Vorwort zur Neuausgabe des Einwohnerbuches von 1936
Die Gubener Einwohnerbücher stellen in mehrfacher Hinsicht eine außerordentlich bedeutsame historische Quelle dar: zeitgeschichtlich, stadtgeschichtlich und familiengeschichtlich.
Sie erschienen in Guben seit 1862 in Abständen von einigen Jahren seit 1868 im Gubener Verlag von Albert Koenig. Als Herausgeber trat der Magistrat der Stadt Guben auf.
Die Bezeichnung wechselte im Laufe der Zeit.
Anfangs unter dem Namen “Wohnungsanzeiger für Guben”, später “Adressbuch der Stadt Guben” und schließlich “Einwohnerbuch der Stadt Guben”.
Konkret erschienen sie 1891, 1896, 1900, 1904, 1910, 1912, 1914, 1920, 1923 (Notausgabe), 1925, 1928, 1930, 1933, 1936 und 1939.
Wenige Exemplare befinden sich in Guben im Bestand des Stadtarchiv sowie der Stadtbibliothek.
Grundsätzlich gliedern sie sich in vier große Abschnitte:
1. Übersicht über die in Guben vorhandenen Behörden.
2. Alphabetisches Einwohnerverzeichnis.
3. Alphabetisches Verzeichnis der Straßen und Häuser sowie deren Bewohner.
4. Verzeichnis der Gemeinden des Landkreises Guben.
Einzelne Ausgaben bieten darüber hinaus Angaben, wie z. B. die Ausgabe von 1920 einen Sitzplan des Stadttheaters sowie eine zweiseitige “Kurze Beschreibung der Stadt Guben”.
Das Einwohnerbuch von 1939 verzeichnet die jüdischen Einwohner der Stadt in diskriminierender Weise separat und nicht wie zuvor, gleichberechtigt im alphabetischen Teil.
Die vorliegende Ausgabe, die im Original am 8. September 1936 erschien, enthält eingangs Ausführungen des damaligen Verlagsinhabers Gerhard Koenig unter dem Titel “Guben in seiner jüngsten Entwicklung”.
Sie widerspiegeln den damaligen Zeitgeist und sehen daher die Jahre seit 1933 sehr positiv.
Somit blendet der Verfasser wesentliche Aspekte, wie die Unterdrückung jeglicher Opposition sowie die drastischen Maßnahmen zur Ausgrenzung der Juden aus dem gesellschaftlichen Leben der Stadt, völlig aus.
Einige Fakten dazu werden im Folgenden chronologisch skizziert.
Dass hierbei keine Vollständigkeit angestrebt ist, versteht sich von selbst.
Sie wollen jedoch Anregung zur weiteren Auseinandersetzung mit jener Zeit geben.
In Guben gab es um die Jahreswende 1932/33 etwa 44.500 Einwohner. An der Spitze der Stadt stand seit März 1924 der Rechtsanwalt Oberbürgermeister Heinrich Laß.
Bei der Reichstagswahl am 6. November 1932 hatte die NSDAP in Guben 7.955 Stimmen erhalten.
Damit konnte sie sich als Wahlsieger bezeichnen, obwohl sie im Vergleich zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 fast 2.000 Stimmen verloren hatten.
Als daraufhin am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, fand auch hier am Abend desselben Tages eine “Hitler-Kundgebung” mit Fackelumzug statt.
Eine Kundgebung der KPD auf dem Marktplatz am folgenden Tage wurde indes verboten.
Am 17. Februar 1933 erfolgte zudem das kurzzeitige Verbot der regionalen SPD-Zeitung “Märkische Volksstimme”.
Anfang März erfolgte ein weiteres Verbot sämtlicher kommunistischer Veranstaltungen in Guben. Somit waren den politischen Gegnern der NSDAP in großem Maße die Hände gebunden, was sich in Hinblick auf die für den 5. März 1933 anberaumten Reichstags- und Landtagswahlen als überaus nachteilig erwies.
Deren Ergebnisse erbrachten den Gubener Nationalsozialisten einen Zuwachs von etwa jeweils 3.000 Stimmen, so dass sie aus beiden Wahlen als Sieger hervorgingen.
Daraufhin wurde am 7. März 1933 am Gubener Stadthaus die Hakenkreuzflagge gehisst.
Am 14. März meldete die Gubener Zeitung: “Gestern Nachmittag besetzte die SA das Gubener Gewerkschaftshaus, verbrannte auf der Straße rote und schwarz-weiß-rote Fahnen und hißte die Hakenkreuzflagge.”
Einige Tage danach war zu lesen: “Wie wir von privater Seite erfahren, verhaftete die Gubener Polizei gestern die meisten Gubener Kommunistenführer, u. a. Garke, Schmidt, Hamann, Sefzig, Billig, usw. ”
Es soll bei den Verhafteten schwer belastendes Material vorgefunden worden sein.
Erst drei Monate später kamen sechs von ihnen wieder frei. (Vgl.: GZ 19. 6. 1933)
Im August und September wurden wiederum zahlreiche Kommunisten in Guben verhaftet. (Vgl.: GZ 31. 8. 1933)
Am 12. März 1933 hatten in Guben auch Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung stattgefunden. Die NSDAP gewann dabei mit fast 10.800 Stimmen 17 Sitze, während es KPD und SPD zusammengenommen auf nur etwas mehr als 9.000 Stimmen und damit 14 Sitze brachten. Doch kaum war die neue Stadtverordnetenversammlung Ende März feierlich eröffnet worden, wurde deren Zusammensetzung bereits wieder in Frage gestellt.
Der Reichskommissar für das Land Preußen, Vizekanzler von Papen, teilte mit: “Der preußische Minister des Innern (Kommissar des Reiches) hat durch besonderen Runderlaß vom 20. März d. Js. angeordnet, daß die Vertreter der Kommunistischen Partei Deutschlands an Sitzungen der Vertretungskörperschaften von Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht teilnehmen dürfen, da sie sämtlich unter dem Verdacht des Hochverrats stehen. Ihre Ladung hat daher zu unterbleiben.” (GZ, 28. März 1933)
Im gleichen Atemzug wurde das Verbot der SPD-Presse in Preußen auf unbestimmte Zeit verlängert. Schließlich wurden wenige Wochen später die Räume der “Märkischen Volksstimme” in Cottbus versiegelt und unter polizeiliche Bewachung gestellt. (Vgl.: GZ 13./14.5. 1933)
Mitte April 1933 veröffentlichte das Preußische Innenministerium einen Erlass, wonach SPD- und KPD-Mitglieder keine Stadträte mehr sein dürfen. (Vgl.: GZ 13./14. April 1933) In jenen Tagen trat auch das “Gesetz zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums” in Kraft, was den Nationalsozialisten ein wirksames Mittel in die Hand gab, politisch missliebige Personen zu entlassen.
Aus der Gubener Stadtverwaltung betraf dies 33 Personen. (Vgl.: GZ 2. 6. 1933)
Auch in Guben wurden wichtige Verwaltungspositionen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt.
So trat Dr. Ernst Kaempfe Mitte Mai 1933 die kommissarische Nachfolge des wenige Wochen zuvor beurlaubten Landrates, von Windheim, an.
Anfang Juni 1933 ging der Gubener Oberbürgermeister Laß für vier Wochen in Urlaub, weil er “gesundheitlich sehr angeschlagen” sei, teilte die Gubener Zeitung am 31. Mai 1933 kurz mit.
Dieser Urlaub wurde Anfang Juli 1933 durch den Regierungspräsidenten des Regierungsbezirkes Frankfurt/Oder auf unbestimmte Zeit verlängert.
Somit war dieser Platz ebenfalls frei für ein NSDAP-Mitglied. Erich Schmiedicke übernahm am 11. Juli kommissarisch diese Stelle, wie die Gubener Zeitung am selben Tage berichtete.
In dieser Ausgabe findet sich zudem die Mitteilung darüber, dass das Gubener Stadtparlament nun “rein nationalsozialistisch” sei, da der Studienrat Ernst Anderson sein Mandat niedergelegt hatte.
