Zuerst einmal, bevor ich mich heute mit der Kursächsischen Postsäule an der Egelneiße-Brücke ein wenig näher befasse, möchte ich mich anfänglich zu einem Fehler bekennen. Irrtümlich schrieb ich im letzten Teil meiner Aufzeichnungen, dass man an den Resten des alten Städtischen Schlachthofes vorbeikommt, wenn man auf dem Poetensteig spaziert oder entlang wandert. Hier bin ich einem Irrtum aufgesessen. Indem ich mich immer wieder einmal mit dem alten Gubener Verkehrsplan von 1927 befasse, stellte ich fest, dass dieser Schlachthof sich einst nördlich des Bahnhofes befand. In der Literatur wurde früher die in der Nähe befindliche Nordbrücke über die Neiße (heute gibt es diese nicht mehr) manchmal auch als Schlachthofbrücke bezeichnet. Dem Irrtum bin ich deshalb aufgesessen, weil in einer alten Karte der Schriftzug „Schlachthof“ aus Platzgründen zwischen der Egelneiße und dem Bahnhof eingezeichnet war. Es wird also noch für mich herauszukriegen sein, zu welchem Betrieb die von mir als Schlachthof bezeichnete Fabrikhalle mit dem Schornstein wirklich gehörte. Wie sagt doch ein altes Sprichwort: Nur wer nichts macht, der macht auch keine Fehler…
Zur Kursächsische Postmeilensäule in Guben
Endlich sind wir nun auf der Frankfurter Straße angekommen, welche die Einheimischen auch gern als „Bummelmeile“ oder „Flaniermeile“ bezeichnen. Fast sieht es so aus, als ob jedem Gast der Doppelstadt Guben-Gubin hier durch die Kursächsische Postmeilensäule der Weg gewiesen wird. Aber nicht wenige Erdenbürger gehen wohl auch an ihr vorüber, ohne dieses verkehrsgeschichtliche Zeitzeugnis auch nur mit einem Blick zu würdigen, wohl meistens die Geschichte nicht kennend, die sich hinter ihrem Dasein verbirgt. Einzelheiten darüber kann der interessierte Betrachter dieser Postsäule auch nachlesen in der 3. überarbeiteten Broschüre „Postsäulen und Meilensteine“, herausgegeben von der Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen Dresden e.V.. Diese Schrift kann über den Buchhandel (ISBN 978-3-936203-09-7) oder über den Verein bezogen werden. Die Broschüre hat 68 Seiten und ist reich bebildert. Die aktuellen Bestandsveränderungen von kursächsischen Postmeilensäulen und königlich-sächsischen Meilensteinen sind berücksichtigt. Ich habe die 1. Auflage und kann bestätigen, dass diese Schrift ihren Preis wirklich wert und dabei noch nicht einmal teuer ist – nicht mal 2 Schachteln Zigaretten kostet sie… Und wer keinen Buchhandel in der Nähe hat aber einen PC mit Internetzugang, der findet mit Hilfe einer Suchmaschine auch Angebote von Verlagen, die dieses Heft per Post versenden. Vieles findet man mit einer Suchmaschine aber auch schon, wenn man „Kursächsische Postsäulen“ eingibt. Auch auf die Homepage des genannten Vereins gelangt man so sehr leicht.
Jeder Ort, auch in der Niederlausitz, der auf ein solches verkehrsgeschichtliches Denkmal verweisen kann, sollte sich darüber sehr glücklich schätzen, denn mit ihrem Standort kann man, eine ordentliche Restaurierung vorausgesetzt, heutzutage viel anfangen. Das reicht vom Anlocken von Besuchern bis zur Exkursion mit Schulklassen, um vor Ort vielfältigste Rechenaufgaben stellen und lösen zu können, und zwar mit den Mitteln, die es zur Zeit der Aufstellung der Säulen gab. Bezogen auf die Gubener wäre das 1736, die über dem vergoldeten Posthorn eingeschlagene Jahreszahl. Sie zeigt nämlich das Jahr der ersten Aufstellung an. Zu dieser Zeit gehörte die Niederlausitz und somit auch Guben zu Sachsen (bis 1815).
