Petra Quittel, Fachkrankenschwester im Klinikum Niederlausitz, ist vom Operationssaal auf die Intensivstation gewechselt und hier weiterhin im Dienst, um hier bei der Versorgung der Corona-Patienten zu unterstützen. Sie verarbeitet ihre bisherigen Erfahrungen in einem Text. Sie schildert sowohl ihr Erlebnisse und Empfindungen, als auch die ihrer Kollegen auf der Station.
“Ist doch nur ein Schnupfen”
Es ist 4:30 Uhr, der Wecker klingelt wieder viel zu früh. Es ist noch stockfinster draußen. Der Kaffee muss sein, auch schnell die Banane, wer weiß wann es Frühstück gibt. Leise schleiche ich ins Kinderzimmer. Da schlafen die Kinder noch friedlich. Ein heimliches Küsschen zum Abschied, egal ob ich den Virus am Hals hab oder nicht. Es muss sein.
Am Eingang des Krankenhauses komme ich nur mit einer Maske durch, manchmal denke ich, es ist wie im Sicherheitstrakt. Die Wegrichtungen sind markiert, ja nicht über den Strich laufen. Man lernt es, ist ja bereits Welle Nummer zwei. Der doppelte Mundschutz ist beim Umziehen schnell angelegt, die Ohren schmerzen nicht mehr, aber vielleicht bekomme ich davon ja Segelohren. Schauen wir mal, wo ich bin, Coronapatient oder nicht, ich brauch dafür die richtigen Schuhe. Sind alle Schwestern da? Ja alle kommen, alle sind gleich müde, ist halt zehn Minuten vor sechs.
Jetzt gut zugehört, sind neue Coronapatienten dazu gekommen, haben wir noch freie Betten. Wieder zwei Aufnahmen, junge Leute, eine Mitarbeiterin, die Einschläge kommen näher, ein geflügeltes Wort. Coronaleugner sagen gern, sie kennen keinen der Corona hat, ich ja. Heute sind es insgesamt 6 Coronapatienten. Nicht alle werden es schaffen, wir wissen es, auch wenn wir unser Bestes geben. Einteilung des Personals und dann geht auf zu den Patienten.
Heute mal wieder ein Isozimmer. Jedes Mal also Kittel drüber, FFP2 Maske, Brille und Haube an. Dazu noch zwei Paar Handschuhe. Die Wasserflasche muss in Griffweite bleiben denn ich werde in kurzer Zeit durchgeschwitzt sein. Die Zeit verrennt, ich arbeite schnell und gewissenhaft. Ich nehme mir keine Zeit über das Schicksal der Patienten nachzudenken, arbeite liebevoll und routiniert. Doch dann passiert es: Ein Gedankenblitz kommt. „Das ist doch nur ein Schnupfen, warum die Aufregung?“: so eine Frau gestern bei der Demo zum Infektionsschutzgesetz. Ich könnte kotzen. Meine beiden Patienten haben Corona, keinen Schnupfen. Einer kämpft ernsthaft um sein Leben, er lässt sich nur sehr schwer beatmen, seine Werte werden immer schlechter. Versteht das jemand draußen, wenn ich sage, der bekommt sein CO2 nicht aus seinem Körper abgeatmet? Wohl nur wenige.
Der andere Patient schaut mich bei der Morgenhygiene ängstlich an, er sieht seinen sterbenskranken Nachbarpatienten. Er benötigt Unterstützung beim Atmen, aber noch schafft er es selbständig, fragt sich nur wie lange. Bei jeder Anstrengung wird es knapp mit seiner Luft. Er schafft es heute nicht vor dem Bett ein paar Schritte zu gehen, zum Essen hat er keine Kraft. Er braucht etwas Ruhe zum Luftholen.
Ärzte und Schwestern krank, bleibt die Kita offen?
Kann man das eigentlich nachvollziehen, wie es ist keine Luft mehr zu bekommen? Manchmal kann ich das, die Luft wird knapp unter drei Lagen Mundschutz und mit Kittel. Die Wärme ist unerträglich. Und wenn ich dann schwer ackere mit den Patienten wird auch mir die Luft eng. Aber ich kann wieder raus aus dem Kittel, mein Patient kann es nicht. Visite, mein Gott es sind wenig Ärzte da. Es hat sie erwischt, es sind zu viele krank, einige Corona positiv. Sie fehlen, aber man hat auch Angst um sie, wir sehen ja wie Corona verlaufen kann. Morgenbesprechung, ich erfahre was die Zugänge für Probleme haben, wie der Tag für die Patienten verläuft, wie es außerhalb meiner ITS aussieht. Wir sind aufnahmefähig für neue Zugänge, das ist in dieser Pandemie wichtig.