Kurz nach seiner Amtseinführung wurde Erich Schmiedicke auch zum Polizeiverwalter Gubens ernannt und ihm Ende Oktober 1933 endgültig das Amt des Oberbürgermeisters übertragen.
Zu seiner Biographie teilte die Gubener Zeitung u. a. mit: “1922 trat er als Mitglied der NSDAP bei und wurde Mitbegründer der ersten Ortsgruppe der NSDAP in Berlin. Hier organisierte er auch die erste Berliner SA. 1925 wurde er stellvertretender Gauführer des Gaues Groß-Berlin. 1930 war er Gaugeschäftsführer und Gauinspekteur von Brandenburg. Im Februar 1930 ernannte ihn der Führer zum Gauleiter des Gaues Brandenburg der NSDAP.”
Das blieb er bis zur Zusammenlegung der Gaue Brandenburg und Ostmark zum Gau Kurmark. Er bekam dann die Leitung des Amtes für ständischen Aufbau und Ende Mai 1933 wurde er in die Leitung der deutschen Arbeitsfront berufen unter Beibehaltung der Stellung beim Stab des Gauleiters Kurmark. Im März 1933 wurde Pg. Schmiedicke zum Reichstagsabgeordneten im Wahlkreis Potsdam I gewählt.? (GZ 20. 10. 1933)
Gleichzeitig wurde sein Vorgänger Heinrich Laß in den Ruhestand versetzt.
Ab Frühjahr 1934 arbeitete er in Guben wieder als Rechtsanwalt und starb am 16. Februar 1936.
Am 12. November 1933 fand erneut eine Reichstagswahl statt, diesmal parallel zu einer Volksabstimmung, bei der es um folgende Frage ging: “Billigst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, die Politik Deiner Reichsregierung, und bist Du bereit, sie als den Ausdruck Deiner eigenen Auffassung und Deines eigenen Willens zu erklären und Dich feierlich zu ihr zu bekennen”
Bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 97 % in Guben errangen die Nationalsozialisten, vielfach aufgrund der erfolgten Einschüchterungen, Verbote und Festnahmen, wiederum die meisten Stimmen. Trotzdem waren sie nicht ganz zufrieden.
“Wir wollen nicht darüber hinwegsehen, daß noch rund 3.000 Wahlberechtigte in der Stadt um uns sind, die noch nicht bereit sind, freudigen Herzens den Marsch in die neue Zeit mit anzutreten.”
Freilich, noch bei der letzten Reichstagswahl am 5. März 1933 brachten die Marxisten in Guben trotz heftigster Bekämpfung über 11.000 Stimmen zusammen
Diese Front ist zerschlagen, denn in den 3.000 Stimmen, die nicht für Hitler abgegeben wurden, stecken noch mindestens 1.000, die nicht von Marxisten kommen, sondern von einem Bürgertum, das sich noch nicht daran gewöhnen kann, daß in Deutschland jetzt andere Lieder gesungen werden …
“Die 3.000 werden wissen müssen, daß jeder Vorstoß von ihnen, und sei er noch so verdeckt, hinweggewischt werden wird wie ein störender Schatten.” (GZ 13. 11. 1933)
Eine unverhohlene Drohung!
Der Gauleiter der NSDAP und Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Wilhelm Kube gratulierte wenig später dem Oberbürgermeister schriftlich zu diesem Ergebnis: “Lieber Herr Parteigenosse Schmiedicke! Für die Übersendung des amtlichen Wahlergebnisses für die Stadt Guben sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank. Es muß für Sie als Kreisleiter und Oberbürgermeister doch eine besondere Freude sein, daß unter Ihrer Führung das ehemals rote Guben in so vorbildlicher Weise sich zum Nationalsozialismus bekannt hat. Als Gauleiter sage ich Ihnen dafür herzlichen Dank.” (GZ 18. 12. 1933)
Die Geschichte der Gubener Juden stellte ich im Buch “Nachbarn von einst” dar.
So beschränke ich mich hier auf wenige Tatsachen aus dem Jahr 1933.
Bereits Anfang März 1933 besetzten SS- und SA-Trupps kurzzeitig jüdische Kaufhäuser in Guben, wie u. a. das von Hermann Meier am Markt und Wolff Krimmer Nachf. (Vgl.: GZ 11./12. 3. 1933)
Der Hutfabrikant und Generaldirektor der Berlin-Gubener Hutfabrik AG, Dr. Alexander Lewin, am 6. März 1933 wieder einstimmig zum Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer in Cottbus gewählt, musste dieses Amt einen Monat später aufgeben.
Dazu schrieb die Gubener Zeitung lapidar: “Generaldirektor Dr. Lewin hat im Interesse der Weiterarbeit der Kammer sein Amt als Präsident der Industrie- und Handelskammer Cottbus niedergelegt.” (GZ 11. April 1933)
Der Druck wurde so groß, dass der Kaufmann Otto Salomon in einer Zeitungs-Annonce versicherte, kein Jude zu sein. (GZ, 29. März 1933)
Aus gleichem Grund inserierte Willy Grünewald, Inhaber des Herrenladens Wilgrü Klosterstraße 16, wenige Tage später. Otto Salomon änderte Ende 1934 seinen Namen in Otto Sanders. (Vgl.: GZ 23. 10. 1934)
Die reichsweit angelegte Boykottaktion am 1. April 1933 fand auch in Guben statt. Verharmlosend berichtete die Gubener Zeitung darüber: “Um 10 Uhr marschierten dann vor den einzelnen Geschäften Angehörige der Partei in Uniform auf und postierten sich zum Teil mit Plakaten – Kauft nicht in jüdischen Geschäften! – vor den Eingängen. Die Wachen hatten sämtlich einen Stab mit schwarzgelber Scheibe in den Händen. Gegen 11 Uhr wurde auch das Schuhhaus Bata gesperrt. Karzentra ist geöffnet. Zu Zwischenfällen irgendwelcher Art ist es bis zu Redaktionsschluß nirgends gekommen.” (GZ 1./2. 4.1933)
Zwar blieb der Boykott erfolglos, doch folgten weitere ausgrenzende Verordnungen und Erlasse.
Am 3. April 1933 berichtete die Gubener Zeitung: “Auf Grund der Verfügung des preußischen Justizministers vom 31. März d. Js. bestimmt Herr Landgerichtspräsident Dr. Draeger im Einvernehmen mit dem Leiter der Rechtsstelle beim Gau Ostmark Guben, Rechtsanwalt Maracke: Von den jüdischen Anwälten ist nur Rechtsanwalt Hesse berechtigt, vor dem Landgericht und dem Amtsgericht Guben aufzutreten.”
Ein weiteres Beispiel: ?Die Inhaber der Firma Wolff Krimmer Nachf. haben ihr seit 49 Jahren im Familienbesitz betriebenes Geschäft an Herrn G. Karg, Berlin, verkauft, der das Unternehmen unter der Firma Kaufhaus Karg führen wird.
Die Übernahme erfolgt bereits am 1. Juni 1933. Damit geht das weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannte, größte Textilfachgeschäft in christlichen Besitz über.
Die Posten der leitenden Angestellten werden ebenfalls gleichgeschaltet.” (GZ, 16. Mai 1933)
Die Einschränkungen für die Gubener Juden nahmen weiter zu und endeten in brutaler Gewalt bis zu ihrer Vertreibung und Ermordung.
Es hatte weniger als ein Jahr gedauert, bis es den Nationalsozialisten gelungen war, Guben in ihrem Sinne umzugestalten.
Zwölf Jahre später lag viel mehr als nur diese Stadt in Trümmern.
Beides lässt sich nicht voneinander trennen.
Der Reprint erscheint Ende August mit Beilage des mehrfarbigen, großenformatigen und letzten Gubener Stadtplanes von 1939 vor der Teilung der Stadt zum Preis von 34, 90 Euro.