In seinem Rescript (Erlass) vom 12. September 1721 an die landesfürstliche Kammer wies Kurfürst Friedrich August I. erstmalig an, steinerne Postsäulen zu errichten, die nach den Anweisungen Adam Friedrich Zürners anzufertigen und zu setzen seien. Dem folgte am 19. September 1721 sein Befehl, dass dies zunächst in den Bereichen der Ämter Dresden, Meißen und Großenhain zu geschehen habe. Mit seinem Befehl vom 1. November 1721 dehnte er diese Maßnahme auf das gesamte „Churfürstenthum und incorporirte Landen“ aus.
Zürner, einst Theologe, war sozusagen der Generalbevollmächtigte für die Landvermessung des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. sowie später als August II. König von Polen und Großherzog von Litauen – mehr bekannt als August der Starke (1670 bis 1733), also der mit den vielen Frau und der Kraft, um Hufeisen verbiegen zu können. Schon hieraus wird ersichtlich, dass die Gubener Säule erst drei Jahre nach dem Tode des starken August aufgestellt wurde. Das macht deutlich, wie stark die Widerstände in der Lausitz, größer in der Oberlausitz, aber auch nicht zu unterschätzen in der Niederlausitz, gegen die Aufstellung dieser Säulen war. Die Negierung des Erlasses war ein sichtbares Zeichen des Widerstandes. Gründe dafür gab es viele, wofür auch die Form der Eintragungen auf der Säule spricht. Es wundert wohl, dass auf der Säule die Entfernung vom Standort in die einzelnen Städte in Stunden angegeben ist. Die Stunde war und ist ein Zeitmaß und war als solches überall gleich groß. Im 18. Jahrhundert war es nämlich noch so, dass durch die Kleinstaaterei Längen-, Gewichts- und Raummaße in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich und das Längenmaß Dresdner Rute, welches am Hofe des Kurfürsten verwendet wurde, längst nicht überall bekannt waren. Bekannt war aber, dass man überall von einem Ort A nach einem anderen Ort B mit einer Kutsche oder mit einem Pferd eine gewisse Zeit (z.B. Zeiteinheit 1 Stunde) benötigte. Noch heute ist es auch in deutschsprachigen Ländern z.B. Schweiz, Österreich und auch in Tschechien durchaus Usus, die Entfernung von A nach B als Gehzeit in Stunden anzugeben. Früher wusste man also, wie weit im Durchschnitt ein Pferd kam, wenn es 1 Stunde unterwegs war. Das war ein Erfahrungswert. Ich bringe das bewusst nicht mit dem heute üblichen metrischen System in Zusammenhang, denn Meter und Kilometer waren damals als Längenmaße noch nicht bekannt. So begann die Einführung des dezimalen metrischen Systems erst 1799 in Frankreich. Wollen wir uns also in die damalige Zeit zurückversetzen, so müssen wir auch die damals möglichen Rechenweisen anwenden, damit es realistisch wird. Es nützt doch nichts, wenn ich heute in der genannten Broschüre lese (und das ist der einzige Nachteil an ihrem Inhalt), dass ein Pferd in der Regel 8 bis 9 oder breiter gefächert 7 bis 9 Kilometer in der Stunde zurücklegt oder 1 Dresdener Rute gleich 4,531 Meter lang war. Es könnte jetzt die Frage auftauchen: Kannten denn alle Postkutscher denn damals schon die Uhr? Im Allgemeinen möchte an das Bejahen. Weiter gehend müsste man sich dann mit der Frage auseinandersetzen: Hatten denn damals schon alle Postkutscher eine Uhr bei sich? Die Beantwortung dieser Frage ist schon brenzliger. Obwohl die Taschenuhr schon bekannt war, denn Peter Henlein aus Nürnberg hat um 1504 einen Federantrieb in Verbindung mit einem Hemmmechanismus (der Federbremse) als einer der ersten in eine tragbare Uhr eingebaut, wobei der Name „Nürnberger Ei“ nicht auf die Form sondern mehr auf eine Verballhornung von “Aeurlein”, also Ührlein ist.
