Eigentlich sollten sie sich näher sein, aber sie sind sich wohl ferner denn je zuvor – die Ortsteile der Stadt Vetschau. Dieser Eindruck drängte sich auch beim vierten LR-Termin dieses Jahres in einem Vetschauer Stadtteil, diesmal in Raddusch, auf. „Wo sind sie denn, die Vertreter der Stadt? Sie könnten doch unsere Fragen beantworten“, schwang den ganzen Abend im Raum mit. Im Saal der Jahrhunderte alten Radduscher Traditionsgaststätte mit dem ganz neuen Namen „Hotel Radduscher Hafen“ wurden schon unzählige Versammlungen abgehalten, es wurde sicher schon immer gestritten, aber früher ging es um die Probleme eines Dorfes. Neu ist nun, dass es jetzt um die Probleme eines Stadtteils geht, die nur gemeinsam gelöst werden können, aber da fehlte der Ansprechpartner.
Was trotz und gegen alle Schwierigkeiten schon auf den Weg gebracht wurde, listete Ortsvorsteher Ulrich Lagemann auf. Die Liste war lang, erstaunlich lang und zustimmendes Kopfnicken der etwa fünfzig Radduscherinnen und Radduscher zeigte auch die Anerkennung für das Geschaffene. Aber es gab auch viel Unverständnis für die zahlreichen bürokratischen Hürden, für die Dauer einzelner Verwaltungsvorgänge und für die komplizierten Strukturen, die für die Menschen immer weniger zu durchschauen sind. „Was wird mit dem Laub, das die Bäume an der Kreisstraße auf unsere Grundstücke werfen“, wollte Gabi Eichhorst wissen. Detlef Krüger mahnte einen Verkehrsspiegel an der Kreuzung einer Kreisstraße mit einer Dorfstraße an: „Wer ist dafür zuständig?“ wollte er wissen. Manfred Kliche listete ebenfalls auf, was noch im Dorf zu tun ist: „Die Straßen und Wege sind in einem schlechten Zustand, die Brücken im Hafen sind eine Zumutung, der Bahnhof verkommt und am Dorfplatz sind die neu gepflanzten Eichen eingegangen“, führte er beispielhaft auf. Irene Linke nahm sich das Scheunenprojekt vor und dankte dem Ortsvorsteher für seine Arbeit: „Es ist unsere Scheune, wir müssen mit anpacken und dürfen nicht warten, bis etwas passiert. Wir Frauen sind dabei, gern übernehmen wir auch die Versorgung der Helfer.“ Genau das hatte der fleißige Maurerrentner Reinhard Kokel vermisst, der in bester Qualität die Sockel hoch zog, aber „nischt zu Trinken gekriegt hatte“. Der Funke schien überzuspringen und die Erkenntnis setzte sich durch, dass einfach nur etwas getan werden muss. „Abwarten und beobachten bringt nichts. Ich kriege richtig Lust, in der Scheune mit anzupacken“, fasste Helmut Hartmann die aufkommende Aufbruchsstimmung unter zustimmenden Nicken zusammen. „Und wenn die Leute angesprochen werden, kommen sie auch“, hatte schon vorher Reinhard Kokel angemahnt. Werner Buchan machte seinem Ärger über die fehlende Unterstützung durch die Stadt Luft, bei der es eine Prioritätenliste für die Instandsetzung der Straßen geben soll: „Ein Beschluss der Stadtverordneten zur Besichtigung der Ortsstraßen wurde einfach nicht umgesetzt. So können wir nicht arbeiten, hier wird das Vertrauen der Bürger verspielt“, ist er sich sicher.
Eine echte Neuigkeit erfuhren die Radduscher erst fast zum Schluss: Ein Lübbenauer Unternehmer hat die Buschmühle erworben und wird sie einer touristischen Nutzung zuführen. Damit scheint nun die dem Verfall nahe Mühle gerettet, was erleichtert aufgenommen wurde. „Aber die Magnolie bleibt stehen“, wurde ihm sogleich per Zwischenruf auferlegt. Gemeint war damit der über einhundert Jahre alte Baum am Südumfluter, der in jedem Frühjahr überaus reich blüht.