Bei Vorbestellungen an den Verlag – www.niederlausitzerverlag.de – bis zum 28. August 2008 zum Vorzugspreis von 29,29 zuzüglich Versandkosten von 2,00 Euro
Vorwort zur Neuausgabe des Einwohnerbuches von 1936
Die Gubener Einwohnerbücher stellen in mehrfacher Hinsicht eine außerordentlich bedeutsame historische Quelle dar: zeitgeschichtlich, stadtgeschichtlich und familiengeschichtlich.
Sie erschienen in Guben seit 1862 in Abständen von einigen Jahren seit 1868 im Gubener Verlag von Albert Koenig. Als Herausgeber trat der Magistrat der Stadt Guben auf.
Die Bezeichnung wechselte im Laufe der Zeit.
Anfangs unter dem Namen “Wohnungsanzeiger für Guben”, später “Adressbuch der Stadt Guben” und schließlich “Einwohnerbuch der Stadt Guben”.
Konkret erschienen sie 1891, 1896, 1900, 1904, 1910, 1912, 1914, 1920, 1923 (Notausgabe), 1925, 1928, 1930, 1933, 1936 und 1939.
Wenige Exemplare befinden sich in Guben im Bestand des Stadtarchiv sowie der Stadtbibliothek.
Grundsätzlich gliedern sie sich in vier große Abschnitte:
1. Übersicht über die in Guben vorhandenen Behörden.
2. Alphabetisches Einwohnerverzeichnis.
3. Alphabetisches Verzeichnis der Straßen und Häuser sowie deren Bewohner.
4. Verzeichnis der Gemeinden des Landkreises Guben.
Einzelne Ausgaben bieten darüber hinaus Angaben, wie z. B. die Ausgabe von 1920 einen Sitzplan des Stadttheaters sowie eine zweiseitige “Kurze Beschreibung der Stadt Guben”.
Das Einwohnerbuch von 1939 verzeichnet die jüdischen Einwohner der Stadt in diskriminierender Weise separat und nicht wie zuvor, gleichberechtigt im alphabetischen Teil.
Die vorliegende Ausgabe, die im Original am 8. September 1936 erschien, enthält eingangs Ausführungen des damaligen Verlagsinhabers Gerhard Koenig unter dem Titel “Guben in seiner jüngsten Entwicklung”.
Sie widerspiegeln den damaligen Zeitgeist und sehen daher die Jahre seit 1933 sehr positiv.
Somit blendet der Verfasser wesentliche Aspekte, wie die Unterdrückung jeglicher Opposition sowie die drastischen Maßnahmen zur Ausgrenzung der Juden aus dem gesellschaftlichen Leben der Stadt, völlig aus.
Einige Fakten dazu werden im Folgenden chronologisch skizziert.
Dass hierbei keine Vollständigkeit angestrebt ist, versteht sich von selbst.
Sie wollen jedoch Anregung zur weiteren Auseinandersetzung mit jener Zeit geben.
In Guben gab es um die Jahreswende 1932/33 etwa 44.500 Einwohner. An der Spitze der Stadt stand seit März 1924 der Rechtsanwalt Oberbürgermeister Heinrich Laß.
Bei der Reichstagswahl am 6. November 1932 hatte die NSDAP in Guben 7.955 Stimmen erhalten.
Damit konnte sie sich als Wahlsieger bezeichnen, obwohl sie im Vergleich zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 fast 2.000 Stimmen verloren hatten.
Als daraufhin am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, fand auch hier am Abend desselben Tages eine “Hitler-Kundgebung” mit Fackelumzug statt.
Eine Kundgebung der KPD auf dem Marktplatz am folgenden Tage wurde indes verboten.
Am 17. Februar 1933 erfolgte zudem das kurzzeitige Verbot der regionalen SPD-Zeitung “Märkische Volksstimme”.
Anfang März erfolgte ein weiteres Verbot sämtlicher kommunistischer Veranstaltungen in Guben. Somit waren den politischen Gegnern der NSDAP in großem Maße die Hände gebunden, was sich in Hinblick auf die für den 5. März 1933 anberaumten Reichstags- und Landtagswahlen als überaus nachteilig erwies.
Deren Ergebnisse erbrachten den Gubener Nationalsozialisten einen Zuwachs von etwa jeweils 3.000 Stimmen, so dass sie aus beiden Wahlen als Sieger hervorgingen.
Daraufhin wurde am 7. März 1933 am Gubener Stadthaus die Hakenkreuzflagge gehisst.
Am 14. März meldete die Gubener Zeitung: “Gestern Nachmittag besetzte die SA das Gubener Gewerkschaftshaus, verbrannte auf der Straße rote und schwarz-weiß-rote Fahnen und hißte die Hakenkreuzflagge.”
Einige Tage danach war zu lesen: “Wie wir von privater Seite erfahren, verhaftete die Gubener Polizei gestern die meisten Gubener Kommunistenführer, u. a. Garke, Schmidt, Hamann, Sefzig, Billig, usw. ”
Es soll bei den Verhafteten schwer belastendes Material vorgefunden worden sein.
Erst drei Monate später kamen sechs von ihnen wieder frei. (Vgl.: GZ 19. 6. 1933)
Im August und September wurden wiederum zahlreiche Kommunisten in Guben verhaftet. (Vgl.: GZ 31. 8. 1933)
Am 12. März 1933 hatten in Guben auch Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung stattgefunden. Die NSDAP gewann dabei mit fast 10.800 Stimmen 17 Sitze, während es KPD und SPD zusammengenommen auf nur etwas mehr als 9.000 Stimmen und damit 14 Sitze brachten. Doch kaum war die neue Stadtverordnetenversammlung Ende März feierlich eröffnet worden, wurde deren Zusammensetzung bereits wieder in Frage gestellt.
Der Reichskommissar für das Land Preußen, Vizekanzler von Papen, teilte mit: “Der preußische Minister des Innern (Kommissar des Reiches) hat durch besonderen Runderlaß vom 20. März d. Js. angeordnet, daß die Vertreter der Kommunistischen Partei Deutschlands an Sitzungen der Vertretungskörperschaften von Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht teilnehmen dürfen, da sie sämtlich unter dem Verdacht des Hochverrats stehen. Ihre Ladung hat daher zu unterbleiben.” (GZ, 28. März 1933)
Im gleichen Atemzug wurde das Verbot der SPD-Presse in Preußen auf unbestimmte Zeit verlängert. Schließlich wurden wenige Wochen später die Räume der “Märkischen Volksstimme” in Cottbus versiegelt und unter polizeiliche Bewachung gestellt. (Vgl.: GZ 13./14.5. 1933)
Mitte April 1933 veröffentlichte das Preußische Innenministerium einen Erlass, wonach SPD- und KPD-Mitglieder keine Stadträte mehr sein dürfen. (Vgl.: GZ 13./14. April 1933) In jenen Tagen trat auch das “Gesetz zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums” in Kraft, was den Nationalsozialisten ein wirksames Mittel in die Hand gab, politisch missliebige Personen zu entlassen.
Aus der Gubener Stadtverwaltung betraf dies 33 Personen. (Vgl.: GZ 2. 6. 1933)
Auch in Guben wurden wichtige Verwaltungspositionen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt.
So trat Dr. Ernst Kaempfe Mitte Mai 1933 die kommissarische Nachfolge des wenige Wochen zuvor beurlaubten Landrates, von Windheim, an.
Anfang Juni 1933 ging der Gubener Oberbürgermeister Laß für vier Wochen in Urlaub, weil er “gesundheitlich sehr angeschlagen” sei, teilte die Gubener Zeitung am 31. Mai 1933 kurz mit.
Dieser Urlaub wurde Anfang Juli 1933 durch den Regierungspräsidenten des Regierungsbezirkes Frankfurt/Oder auf unbestimmte Zeit verlängert.
Somit war dieser Platz ebenfalls frei für ein NSDAP-Mitglied. Erich Schmiedicke übernahm am 11. Juli kommissarisch diese Stelle, wie die Gubener Zeitung am selben Tage berichtete.
In dieser Ausgabe findet sich zudem die Mitteilung darüber, dass das Gubener Stadtparlament nun “rein nationalsozialistisch” sei, da der Studienrat Ernst Anderson sein Mandat niedergelegt hatte.