Sicher kann man annehmen, dass zur Postkutschenzeit nur wenige Kutscher eine solche Uhr bei sich hatten. Aber es gab ja auch einfachere Formen der Zeitmessung, an denen man sich orientieren konnte. Gebräuchlich waren z.B. Sanduhren für 1 oder auch mehrere Stunden, die man auch auf die Reise mitnehmen konnte. Man durfte nur das Umdrehen nicht vergessen. Noch einfacher war das Läuten der Kircheglocken früh (6 bzw. 7 Uhr), mittags (12 Uhr) und abends (6 Uhr nachmittags). Und dann gab es vielerorts auch Sonnenuhren, die bekanntlich aber nur bei schönem Wetter funktionierten. Soviel zu der Zeiteinheit Stunde (St) als Wegemaß. Nicht bekannt ist, ob die Kutschen auch Zählwerke hatten, mit deren Hilfe man, ausgehend von den Umdrehungen des Hinterrades und somit der zurückgelegten Strecke, Rückschlüsse auf die verbrauchte Zeit ziehen konnte. Ich habe jedenfalls an alten Kutschen derartige „Tachos“ noch nicht gesehen.
Die Schreibweise der Orte in der jeweiligen Richtung untereinander auf der Säule gibt auch die Fahrtroute an. Dabei kann man die damalige Trassenführung oft nicht mit der heutigen vergleichen. Auch das ist ein Grund dafür, warum es durchaus zu Abweichungen kommen kann, führt man das metrische System in die Vergleiche durch Berechnungen ein. Die Zahl vor den Orten gibt die Nummer der jeweiligen Poststation an. Steht diese Zahl Klammern (X), dann befindet sich diese Poststation zwar in der Stadt, aber nicht direkt an der befahrenen Poststraße, sondern in Nebenbereichen, bzw. an einer anderen Poststraße, die durch die Stadt führt. Ein Querstrich gibt das Ende der befahrenen Poststraße an bzw. die Einmündung in eine andere, was in der Regel auch mit dem Ende der durchgängigen Nummerierung der Poststationen zusammen hängt. Die Bezeichnung (gr) hinter bzw. unter einem Ort gibt an, dass hier eine Grenze überschritten bzw. überfahren wird. Fehlen die Entfernungsangaben in Wegstunden (St), so waren diese Strecken durch Zürner und seine Mitarbeiter noch nicht vermessen bzw. ging das Aufmaß verloren oder aus Geheimhaltungsgründen hat man darauf verzichtete, oder, oder, oder…
Weitere in Dresden, der Landeshauptstadt von Sachsen, festgelegten und benutzte Wegemaße waren tatsächlich als Längenmaße die Maßeinheiten Dresdner Rute und Postmeile. Hier taucht also die Postmeile auf. Davon ist auf der Säule nichts zu lesen. Deshalb heißen diese Säulen auch richtig „Postdistanzsäulen“, weil eine Distanz mit einem Zeitmaß angegeben ist. Postsäule ist nur eine mehr oder weniger zulässige oder unzulässige Vereinfachung.
2 Wegstunden waren demnach = 1 Postmeile = 2000 Dresdner Ruten
Es ist ersichtlich, dass man die Postmeile wohl eingeführt hatte, weil viele Kutscher vielleicht nicht so ohne weiteres bis 2000 und weiter zählen konnte. Dabei ist das hier gar nicht herabwürdigend gemeint. Es war vielleicht einfach so.
Zürner ließ sich für den Zweck seiner Messfahrten eine Kutsche bauen, dessen Hinterrad einen Umfang von 1 Dresdner Rute hatte. Um das x-malige Abrollen des Hinterrades (und damit des Radumfanges) messen zu können wurde, ein Zählwerk eingebaut, ähnlich wie heute noch manchmal an Fahrrädern üblich (allerdings ohne Umrechnung in eine Maßeinheit, sondern als reines Zählwerk). Man stellte fest, dass das Hinterrad auf einer Strecke von 1 Wegstunde, welche die Kutsche bei Versuchen zurücklegte, etwa 1000 Umdrehungen machte, also 1000x abrollte. So kam die obige Ableitung zustande und so ist auch die Tabelle in der Broschüre zu lesen und zu verstehen. Für schwierige Wegabschnitte baute man einen Handkarren, ähnlich vielleicht einer Schubkarre, mit einem halb so großen Umfang des Rades, der immer in der Kutsche mitgeführt wurde.
