Ohhh! Wow! Verdammt! – Fix und fertig mit der Welt sind alle in der Studiobühne nach dem letzten Ton. Brauchen einen Moment sich zu fassen und mit großem Applaus und Jubel für das zu danken, was in sehr kurz erscheinenden zwei Stunden gerade passierte.
Nochmals verdammt, die nächsten beiden Vorstellungen sind bereits ausverkauft, sonst würde ich gleich erneut nach Senftenberg fahren. Doch egal wann, Nellie Goodbye muss ich noch einmal sehen.
Vielleicht sollte man das Ganze in den großen Saal verlegen, dass das Interesse am Besuch hoch ist, höre ich von vielen Seiten.
Und es ist wirklich ein Theaterereignis, was Samia Chancrin (Regie und Songtexte), Marianne Helene Jordan (Nelly + Gesang, Cello), Marlene Hoffmann (Cora + Keyboard, Gesang), Sebastian Volk (Jonny + Gitarre, Gesang), Johannes May (Danny + Samples, Drum-Computer, Gesang) und Hanka Mark (Tina + Gesang, Bass, Management) in Ausstattung von Saskia Wunsch und mit Musik von Jan Maihorn auf die Bühne bringen.
Es ist eine reale Band, und wir sind in deren realem Geschehen, so scheint es. Derart verinnerlicht haben die Schauspieler die Figuren, deren Leben und die Handlung, dass es gar die wirklichen Songs und das Musikvideo ihrer Band „Die nutzlosen Schönheiten“ auf Soundcloud und Youtube gibt.
LINKS: soundcloud.com/die-nutzlosen-schoenheiten + https://youtu.be/LL9C3c6zLzU
Ohne den Probenraum zu verlassen und konzentriert auf dessen Enge wird das Publikum zum unmittelbaren Teil, wenn sich die ganz großen Fragen des Lebens erst leise, dann unbändig stellen, wenn das erste große Ziel ganz nah ist – und eine Diagnose wie ein mächtiger Stamm quer über den Weg fällt. Wenn mit einem Mal nichts mehr unbeschwert auf morgen verschoben werden kann, wenn aus Zukunft Angst wird, wenn statt jugendlich berechtigter Unfertigkeit in kurzer Zeit Reife gefordert ist – und Haltung erforderlich wird. Und wenn daraus die Kraft erwacht, gemeinsam wahrhaft den Tod zu besiegen.
Autor Lutz Hübner rollt die ganz großen Themen aus, die uns als Jugendliche beginnen umzutreiben und die es auch sind, die uns Mal für Mal weiterbringen.
Samia Chancrin und Jan Maihorn ergänzen Hübners Stück nicht einfach um Musik, sondern schaffen mit den inhaltlich und musikalisch äußerst anspruchsvollen eigenen Titeln eine ganz wesentliche, zusätzliche Ebene – die durch das Können der Schauspieler zur vollendeten Authentizität führt, diese Songs musikhandwerklich großartig live zu proben und auf eine Weise zu spielen, die direkt in die Seele trifft.
Nicht nur auf der Bühne geraten die Gefühle in Grenzregionen, sind Klöße im Hals und Tränen echt.
Auch zuzuschauen wird zur intensiven emotionalen Herausforderung. Was für eine Leistung!
Wohl noch nie habe ich alle Aspekte der Schauspielkunst derart positiv ausgereizt erlebt, wie hier auf der kleinen Studiobühne der NEUEN BÜHNE der Kleinstadt Senftenberg. Diese kollektive Leistung entzieht sich weiterer Beschreibung. Es hilft nur: HINGEHEN.
Gibt es passende Theaterpreise? Sie gehörten alle ihnen. – Danke!
Lutz Hübner
Nellie Goodbye
Regie und Songtexte – Samia Chancrin
Musikalische Leitung und Musik – Jan Maihorn
Bühne und Kostüme – Saskia Wunsch
Vorabveröffentlichung KULTURMAGAZIN BLICKLICHT, Cottbus-Lausitz, Ausgabe April 2016; www.kultur-cottbus.de