Für die Deutsche Post ist kein Weg zu weit. Sie bringt Briefe, Postkarten, Päckchen und Pakete auch in den entlegensten Winkel. Sogar auf Deutschlands höchsten Gipfel und zu Häusern, die nur über Wasserwege erreichbar sind. Heute treffen sich die zwei Postboten, deren Zustellbezirke bundesweit einzigartig sind: Der Zugspitz-Zusteller Andreas Oberauer besucht erstmals die Kahnzustellerin Andrea Bunar im Spreewalddorf Lehde.
Andreas Oberauer fährt an jedem Wochentag mit der Gondel auf den höchsten Berg Deutschlands, um dort die Post zuzustellen. „Ich habe den höchstgelegenen Arbeitsplatz, den es in der Postzustellung in Deutschland gibt“, freut sich Andreas Oberauer. Der Zusteller versorgt unter anderem Forscher des Umweltbundesamtes und Mitglieder des Alpenvereins mit Briefen, Postkarten und Paketen. Andrea Bunar hingegen erreicht viele Haushalte des Spreewalddorfes nur mit dem Kahn, denn viele der 65 Häuser haben keine direkte Anbindung zur Straße. Deshalb stakt die 44-jährige von März bis Oktober mit einer traditionellen Schubstange zu den Hausbriefkästen. Diese stehen in Ufernähe, so dass die Postbotin die Sendungen direkt vom gelben Kahn aus einstecken kann.
Heute steigt ihr oberbayrischer Kollege mit in den Kahn und unterstützt seine Kollegin. „Den neun Meter langen Aluminium-Kahn mit dem Vier-Meter-Rudel auf Kurs zu halten, ist wirklich eine Herausforderung“, stellt der 50-Jährige anerkennend fest. Nach wenigen Momenten gibt er die Schubstange seiner Kollegin zurück. Andreas Oberauer steckt lieber die Briefumschläge und Postkarten in die für Lehde so typischen Hausbriefkästen: Es gibt sie in Form kleiner Gurkenfässer und Miniaturfachwerkhäuser, auch blumenverzierte Varianten oder mit Tiermotiven bemalte sind darunter. Welche Umschläge für welches Haus sind, das weiß Andreas Oberauer ohne zu zögern. Denn in dem für Lehde zuständigen Briefzentrum in Cottbus werden genauso wie in den 81 anderen der Deutschen Post in der Bundesrepublik die Umschläge automatisch in der Abfolge der Zustelltour sortiert.
„Die Natur, die Stille, die Kahnfahrt auf den Fließen an den vielen Fachwerkhäusern vorbei, das ist eine einmalige Zustelltour“, sagt Andreas Oberauer. „Meine Tour morgens durch Lübbenau kann noch so stressig sein, wenn ich danach vom Kahn aus die Briefe einwerfe, ist das ein schöner Ausgleich“, ergänzt Andrea Bunar. „Das geht mir genauso, wenn ich nach der Tour im Tal in 2950 Metern über dem Meeresspiegel aus der Gondel steige“, sagt der Oberbayer. Eine weitere Gemeinsamkeit fällt ihm auf: „Der Spreewald ist ebenso beliebt bei Touristen wie die Zugspitze. Andrea und ich sind begehrte Fotomotive.“
Die Touristen kaufen oft Briefmarken für ihre Ansichtskarten bei Andreas Oberauer. Er betreibt die höchste Postfiliale Deutschlands. Diese hat eine über 80-jährige Tradition. In der im Jahre 1900 eingeweihten meteorologischen Station und der Forschungsstation Schneefernerhaus wurde am 15. Dezember 1931 die erste „Postagentur mit Telegrafenanstalt und öffentlicher Sprechstelle“ eingerichtet. Seither war es für den jeweiligen amtierenden Zugspitz-Postboten immer etwas Besonderes, als „höchster Postbeamter“ seinen Dienst zu verrichten. Bei seinen täglichen Fahrten überwindet Andreas Oberauer einen Höhenunterschied von 1.950 Metern. Insgesamt hat der Postbote in all den Jahren 7,8 Millionen Höhenmeter gesammelt. Gleichermaßen nahm er eine – wenn auch eher zufällige – Tradition mit auf den Berg: Er trat vor 18 Jahren in die Fußstapfen seines Vaters Jakob Oberauer, der rund 20 Jahre lang zu jeder Jahreszeit mit der Gondel zu seinem Zustellbezirk fuhr.
Wie Andreas Oberauer, so bietet auch Andrea Bunar den Service einer kleinen Filiale an: Bewohner und Touristen können ihr Sendungen mitgeben sowie Brief-, Päckchen- und Paketmarken kaufen. Zudem leert sie drei Briefkästen, die an Ausflugslokalen angebracht sind. Während ihrer Tour durch Lehde legt die Kahnzustellerin pro Tag rund acht Kilometer zurück. Bis zum Saisonende im Oktober kommen so etwa 1100 Kilometer zusammen – eine Strecke von Berlin nach Helsinki. Diese Tradition existiert seit 118 Jahren. In den Wintermonaten steigt Andrea Bunar jedoch auf das Auto um. „Dann fahre ich so nah wie möglich an die Gehöfte heran und laufe den Rest. Das dauert länger und ist beschwerlicher, da ich oft verschneite oder glatte Brücken und Treppen überqueren muss.“
Es gibt drei weitere Postboten, die nur mit besonderen Fahrzeugen ihre Zustellbezirke erreichen, um in diesen abgelegenen Regionen die Einwohner mit Sendungen zu versorgen. Sie stellen auf Nordsee-Inseln zu: Der Wattzusteller Knud Knudsen bringt einem einzigen Haushalt auf der Hallig Süderoog die Sendungen. Dafür legt er drei- bis viermal pro Woche einen knapp 15 Kilometer langen Fußmarsch zurück. Der Postschiffer Johann Petersen fährt täglich mit einer Lore oder dem Postschiff zu den Halligen Langness, Oland und Gröde. Joachim Wichmann stellt tideabhängig per Wattwagen oder Schiff zur Insel Neuwerk zu und steigt dort auf einen Elektro-Roller um.
Fotos: Deutsche Post
pm/red