Ein normal laufendes Pferd legte also 1 Postmeile in zwei Wegstunden zurück, so dass sich folgende Vergleiche ableiten lassen:
125 Ruten = 1/16 Meile = 1/8 Wegstunde
250 Ruten = 1/8 Meile = 1/4 Wegstunde
375 Ruten = 3/16 Meile = 3/8 Wegstunde
500 Ruten = 1/4 Meile = 1/2 Wegstunde
625 Ruten = 5/16 Meile = 5/8 Wegstunde
750 Ruten = 3/8 Meile = 3/4 Wegstunde
875 Ruten = 7/16 Meile = 7/8 Wegstunde
1000 Ruten = 1/2 Meile = 1 Wegstunde
Alle angegebenen Wegstundenbrüche findet man tatsächlich in der Regel unter den Inschriften der erhalten gebliebenen Postmeilensäulen.
Vielleicht noch ein paar Bemerkungen an dieser Stelle zur Konstruktion des Hinterrades der „Messkutsche“.
Die Geometrie des Kreises war bekannt und auch die Konstante π. Die Kreiszahl π (pi) ist eine mathematische Konstante; ihr numerischer Wert beträgt
π = 3,14159…
Sie beschreibt in der Geometrie das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser. Dieses Verhältnis ist unabhängig von der Größe des Kreises. Die Kreiszahl wird mit dem kleinen griechischen Buchstaben pi (π) bezeichnet, dem Anfangsbuchstaben des griechischen Wortes περιφέρεια periphereia (Randbereich) bzw. περίμετρος perimetros (Umfang). Die Bezeichnung pi (π) erschien erstmals 1706 in dem Buch Synopsis palmariorum mathesos (zu Deutsch etwa: Eine neue Einführung in die Mathematik) des aus Wales stammenden Gelehrten William Jones (1675–1749). (siehe – Wikipedia)
Die Kreisformel lautet: U=2 πr U = Umfang
Wonach dann r = U : (2 π) r = Radius
ist. Der Radius lässt sich also mittels der Kreisformel leicht aus dem Umfang bestimmen. Dabei ist es unerheblich, ob die Länge des Umfangs in Meter oder Dresdner Rute als Maßeinheit angenommen wird.
So viel für heute, wenn auch mit einem Tag Verspätung, zu den Inschriften der Gubener Postsäule. Eine exemplarische Beispielrechnung nach der Methode von 1736 überlasse ich gern jedem Interessenten selbst.
Mehr über die Bekrönungen und die Wappen an der Postsäule dann in der nächsten Ausgabe. Bitte haben Sie aufgrund der Fußball-EM etwas Geduld. Wer sein Wissen zu dem bisher von mir Aufgeschriebenen vertiefen möchte, der möge bitte unter folgenden Stichworten bei Wikipedia u.a. nachsehen:
Kursächsische Postmeilensäulen; August der Starke; Metrisches System; Taschenuhr und Sonnenuhr; Kreisumfang, Kreis; Himmelsrichtungen
Diese Aufnahme von der Gubener Postsäule habe ich bereits am 16.12.2007 gemacht.