Und da gibt es auch noch die anderen Patienten auf der ITS. Ja es sind weniger, weil es deutlich weniger geplante OPs gibt. Sie brauchen auch unsere Hilfe, ein Herzinfarkt muss von uns intensiv betreut werden. Man hat die zweite Station für Coronapatienten aufgemacht, wir benötigen dringend mehr Personal. Einige Schwestern sind positiv getestet worden, einige müssen wegen ihrer Kinder zu Hause bleiben, die KITA ist zu, Quarantäne. Kurz bin ich mit den Gedanken zu Hause, geht’s den Kindern gut, sind sie gesund, bleibt die KITA auf? Ich fürchte mich vor einem Anruf des Gesundheitsamtes, es könnte die KITA geschlossen werden. Das Gesundheitsamt hat auch seit März wie wir mit dem Virus und seinen Auswirkungen zu kämpfen und das immer am Limit.
Die Kinder wollen so gern mal wieder in einen Zoo, ich auch. Das mache ich als erstes, wenn alles wieder auf ist.
Meinen Patienten geht es schlechter, der Arzt kommt kaum noch raus aus meinem Isozimmer. Wir brauchen dringend eine Ablösung, ich habe Durst und muss endlich was essen. Es wird schneller Mittag als mir lieb ist, einiges habe ich nicht geschafft, egal es kommt eine Spätschicht. Kurze Übergabe, schnell noch über den Dienstplan schauen, es sind jetzt die meisten Schwestern da. Wir müssen die Besetzung hochnehmen, wir brauchen alle vorhandenen Betten, und wir brauchen dafür mehr Personal. Am Wochenende fehlt noch eine Spätschicht, jeder versucht zu helfen, alle wissen, wie schlecht es ist, wenn wir zu wenige sind. Man kann ja die Patienten nicht einfach von der Station wegschicken. Wer im Bett liegt, der liegt da drin. Eine nicht dringende OP kann man dagegen verschieben.
Ich springe ein, ich helfe mal wieder. Egal was es zu Hause wieder für Gemurre gibt, die Kinder wollten die Mama auch mal wieder zum Spielen haben. Man muss jetzt flexibel sein, wir sind es. Wir wissen das wir es nur mit Einsatz schaffen, doch alle haben auch Angst. Wir sind schon fast an unsere Grenze, die Belastung ist hoch. Schaffen wir es so lange noch durchzuhalten, es wird noch länger gehen als bis Weihnachten. Bleiben wir gesund? Aber das wohl schlimmste ist, ich will es nicht mit nach Hause nehmen, das Virus. Ich habe Angst davor die Familie anzustecken.
Aber jetzt nach Hause, mal wieder viel später als üblich. Die Kinder sind bei Oma, auch die meiner Schwester. Wir sprechen uns ab, versuchen es nicht gleichzeitig zu machen. Ohne Oma schaffen wir es nicht und Oma brauch auch ihre Enkel. Wir sehen uns sonst viel zu wenig mit Freunden und der Familie, man bleibt zu Hause, minimiert seine Kontakte. Auch wenn andere sagen, hab dich nicht so. ICH könnte das Virus mitbringen. Ich überlege mir jeden Kontakt. Weihnachten steht vor der Tür, das möchte ich nicht krank erleben.
Ohne Maske im Supermarkt. Ich weiß nicht ob wir bis März durchhalten
Im Supermarkt ist es voll, Rushhour. Und da ist er, der Coronaleugner, ohne Maske ohne Abstand fährt er mir in den Einkaufwagen. Ich könnte jetzt schimpfen, aber heute reicht nicht meine Kraft. Er könnte der Nächste sein, der, der entweder jemanden, der geschwächt ist, ansteckt oder der, der sogar selbst auf der Coronastation liegt. Und dann sollen wir unser Bestes für ihn geben. Und wir sind die, die sich jede Minute auf Arbeit der Gefahr aussetzen, sich mit dem Virus anzustecken. Und nun schaue ich genauer im Laden herum, wie viele nehmen die Schutzmaßnahmen nicht ernst, maulen über die Maskenpflicht. Ich kann es nicht verstehen. Wir stehen im Krankenhaus fast mit dem Rücken an der Wand und hier wird nur gemeckert über die Maske, die doch so viel helfen kann.
Jetzt heim, mit den Kinder kuscheln, schei.. auf Corona, ich brauch das jetzt. Abends noch Nachrichten, die Zahlen werden wieder nicht weniger, im Gegenteil es werden mehr. Ich kann nicht an die Zukunft denken, es macht mir große Sorgen. Ich weiß nicht, ob wir bis März irgendwie durchhalten. Dann wäre ein ganzes Jahr rum. Mein Kind will dann Geburtstag feiern, diesmal mit Freunden und nicht nur mit Mutti. Ab ins Bett, morgen wieder Frühschicht, neuer Tag, immer noch mit Corona. Ich will so gern in einen Zoo gehen.
Foto: Petra Quittel, Fachkrankenschwester im Klinikum Niederlausitz, schildert Siegurd Heinze (links), Landrat des Landkreises Oberspreewald-Lausitz, und Alexander Erbert, Dezernent für Gesundheit, Jugend und Soziales des Landkreises Oberspreewald-Lausitz, ihre Erfahrungen mit der Bewältigung der Pandemie.
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