Kurz nach seiner Amtseinführung wurde Erich Schmiedicke auch zum Polizeiverwalter Gubens ernannt und ihm Ende Oktober 1933 endgültig das Amt des Oberbürgermeisters übertragen.
Zu seiner Biographie teilte die Gubener Zeitung u. a. mit: “1922 trat er als Mitglied der NSDAP bei und wurde Mitbegründer der ersten Ortsgruppe der NSDAP in Berlin. Hier organisierte er auch die erste Berliner SA. 1925 wurde er stellvertretender Gauführer des Gaues Groß-Berlin. 1930 war er Gaugeschäftsführer und Gauinspekteur von Brandenburg. Im Februar 1930 ernannte ihn der Führer zum Gauleiter des Gaues Brandenburg der NSDAP.”
Das blieb er bis zur Zusammenlegung der Gaue Brandenburg und Ostmark zum Gau Kurmark. Er bekam dann die Leitung des Amtes für ständischen Aufbau und Ende Mai 1933 wurde er in die Leitung der deutschen Arbeitsfront berufen unter Beibehaltung der Stellung beim Stab des Gauleiters Kurmark. Im März 1933 wurde Pg. Schmiedicke zum Reichstagsabgeordneten im Wahlkreis Potsdam I gewählt.? (GZ 20. 10. 1933)
Gleichzeitig wurde sein Vorgänger Heinrich Laß in den Ruhestand versetzt.
Ab Frühjahr 1934 arbeitete er in Guben wieder als Rechtsanwalt und starb am 16. Februar 1936.
Am 12. November 1933 fand erneut eine Reichstagswahl statt, diesmal parallel zu einer Volksabstimmung, bei der es um folgende Frage ging: “Billigst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, die Politik Deiner Reichsregierung, und bist Du bereit, sie als den Ausdruck Deiner eigenen Auffassung und Deines eigenen Willens zu erklären und Dich feierlich zu ihr zu bekennen”
Bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 97 % in Guben errangen die Nationalsozialisten, vielfach aufgrund der erfolgten Einschüchterungen, Verbote und Festnahmen, wiederum die meisten Stimmen. Trotzdem waren sie nicht ganz zufrieden.
“Wir wollen nicht darüber hinwegsehen, daß noch rund 3.000 Wahlberechtigte in der Stadt um uns sind, die noch nicht bereit sind, freudigen Herzens den Marsch in die neue Zeit mit anzutreten.”
Freilich, noch bei der letzten Reichstagswahl am 5. März 1933 brachten die Marxisten in Guben trotz heftigster Bekämpfung über 11.000 Stimmen zusammen
Diese Front ist zerschlagen, denn in den 3.000 Stimmen, die nicht für Hitler abgegeben wurden, stecken noch mindestens 1.000, die nicht von Marxisten kommen, sondern von einem Bürgertum, das sich noch nicht daran gewöhnen kann, daß in Deutschland jetzt andere Lieder gesungen werden …
“Die 3.000 werden wissen müssen, daß jeder Vorstoß von ihnen, und sei er noch so verdeckt, hinweggewischt werden wird wie ein störender Schatten.” (GZ 13. 11. 1933)
Eine unverhohlene Drohung!
Der Gauleiter der NSDAP und Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Wilhelm Kube gratulierte wenig später dem Oberbürgermeister schriftlich zu diesem Ergebnis: “Lieber Herr Parteigenosse Schmiedicke! Für die Übersendung des amtlichen Wahlergebnisses für die Stadt Guben sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank. Es muß für Sie als Kreisleiter und Oberbürgermeister doch eine besondere Freude sein, daß unter Ihrer Führung das ehemals rote Guben in so vorbildlicher Weise sich zum Nationalsozialismus bekannt hat. Als Gauleiter sage ich Ihnen dafür herzlichen Dank.” (GZ 18. 12. 1933)
Die Geschichte der Gubener Juden stellte ich im Buch “Nachbarn von einst” dar.
So beschränke ich mich hier auf wenige Tatsachen aus dem Jahr 1933.
Bereits Anfang März 1933 besetzten SS- und SA-Trupps kurzzeitig jüdische Kaufhäuser in Guben, wie u. a. das von Hermann Meier am Markt und Wolff Krimmer Nachf. (Vgl.: GZ 11./12. 3. 1933)
Der Hutfabrikant und Generaldirektor der Berlin-Gubener Hutfabrik AG, Dr. Alexander Lewin, am 6. März 1933 wieder einstimmig zum Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer in Cottbus gewählt, musste dieses Amt einen Monat später aufgeben.
Dazu schrieb die Gubener Zeitung lapidar: “Generaldirektor Dr. Lewin hat im Interesse der Weiterarbeit der Kammer sein Amt als Präsident der Industrie- und Handelskammer Cottbus niedergelegt.” (GZ 11. April 1933)
Der Druck wurde so groß, dass der Kaufmann Otto Salomon in einer Zeitungs-Annonce versicherte, kein Jude zu sein. (GZ, 29. März 1933)
Aus gleichem Grund inserierte Willy Grünewald, Inhaber des Herrenladens Wilgrü Klosterstraße 16, wenige Tage später. Otto Salomon änderte Ende 1934 seinen Namen in Otto Sanders. (Vgl.: GZ 23. 10. 1934)
Die reichsweit angelegte Boykottaktion am 1. April 1933 fand auch in Guben statt. Verharmlosend berichtete die Gubener Zeitung darüber: “Um 10 Uhr marschierten dann vor den einzelnen Geschäften Angehörige der Partei in Uniform auf und postierten sich zum Teil mit Plakaten – Kauft nicht in jüdischen Geschäften! – vor den Eingängen. Die Wachen hatten sämtlich einen Stab mit schwarzgelber Scheibe in den Händen. Gegen 11 Uhr wurde auch das Schuhhaus Bata gesperrt. Karzentra ist geöffnet. Zu Zwischenfällen irgendwelcher Art ist es bis zu Redaktionsschluß nirgends gekommen.” (GZ 1./2. 4.1933)
Zwar blieb der Boykott erfolglos, doch folgten weitere ausgrenzende Verordnungen und Erlasse.
Am 3. April 1933 berichtete die Gubener Zeitung: “Auf Grund der Verfügung des preußischen Justizministers vom 31. März d. Js. bestimmt Herr Landgerichtspräsident Dr. Draeger im Einvernehmen mit dem Leiter der Rechtsstelle beim Gau Ostmark Guben, Rechtsanwalt Maracke: Von den jüdischen Anwälten ist nur Rechtsanwalt Hesse berechtigt, vor dem Landgericht und dem Amtsgericht Guben aufzutreten.”
Ein weiteres Beispiel: ?Die Inhaber der Firma Wolff Krimmer Nachf. haben ihr seit 49 Jahren im Familienbesitz betriebenes Geschäft an Herrn G. Karg, Berlin, verkauft, der das Unternehmen unter der Firma Kaufhaus Karg führen wird.
Die Übernahme erfolgt bereits am 1. Juni 1933. Damit geht das weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannte, größte Textilfachgeschäft in christlichen Besitz über.
Die Posten der leitenden Angestellten werden ebenfalls gleichgeschaltet.” (GZ, 16. Mai 1933)
Die Einschränkungen für die Gubener Juden nahmen weiter zu und endeten in brutaler Gewalt bis zu ihrer Vertreibung und Ermordung.
Es hatte weniger als ein Jahr gedauert, bis es den Nationalsozialisten gelungen war, Guben in ihrem Sinne umzugestalten.
Zwölf Jahre später lag viel mehr als nur diese Stadt in Trümmern.
Beides lässt sich nicht voneinander trennen.
Der Reprint erscheint Ende August mit Beilage des mehrfarbigen, großenformatigen und letzten Gubener Stadtplanes von 1939 vor der Teilung der Stadt zum Preis von 34, 90 Euro.
Bei Vorbestellungen an den Verlag – www.niederlausitzerverlag.de – bis zum 28. August 2008 zum Vorzugspreis von 29,29 zuzüglich Versandkosten von 2,00 Euro
Vorwort zur Neuausgabe des Einwohnerbuches von 1936
Die Gubener Einwohnerbücher stellen in mehrfacher Hinsicht eine außerordentlich bedeutsame historische Quelle dar: zeitgeschichtlich, stadtgeschichtlich und familiengeschichtlich.
