass dann wegen der schwachen Auslastung der Bahnhalt ohnehin nicht mehr gebraucht wird! Diesem Argument der Gegenseite darf kein Vorschub geleistet werden. Aber die Bürgerinitiativen aus Raddusch, Kolkwitz und Kunersdorf sind inzwischen kampferprobt… sie wollen weitere Verschwendung von Steuergeldern nicht zulassen.
Peb1, 12.12.15