„Hotel Spreewaldhafen“ wird zu „Hotel Radduscher Hafen“ und „Spreewaldhotel Raddusch“ zu „Hotel Garni Raddusch“
Gastronom und Unternehmer Torsten Seidel umschreitet seine dieser Tage übernommene Immobilie, das ehemalige Radduscher „Hotel Spreewaldhafen“. Die sehr günstige Lage am Hafen und in der Mitte des Dorfes ist für ihn vielversprechend: „Von hier aus können die Gäste sofort mit dem Kahn in den Spreewald fahren, und ich verfüge jetzt auch über einen großen Saal für entsprechende Feierlichkeiten.“ Genau der fehlte ihm bisher am „Spreewaldhotel Raddusch“. Diese am Dorfende gelegene Gaststätte verfügt ebenfalls über Hotelzimmer „und das wird auch so bleiben“, so Torsten Seidel. „Allerdings werden wir die Gastronomie auf den neuen Besitz verlagern, dort wird es dann nur Frühstück geben, deshalb auch die Namensänderung in ‚Hotel Garni Raddusch‘“, erklärt der rührige Unternehmer. Seit 15 Jahren ist er nun schon im Hotel- und Gastronomiegewerbe tätig erzählt der 42-Jährige bei seinem Rundgang um die Hotelanlage. Als Geschäftsführer der ehemaligen Eritex Lübbenau musste er sich 1996 nach einem Arbeitsunfall umorientieren. „Das Gaststättengewerbe lag irgendwie schon in der Familie begründet und übte auch auf mich eine große Faszination aus.“ Nach vielen Schulungen und Lehrgängen hatte sich der Groß Lübbenauer auf diese neue Aufgabe eingestellt und bald das Radduscher Hotel, damals noch als „Radduschhof“ bekannt, als Geschäftsführer übernommen. Mit den beiden Radduscher Hotels will Torsten Seidel Gästen wir Einheimischen gastronomische Leistungen aus einer Hand anbieten. „Mir schweben da regelmäßige Veranstaltungen im Saal vor, wie etwa eine Tanzschule, auch der Traditionspflege will ich mich stärker öffnen“, erzählt er, während er nach einem passenden Schlüssel sucht. Am großen Bund hängen unübersehbar viele davon, „deren Schlösser ich erst so nach und nach entdecke“. Tür für Tür, Raum für Raum ergreift er nun Besitz. „Am 27.11. wird es einen Eröffnungstanz geben, an dem hoffentlich viele Radduscher teilnehmen und mit mir und meiner Familie die Geschäftsübernahme feiern werden“, drückt er seine Hoffnung aus. Und nicht unerwähnt lassen möchte er die Tatsache, dass er bald drei Radduschern Vollzeitstellen anbieten kann. Den einen Auszubildenden, auch ein Radduscher, hat er bereits übernommen.
Matthias Hantscher
Der Kassenwart der Radduscher Sportvereinigung ist einer der „jüngsten“ aber auch einer der aktivsten Radduscher. Erst vor fünf Jahren aus Berlin zugezogen, hat er sich schnell in den Ort eingelebt und vor allen Dingen eingebracht. Der ausgebildete Maschinenbauingenieur arbeitet gegenwärtig als Kaufmännischer Leiter in einem Straupitzer Unternehmen und findet immer noch Zeit für gemeinnützige Tätigkeiten in seinem Heimatort. Da bringt er schon mal mit seinem privaten Pkw und Hänger die Laubmassen vom Sportplatz oder mauert gemeinsam mit anderen in der Sportscheune. Mit nun schon 190 Stunden belegt er den Spitzenplatz unter den freiwilligen Helfern. „Irgendwie müssen ja die 2500 Stunden Eigenleistungen zusammenkommen, die wir als Finanzierungsanteil erbringen müssen. Und immer nur abwarten und schauen, was andere machen, bringt nichts voran“, ist er sich sicher.
Detlef Mecke
Der Vorsitzende der Radduscher Kahnfährgemeinschaft ist gegenwärtig oft auf einer Baustelle anzutreffen: Dem Bau und dem Anschluss eines öffentlichen Toilettenhäuschens im Radduscher Hafen. „Nach langer Vorarbeit ist es nun endlich gelungen, noch vor dem Winter die Baumaßnahmen zu beginnen und hoffentlich auch rechtzeitig abzuschließen. Häuschen und Grube sind fertig und die Wasserleitung gerade im Bau. Nun überlegen wir, wie wir im nächsten Jahr einen ordentlichen Betrieb der Anlage absichern, da werden gerade Vorschläge gesammelt“, so Mecke. Aber dieses Projekt ist nicht das einzige der Fährmänner. „Wir sind in Verhandlungen mit den Behörden zur Errichtung von zusätzlichen Aussteigeplätzen an unseren Fließen. Dann können unsere Kahnfahrgäste vielleicht mal am Kossateich die Vogelwelt bewundern und dann wieder ihre Fahrt fortsetzen“, erzählt Detlef Mecke. Im Winter wird es wieder die traditionellen Schulungen für die Fährleute geben. Dabei wird es auch um die Vorstellung der Projekte der Cottbuser BTU-Studenten zur Umgestaltung des Hafengeländes gehen. „Das wird bestimmt ein sehr diskussionsreicher Abend“, freut sich schon heute der Vereinsvorsitzende.