Sie erschienen in Guben seit 1862 in Abständen von einigen Jahren seit 1868 im Gubener Verlag von Albert Koenig. Als Herausgeber trat der Magistrat der Stadt Guben auf.
Die Bezeichnung wechselte im Laufe der Zeit.
Anfangs unter dem Namen “Wohnungsanzeiger für Guben”, später “Adressbuch der Stadt Guben” und schließlich “Einwohnerbuch der Stadt Guben”.
Konkret erschienen sie 1891, 1896, 1900, 1904, 1910, 1912, 1914, 1920, 1923 (Notausgabe), 1925, 1928, 1930, 1933, 1936 und 1939.
Wenige Exemplare befinden sich in Guben im Bestand des Stadtarchiv sowie der Stadtbibliothek.
Grundsätzlich gliedern sie sich in vier große Abschnitte:
1. Übersicht über die in Guben vorhandenen Behörden.
2. Alphabetisches Einwohnerverzeichnis.
3. Alphabetisches Verzeichnis der Straßen und Häuser sowie deren Bewohner.
4. Verzeichnis der Gemeinden des Landkreises Guben.
Einzelne Ausgaben bieten darüber hinaus Angaben, wie z. B. die Ausgabe von 1920 einen Sitzplan des Stadttheaters sowie eine zweiseitige “Kurze Beschreibung der Stadt Guben”.
Das Einwohnerbuch von 1939 verzeichnet die jüdischen Einwohner der Stadt in diskriminierender Weise separat und nicht wie zuvor, gleichberechtigt im alphabetischen Teil.
Die vorliegende Ausgabe, die im Original am 8. September 1936 erschien, enthält eingangs Ausführungen des damaligen Verlagsinhabers Gerhard Koenig unter dem Titel “Guben in seiner jüngsten Entwicklung”.
Sie widerspiegeln den damaligen Zeitgeist und sehen daher die Jahre seit 1933 sehr positiv.
Somit blendet der Verfasser wesentliche Aspekte, wie die Unterdrückung jeglicher Opposition sowie die drastischen Maßnahmen zur Ausgrenzung der Juden aus dem gesellschaftlichen Leben der Stadt, völlig aus.
Einige Fakten dazu werden im Folgenden chronologisch skizziert.
Dass hierbei keine Vollständigkeit angestrebt ist, versteht sich von selbst.
Sie wollen jedoch Anregung zur weiteren Auseinandersetzung mit jener Zeit geben.
In Guben gab es um die Jahreswende 1932/33 etwa 44.500 Einwohner. An der Spitze der Stadt stand seit März 1924 der Rechtsanwalt Oberbürgermeister Heinrich Laß.
Bei der Reichstagswahl am 6. November 1932 hatte die NSDAP in Guben 7.955 Stimmen erhalten.
Damit konnte sie sich als Wahlsieger bezeichnen, obwohl sie im Vergleich zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 fast 2.000 Stimmen verloren hatten.
Als daraufhin am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, fand auch hier am Abend desselben Tages eine “Hitler-Kundgebung” mit Fackelumzug statt.
Eine Kundgebung der KPD auf dem Marktplatz am folgenden Tage wurde indes verboten.
Am 17. Februar 1933 erfolgte zudem das kurzzeitige Verbot der regionalen SPD-Zeitung “Märkische Volksstimme”.
Anfang März erfolgte ein weiteres Verbot sämtlicher kommunistischer Veranstaltungen in Guben. Somit waren den politischen Gegnern der NSDAP in großem Maße die Hände gebunden, was sich in Hinblick auf die für den 5. März 1933 anberaumten Reichstags- und Landtagswahlen als überaus nachteilig erwies.
Deren Ergebnisse erbrachten den Gubener Nationalsozialisten einen Zuwachs von etwa jeweils 3.000 Stimmen, so dass sie aus beiden Wahlen als Sieger hervorgingen.
Daraufhin wurde am 7. März 1933 am Gubener Stadthaus die Hakenkreuzflagge gehisst.
Am 14. März meldete die Gubener Zeitung: “Gestern Nachmittag besetzte die SA das Gubener Gewerkschaftshaus, verbrannte auf der Straße rote und schwarz-weiß-rote Fahnen und hißte die Hakenkreuzflagge.”
Einige Tage danach war zu lesen: “Wie wir von privater Seite erfahren, verhaftete die Gubener Polizei gestern die meisten Gubener Kommunistenführer, u. a. Garke, Schmidt, Hamann, Sefzig, Billig, usw. ”
Es soll bei den Verhafteten schwer belastendes Material vorgefunden worden sein.
Erst drei Monate später kamen sechs von ihnen wieder frei. (Vgl.: GZ 19. 6. 1933)
Im August und September wurden wiederum zahlreiche Kommunisten in Guben verhaftet. (Vgl.: GZ 31. 8. 1933)
Am 12. März 1933 hatten in Guben auch Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung stattgefunden. Die NSDAP gewann dabei mit fast 10.800 Stimmen 17 Sitze, während es KPD und SPD zusammengenommen auf nur etwas mehr als 9.000 Stimmen und damit 14 Sitze brachten. Doch kaum war die neue Stadtverordnetenversammlung Ende März feierlich eröffnet worden, wurde deren Zusammensetzung bereits wieder in Frage gestellt.
Der Reichskommissar für das Land Preußen, Vizekanzler von Papen, teilte mit: “Der preußische Minister des Innern (Kommissar des Reiches) hat durch besonderen Runderlaß vom 20. März d. Js. angeordnet, daß die Vertreter der Kommunistischen Partei Deutschlands an Sitzungen der Vertretungskörperschaften von Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht teilnehmen dürfen, da sie sämtlich unter dem Verdacht des Hochverrats stehen. Ihre Ladung hat daher zu unterbleiben.” (GZ, 28. März 1933)
Im gleichen Atemzug wurde das Verbot der SPD-Presse in Preußen auf unbestimmte Zeit verlängert. Schließlich wurden wenige Wochen später die Räume der “Märkischen Volksstimme” in Cottbus versiegelt und unter polizeiliche Bewachung gestellt. (Vgl.: GZ 13./14.5. 1933)
Mitte April 1933 veröffentlichte das Preußische Innenministerium einen Erlass, wonach SPD- und KPD-Mitglieder keine Stadträte mehr sein dürfen. (Vgl.: GZ 13./14. April 1933) In jenen Tagen trat auch das “Gesetz zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums” in Kraft, was den Nationalsozialisten ein wirksames Mittel in die Hand gab, politisch missliebige Personen zu entlassen.
Aus der Gubener Stadtverwaltung betraf dies 33 Personen. (Vgl.: GZ 2. 6. 1933)
Auch in Guben wurden wichtige Verwaltungspositionen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt.
So trat Dr. Ernst Kaempfe Mitte Mai 1933 die kommissarische Nachfolge des wenige Wochen zuvor beurlaubten Landrates, von Windheim, an.
Anfang Juni 1933 ging der Gubener Oberbürgermeister Laß für vier Wochen in Urlaub, weil er “gesundheitlich sehr angeschlagen” sei, teilte die Gubener Zeitung am 31. Mai 1933 kurz mit.
Dieser Urlaub wurde Anfang Juli 1933 durch den Regierungspräsidenten des Regierungsbezirkes Frankfurt/Oder auf unbestimmte Zeit verlängert.
Somit war dieser Platz ebenfalls frei für ein NSDAP-Mitglied. Erich Schmiedicke übernahm am 11. Juli kommissarisch diese Stelle, wie die Gubener Zeitung am selben Tage berichtete.
In dieser Ausgabe findet sich zudem die Mitteilung darüber, dass das Gubener Stadtparlament nun “rein nationalsozialistisch” sei, da der Studienrat Ernst Anderson sein Mandat niedergelegt hatte.
Kurz nach seiner Amtseinführung wurde Erich Schmiedicke auch zum Polizeiverwalter Gubens ernannt und ihm Ende Oktober 1933 endgültig das Amt des Oberbürgermeisters übertragen.
Zu seiner Biographie teilte die Gubener Zeitung u. a. mit: “1922 trat er als Mitglied der NSDAP bei und wurde Mitbegründer der ersten Ortsgruppe der NSDAP in Berlin. Hier organisierte er auch die erste Berliner SA. 1925 wurde er stellvertretender Gauführer des Gaues Groß-Berlin. 1930 war er Gaugeschäftsführer und Gauinspekteur von Brandenburg. Im Februar 1930 ernannte ihn der Führer zum Gauleiter des Gaues Brandenburg der NSDAP.”
Das blieb er bis zur Zusammenlegung der Gaue Brandenburg und Ostmark zum Gau Kurmark. Er bekam dann die Leitung des Amtes für ständischen Aufbau und Ende Mai 1933 wurde er in die Leitung der deutschen Arbeitsfront berufen unter Beibehaltung der Stellung beim Stab des Gauleiters Kurmark. Im März 1933 wurde Pg. Schmiedicke zum Reichstagsabgeordneten im Wahlkreis Potsdam I gewählt.? (GZ 20. 10. 1933)
Gleichzeitig wurde sein Vorgänger Heinrich Laß in den Ruhestand versetzt.
Ab Frühjahr 1934 arbeitete er in Guben wieder als Rechtsanwalt und starb am 16. Februar 1936.
Am 12. November 1933 fand erneut eine Reichstagswahl statt, diesmal parallel zu einer Volksabstimmung, bei der es um folgende Frage ging: “Billigst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, die Politik Deiner Reichsregierung, und bist Du bereit, sie als den Ausdruck Deiner eigenen Auffassung und Deines eigenen Willens zu erklären und Dich feierlich zu ihr zu bekennen”
Bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 97 % in Guben errangen die Nationalsozialisten, vielfach aufgrund der erfolgten Einschüchterungen, Verbote und Festnahmen, wiederum die meisten Stimmen. Trotzdem waren sie nicht ganz zufrieden.
“Wir wollen nicht darüber hinwegsehen, daß noch rund 3.000 Wahlberechtigte in der Stadt um uns sind, die noch nicht bereit sind, freudigen Herzens den Marsch in die neue Zeit mit anzutreten.”
Freilich, noch bei der letzten Reichstagswahl am 5. März 1933 brachten die Marxisten in Guben trotz heftigster Bekämpfung über 11.000 Stimmen zusammen
Diese Front ist zerschlagen, denn in den 3.000 Stimmen, die nicht für Hitler abgegeben wurden, stecken noch mindestens 1.000, die nicht von Marxisten kommen, sondern von einem Bürgertum, das sich noch nicht daran gewöhnen kann, daß in Deutschland jetzt andere Lieder gesungen werden …
“Die 3.000 werden wissen müssen, daß jeder Vorstoß von ihnen, und sei er noch so verdeckt, hinweggewischt werden wird wie ein störender Schatten.” (GZ 13. 11. 1933)
Eine unverhohlene Drohung!
Der Gauleiter der NSDAP und Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Wilhelm Kube gratulierte wenig später dem Oberbürgermeister schriftlich zu diesem Ergebnis: “Lieber Herr Parteigenosse Schmiedicke! Für die Übersendung des amtlichen Wahlergebnisses für die Stadt Guben sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank. Es muß für Sie als Kreisleiter und Oberbürgermeister doch eine besondere Freude sein, daß unter Ihrer Führung das ehemals rote Guben in so vorbildlicher Weise sich zum Nationalsozialismus bekannt hat. Als Gauleiter sage ich Ihnen dafür herzlichen Dank.” (GZ 18. 12. 1933)
Die Geschichte der Gubener Juden stellte ich im Buch “Nachbarn von einst” dar.
So beschränke ich mich hier auf wenige Tatsachen aus dem Jahr 1933.
Bereits Anfang März 1933 besetzten SS- und SA-Trupps kurzzeitig jüdische Kaufhäuser in Guben, wie u. a. das von Hermann Meier am Markt und Wolff Krimmer Nachf. (Vgl.: GZ 11./12. 3. 1933)
Der Hutfabrikant und Generaldirektor der Berlin-Gubener Hutfabrik AG, Dr. Alexander Lewin, am 6. März 1933 wieder einstimmig zum Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer in Cottbus gewählt, musste dieses Amt einen Monat später aufgeben.
Dazu schrieb die Gubener Zeitung lapidar: “Generaldirektor Dr. Lewin hat im Interesse der Weiterarbeit der Kammer sein Amt als Präsident der Industrie- und Handelskammer Cottbus niedergelegt.” (GZ 11. April 1933)
Der Druck wurde so groß, dass der Kaufmann Otto Salomon in einer Zeitungs-Annonce versicherte, kein Jude zu sein. (GZ, 29. März 1933)
Aus gleichem Grund inserierte Willy Grünewald, Inhaber des Herrenladens Wilgrü Klosterstraße 16, wenige Tage später. Otto Salomon änderte Ende 1934 seinen Namen in Otto Sanders. (Vgl.: GZ 23. 10. 1934)
Die reichsweit angelegte Boykottaktion am 1. April 1933 fand auch in Guben statt. Verharmlosend berichtete die Gubener Zeitung darüber: “Um 10 Uhr marschierten dann vor den einzelnen Geschäften Angehörige der Partei in Uniform auf und postierten sich zum Teil mit Plakaten – Kauft nicht in jüdischen Geschäften! – vor den Eingängen. Die Wachen hatten sämtlich einen Stab mit schwarzgelber Scheibe in den Händen. Gegen 11 Uhr wurde auch das Schuhhaus Bata gesperrt. Karzentra ist geöffnet. Zu Zwischenfällen irgendwelcher Art ist es bis zu Redaktionsschluß nirgends gekommen.” (GZ 1./2. 4.1933)
Zwar blieb der Boykott erfolglos, doch folgten weitere ausgrenzende Verordnungen und Erlasse.
Am 3. April 1933 berichtete die Gubener Zeitung: “Auf Grund der Verfügung des preußischen Justizministers vom 31. März d. Js. bestimmt Herr Landgerichtspräsident Dr. Draeger im Einvernehmen mit dem Leiter der Rechtsstelle beim Gau Ostmark Guben, Rechtsanwalt Maracke: Von den jüdischen Anwälten ist nur Rechtsanwalt Hesse berechtigt, vor dem Landgericht und dem Amtsgericht Guben aufzutreten.”
Ein weiteres Beispiel: ?Die Inhaber der Firma Wolff Krimmer Nachf. haben ihr seit 49 Jahren im Familienbesitz betriebenes Geschäft an Herrn G. Karg, Berlin, verkauft, der das Unternehmen unter der Firma Kaufhaus Karg führen wird.
Die Übernahme erfolgt bereits am 1. Juni 1933. Damit geht das weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannte, größte Textilfachgeschäft in christlichen Besitz über.
Die Posten der leitenden Angestellten werden ebenfalls gleichgeschaltet.” (GZ, 16. Mai 1933)
Die Einschränkungen für die Gubener Juden nahmen weiter zu und endeten in brutaler Gewalt bis zu ihrer Vertreibung und Ermordung.
Es hatte weniger als ein Jahr gedauert, bis es den Nationalsozialisten gelungen war, Guben in ihrem Sinne umzugestalten.
Zwölf Jahre später lag viel mehr als nur diese Stadt in Trümmern.
Beides lässt sich nicht voneinander trennen.
Der Reprint erscheint Ende August mit Beilage des mehrfarbigen, großenformatigen und letzten Gubener Stadtplanes von 1939 vor der Teilung der Stadt zum Preis von 34, 90 Euro.
Bei Vorbestellungen an den Verlag – www.niederlausitzerverlag.de – bis zum 28. August 2008 zum Vorzugspreis von 29,29 zuzüglich Versandkosten von 2,00 Euro
Vorwort zur Neuausgabe des Einwohnerbuches von 1936
Die Gubener Einwohnerbücher stellen in mehrfacher Hinsicht eine außerordentlich bedeutsame historische Quelle dar: zeitgeschichtlich, stadtgeschichtlich und familiengeschichtlich.
Sie erschienen in Guben seit 1862 in Abständen von einigen Jahren seit 1868 im Gubener Verlag von Albert Koenig. Als Herausgeber trat der Magistrat der Stadt Guben auf.
Die Bezeichnung wechselte im Laufe der Zeit.
Anfangs unter dem Namen “Wohnungsanzeiger für Guben”, später “Adressbuch der Stadt Guben” und schließlich “Einwohnerbuch der Stadt Guben”.
Konkret erschienen sie 1891, 1896, 1900, 1904, 1910, 1912, 1914, 1920, 1923 (Notausgabe), 1925, 1928, 1930, 1933, 1936 und 1939.
Wenige Exemplare befinden sich in Guben im Bestand des Stadtarchiv sowie der Stadtbibliothek.
Grundsätzlich gliedern sie sich in vier große Abschnitte:
1. Übersicht über die in Guben vorhandenen Behörden.
2. Alphabetisches Einwohnerverzeichnis.
3. Alphabetisches Verzeichnis der Straßen und Häuser sowie deren Bewohner.
4. Verzeichnis der Gemeinden des Landkreises Guben.
Einzelne Ausgaben bieten darüber hinaus Angaben, wie z. B. die Ausgabe von 1920 einen Sitzplan des Stadttheaters sowie eine zweiseitige “Kurze Beschreibung der Stadt Guben”.
Das Einwohnerbuch von 1939 verzeichnet die jüdischen Einwohner der Stadt in diskriminierender Weise separat und nicht wie zuvor, gleichberechtigt im alphabetischen Teil.
Die vorliegende Ausgabe, die im Original am 8. September 1936 erschien, enthält eingangs Ausführungen des damaligen Verlagsinhabers Gerhard Koenig unter dem Titel “Guben in seiner jüngsten Entwicklung”.
Sie widerspiegeln den damaligen Zeitgeist und sehen daher die Jahre seit 1933 sehr positiv.
Somit blendet der Verfasser wesentliche Aspekte, wie die Unterdrückung jeglicher Opposition sowie die drastischen Maßnahmen zur Ausgrenzung der Juden aus dem gesellschaftlichen Leben der Stadt, völlig aus.
Einige Fakten dazu werden im Folgenden chronologisch skizziert.
Dass hierbei keine Vollständigkeit angestrebt ist, versteht sich von selbst.
Sie wollen jedoch Anregung zur weiteren Auseinandersetzung mit jener Zeit geben.
In Guben gab es um die Jahreswende 1932/33 etwa 44.500 Einwohner. An der Spitze der Stadt stand seit März 1924 der Rechtsanwalt Oberbürgermeister Heinrich Laß.
Bei der Reichstagswahl am 6. November 1932 hatte die NSDAP in Guben 7.955 Stimmen erhalten.
Damit konnte sie sich als Wahlsieger bezeichnen, obwohl sie im Vergleich zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 fast 2.000 Stimmen verloren hatten.
Als daraufhin am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, fand auch hier am Abend desselben Tages eine “Hitler-Kundgebung” mit Fackelumzug statt.
Eine Kundgebung der KPD auf dem Marktplatz am folgenden Tage wurde indes verboten.
Am 17. Februar 1933 erfolgte zudem das kurzzeitige Verbot der regionalen SPD-Zeitung “Märkische Volksstimme”.
Anfang März erfolgte ein weiteres Verbot sämtlicher kommunistischer Veranstaltungen in Guben. Somit waren den politischen Gegnern der NSDAP in großem Maße die Hände gebunden, was sich in Hinblick auf die für den 5. März 1933 anberaumten Reichstags- und Landtagswahlen als überaus nachteilig erwies.
Deren Ergebnisse erbrachten den Gubener Nationalsozialisten einen Zuwachs von etwa jeweils 3.000 Stimmen, so dass sie aus beiden Wahlen als Sieger hervorgingen.
Daraufhin wurde am 7. März 1933 am Gubener Stadthaus die Hakenkreuzflagge gehisst.
Am 14. März meldete die Gubener Zeitung: “Gestern Nachmittag besetzte die SA das Gubener Gewerkschaftshaus, verbrannte auf der Straße rote und schwarz-weiß-rote Fahnen und hißte die Hakenkreuzflagge.”
Einige Tage danach war zu lesen: “Wie wir von privater Seite erfahren, verhaftete die Gubener Polizei gestern die meisten Gubener Kommunistenführer, u. a. Garke, Schmidt, Hamann, Sefzig, Billig, usw. ”
Es soll bei den Verhafteten schwer belastendes Material vorgefunden worden sein.
Erst drei Monate später kamen sechs von ihnen wieder frei. (Vgl.: GZ 19. 6. 1933)
Im August und September wurden wiederum zahlreiche Kommunisten in Guben verhaftet. (Vgl.: GZ 31. 8. 1933)
Am 12. März 1933 hatten in Guben auch Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung stattgefunden. Die NSDAP gewann dabei mit fast 10.800 Stimmen 17 Sitze, während es KPD und SPD zusammengenommen auf nur etwas mehr als 9.000 Stimmen und damit 14 Sitze brachten. Doch kaum war die neue Stadtverordnetenversammlung Ende März feierlich eröffnet worden, wurde deren Zusammensetzung bereits wieder in Frage gestellt.
Der Reichskommissar für das Land Preußen, Vizekanzler von Papen, teilte mit: “Der preußische Minister des Innern (Kommissar des Reiches) hat durch besonderen Runderlaß vom 20. März d. Js. angeordnet, daß die Vertreter der Kommunistischen Partei Deutschlands an Sitzungen der Vertretungskörperschaften von Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht teilnehmen dürfen, da sie sämtlich unter dem Verdacht des Hochverrats stehen. Ihre Ladung hat daher zu unterbleiben.” (GZ, 28. März 1933)
Im gleichen Atemzug wurde das Verbot der SPD-Presse in Preußen auf unbestimmte Zeit verlängert. Schließlich wurden wenige Wochen später die Räume der “Märkischen Volksstimme” in Cottbus versiegelt und unter polizeiliche Bewachung gestellt. (Vgl.: GZ 13./14.5. 1933)
Mitte April 1933 veröffentlichte das Preußische Innenministerium einen Erlass, wonach SPD- und KPD-Mitglieder keine Stadträte mehr sein dürfen. (Vgl.: GZ 13./14. April 1933) In jenen Tagen trat auch das “Gesetz zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums” in Kraft, was den Nationalsozialisten ein wirksames Mittel in die Hand gab, politisch missliebige Personen zu entlassen.
Aus der Gubener Stadtverwaltung betraf dies 33 Personen. (Vgl.: GZ 2. 6. 1933)
Auch in Guben wurden wichtige Verwaltungspositionen mit NSDAP-Mitgliedern besetzt.
So trat Dr. Ernst Kaempfe Mitte Mai 1933 die kommissarische Nachfolge des wenige Wochen zuvor beurlaubten Landrates, von Windheim, an.
Anfang Juni 1933 ging der Gubener Oberbürgermeister Laß für vier Wochen in Urlaub, weil er “gesundheitlich sehr angeschlagen” sei, teilte die Gubener Zeitung am 31. Mai 1933 kurz mit.
Dieser Urlaub wurde Anfang Juli 1933 durch den Regierungspräsidenten des Regierungsbezirkes Frankfurt/Oder auf unbestimmte Zeit verlängert.
Somit war dieser Platz ebenfalls frei für ein NSDAP-Mitglied. Erich Schmiedicke übernahm am 11. Juli kommissarisch diese Stelle, wie die Gubener Zeitung am selben Tage berichtete.
In dieser Ausgabe findet sich zudem die Mitteilung darüber, dass das Gubener Stadtparlament nun “rein nationalsozialistisch” sei, da der Studienrat Ernst Anderson sein Mandat niedergelegt hatte.
Kurz nach seiner Amtseinführung wurde Erich Schmiedicke auch zum Polizeiverwalter Gubens ernannt und ihm Ende Oktober 1933 endgültig das Amt des Oberbürgermeisters übertragen.
Zu seiner Biographie teilte die Gubener Zeitung u. a. mit: “1922 trat er als Mitglied der NSDAP bei und wurde Mitbegründer der ersten Ortsgruppe der NSDAP in Berlin. Hier organisierte er auch die erste Berliner SA. 1925 wurde er stellvertretender Gauführer des Gaues Groß-Berlin. 1930 war er Gaugeschäftsführer und Gauinspekteur von Brandenburg. Im Februar 1930 ernannte ihn der Führer zum Gauleiter des Gaues Brandenburg der NSDAP.”
Das blieb er bis zur Zusammenlegung der Gaue Brandenburg und Ostmark zum Gau Kurmark. Er bekam dann die Leitung des Amtes für ständischen Aufbau und Ende Mai 1933 wurde er in die Leitung der deutschen Arbeitsfront berufen unter Beibehaltung der Stellung beim Stab des Gauleiters Kurmark. Im März 1933 wurde Pg. Schmiedicke zum Reichstagsabgeordneten im Wahlkreis Potsdam I gewählt.? (GZ 20. 10. 1933)
Gleichzeitig wurde sein Vorgänger Heinrich Laß in den Ruhestand versetzt.
Ab Frühjahr 1934 arbeitete er in Guben wieder als Rechtsanwalt und starb am 16. Februar 1936.
Am 12. November 1933 fand erneut eine Reichstagswahl statt, diesmal parallel zu einer Volksabstimmung, bei der es um folgende Frage ging: “Billigst Du, deutscher Mann, und Du, deutsche Frau, die Politik Deiner Reichsregierung, und bist Du bereit, sie als den Ausdruck Deiner eigenen Auffassung und Deines eigenen Willens zu erklären und Dich feierlich zu ihr zu bekennen”
Bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 97 % in Guben errangen die Nationalsozialisten, vielfach aufgrund der erfolgten Einschüchterungen, Verbote und Festnahmen, wiederum die meisten Stimmen. Trotzdem waren sie nicht ganz zufrieden.
“Wir wollen nicht darüber hinwegsehen, daß noch rund 3.000 Wahlberechtigte in der Stadt um uns sind, die noch nicht bereit sind, freudigen Herzens den Marsch in die neue Zeit mit anzutreten.”
Freilich, noch bei der letzten Reichstagswahl am 5. März 1933 brachten die Marxisten in Guben trotz heftigster Bekämpfung über 11.000 Stimmen zusammen
Diese Front ist zerschlagen, denn in den 3.000 Stimmen, die nicht für Hitler abgegeben wurden, stecken noch mindestens 1.000, die nicht von Marxisten kommen, sondern von einem Bürgertum, das sich noch nicht daran gewöhnen kann, daß in Deutschland jetzt andere Lieder gesungen werden …
“Die 3.000 werden wissen müssen, daß jeder Vorstoß von ihnen, und sei er noch so verdeckt, hinweggewischt werden wird wie ein störender Schatten.” (GZ 13. 11. 1933)
Eine unverhohlene Drohung!
Der Gauleiter der NSDAP und Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Wilhelm Kube gratulierte wenig später dem Oberbürgermeister schriftlich zu diesem Ergebnis: “Lieber Herr Parteigenosse Schmiedicke! Für die Übersendung des amtlichen Wahlergebnisses für die Stadt Guben sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank. Es muß für Sie als Kreisleiter und Oberbürgermeister doch eine besondere Freude sein, daß unter Ihrer Führung das ehemals rote Guben in so vorbildlicher Weise sich zum Nationalsozialismus bekannt hat. Als Gauleiter sage ich Ihnen dafür herzlichen Dank.” (GZ 18. 12. 1933)
Die Geschichte der Gubener Juden stellte ich im Buch “Nachbarn von einst” dar.
So beschränke ich mich hier auf wenige Tatsachen aus dem Jahr 1933.
Bereits Anfang März 1933 besetzten SS- und SA-Trupps kurzzeitig jüdische Kaufhäuser in Guben, wie u. a. das von Hermann Meier am Markt und Wolff Krimmer Nachf. (Vgl.: GZ 11./12. 3. 1933)
Der Hutfabrikant und Generaldirektor der Berlin-Gubener Hutfabrik AG, Dr. Alexander Lewin, am 6. März 1933 wieder einstimmig zum Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer in Cottbus gewählt, musste dieses Amt einen Monat später aufgeben.
Dazu schrieb die Gubener Zeitung lapidar: “Generaldirektor Dr. Lewin hat im Interesse der Weiterarbeit der Kammer sein Amt als Präsident der Industrie- und Handelskammer Cottbus niedergelegt.” (GZ 11. April 1933)
Der Druck wurde so groß, dass der Kaufmann Otto Salomon in einer Zeitungs-Annonce versicherte, kein Jude zu sein. (GZ, 29. März 1933)
Aus gleichem Grund inserierte Willy Grünewald, Inhaber des Herrenladens Wilgrü Klosterstraße 16, wenige Tage später. Otto Salomon änderte Ende 1934 seinen Namen in Otto Sanders. (Vgl.: GZ 23. 10. 1934)
Die reichsweit angelegte Boykottaktion am 1. April 1933 fand auch in Guben statt. Verharmlosend berichtete die Gubener Zeitung darüber: “Um 10 Uhr marschierten dann vor den einzelnen Geschäften Angehörige der Partei in Uniform auf und postierten sich zum Teil mit Plakaten – Kauft nicht in jüdischen Geschäften! – vor den Eingängen. Die Wachen hatten sämtlich einen Stab mit schwarzgelber Scheibe in den Händen. Gegen 11 Uhr wurde auch das Schuhhaus Bata gesperrt. Karzentra ist geöffnet. Zu Zwischenfällen irgendwelcher Art ist es bis zu Redaktionsschluß nirgends gekommen.” (GZ 1./2. 4.1933)
Zwar blieb der Boykott erfolglos, doch folgten weitere ausgrenzende Verordnungen und Erlasse.
Am 3. April 1933 berichtete die Gubener Zeitung: “Auf Grund der Verfügung des preußischen Justizministers vom 31. März d. Js. bestimmt Herr Landgerichtspräsident Dr. Draeger im Einvernehmen mit dem Leiter der Rechtsstelle beim Gau Ostmark Guben, Rechtsanwalt Maracke: Von den jüdischen Anwälten ist nur Rechtsanwalt Hesse berechtigt, vor dem Landgericht und dem Amtsgericht Guben aufzutreten.”
Ein weiteres Beispiel: ?Die Inhaber der Firma Wolff Krimmer Nachf. haben ihr seit 49 Jahren im Familienbesitz betriebenes Geschäft an Herrn G. Karg, Berlin, verkauft, der das Unternehmen unter der Firma Kaufhaus Karg führen wird.
Die Übernahme erfolgt bereits am 1. Juni 1933. Damit geht das weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannte, größte Textilfachgeschäft in christlichen Besitz über.
Die Posten der leitenden Angestellten werden ebenfalls gleichgeschaltet.” (GZ, 16. Mai 1933)
Die Einschränkungen für die Gubener Juden nahmen weiter zu und endeten in brutaler Gewalt bis zu ihrer Vertreibung und Ermordung.
Es hatte weniger als ein Jahr gedauert, bis es den Nationalsozialisten gelungen war, Guben in ihrem Sinne umzugestalten.
Zwölf Jahre später lag viel mehr als nur diese Stadt in Trümmern.
Beides lässt sich nicht voneinander trennen.
Der Reprint erscheint Ende August mit Beilage des mehrfarbigen, großenformatigen und letzten Gubener Stadtplanes von 1939 vor der Teilung der Stadt zum Preis von 34, 90 Euro.
Bei Vorbestellungen an den Verlag – www.niederlausitzerverlag.de – bis zum 28. August 2008 zum Vorzugspreis von 29,29 zuzüglich Versandkosten von 2,00 Euro