Und übrigens: Am kommenden Sonnabend, den 21.6.2008, wandern wir zur Sommersonnenwende zwischen Kerkwitz, Atterwasch und Grabko. Wenn Sie auch mitkommen wollen, rufen sie einfach bei uns an. Wir sind nämlich “Die Niederlausitzer Wandergurken”.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen für heute
Gerd Laeser, Gästeführer Niederlausitz, Lübbenau
Zuerst einmal, bevor ich mich heute mit der Kursächsischen Postsäule an der Egelneiße-Brücke ein wenig näher befasse, möchte ich mich anfänglich zu einem Fehler bekennen. Irrtümlich schrieb ich im letzten Teil meiner Aufzeichnungen, dass man an den Resten des alten Städtischen Schlachthofes vorbeikommt, wenn man auf dem Poetensteig spaziert oder entlang wandert. Hier bin ich einem Irrtum aufgesessen. Indem ich mich immer wieder einmal mit dem alten Gubener Verkehrsplan von 1927 befasse, stellte ich fest, dass dieser Schlachthof sich einst nördlich des Bahnhofes befand. In der Literatur wurde früher die in der Nähe befindliche Nordbrücke über die Neiße (heute gibt es diese nicht mehr) manchmal auch als Schlachthofbrücke bezeichnet. Dem Irrtum bin ich deshalb aufgesessen, weil in einer alten Karte der Schriftzug „Schlachthof“ aus Platzgründen zwischen der Egelneiße und dem Bahnhof eingezeichnet war. Es wird also noch für mich herauszukriegen sein, zu welchem Betrieb die von mir als Schlachthof bezeichnete Fabrikhalle mit dem Schornstein wirklich gehörte. Wie sagt doch ein altes Sprichwort: Nur wer nichts macht, der macht auch keine Fehler…
Zur Kursächsische Postmeilensäule in Guben
Endlich sind wir nun auf der Frankfurter Straße angekommen, welche die Einheimischen auch gern als „Bummelmeile“ oder „Flaniermeile“ bezeichnen. Fast sieht es so aus, als ob jedem Gast der Doppelstadt Guben-Gubin hier durch die Kursächsische Postmeilensäule der Weg gewiesen wird. Aber nicht wenige Erdenbürger gehen wohl auch an ihr vorüber, ohne dieses verkehrsgeschichtliche Zeitzeugnis auch nur mit einem Blick zu würdigen, wohl meistens die Geschichte nicht kennend, die sich hinter ihrem Dasein verbirgt. Einzelheiten darüber kann der interessierte Betrachter dieser Postsäule auch nachlesen in der 3. überarbeiteten Broschüre „Postsäulen und Meilensteine“, herausgegeben von der Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen Dresden e.V.. Diese Schrift kann über den Buchhandel (ISBN 978-3-936203-09-7) oder über den Verein bezogen werden. Die Broschüre hat 68 Seiten und ist reich bebildert. Die aktuellen Bestandsveränderungen von kursächsischen Postmeilensäulen und königlich-sächsischen Meilensteinen sind berücksichtigt. Ich habe die 1. Auflage und kann bestätigen, dass diese Schrift ihren Preis wirklich wert und dabei noch nicht einmal teuer ist – nicht mal 2 Schachteln Zigaretten kostet sie… Und wer keinen Buchhandel in der Nähe hat aber einen PC mit Internetzugang, der findet mit Hilfe einer Suchmaschine auch Angebote von Verlagen, die dieses Heft per Post versenden. Vieles findet man mit einer Suchmaschine aber auch schon, wenn man „Kursächsische Postsäulen“ eingibt. Auch auf die Homepage des genannten Vereins gelangt man so sehr leicht.
Jeder Ort, auch in der Niederlausitz, der auf ein solches verkehrsgeschichtliches Denkmal verweisen kann, sollte sich darüber sehr glücklich schätzen, denn mit ihrem Standort kann man, eine ordentliche Restaurierung vorausgesetzt, heutzutage viel anfangen. Das reicht vom Anlocken von Besuchern bis zur Exkursion mit Schulklassen, um vor Ort vielfältigste Rechenaufgaben stellen und lösen zu können, und zwar mit den Mitteln, die es zur Zeit der Aufstellung der Säulen gab. Bezogen auf die Gubener wäre das 1736, die über dem vergoldeten Posthorn eingeschlagene Jahreszahl. Sie zeigt nämlich das Jahr der ersten Aufstellung an. Zu dieser Zeit gehörte die Niederlausitz und somit auch Guben zu Sachsen (bis 1815).
In seinem Rescript (Erlass) vom 12. September 1721 an die landesfürstliche Kammer wies Kurfürst Friedrich August I. erstmalig an, steinerne Postsäulen zu errichten, die nach den Anweisungen Adam Friedrich Zürners anzufertigen und zu setzen seien. Dem folgte am 19. September 1721 sein Befehl, dass dies zunächst in den Bereichen der Ämter Dresden, Meißen und Großenhain zu geschehen habe. Mit seinem Befehl vom 1. November 1721 dehnte er diese Maßnahme auf das gesamte „Churfürstenthum und incorporirte Landen“ aus.
Zürner, einst Theologe, war sozusagen der Generalbevollmächtigte für die Landvermessung des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. sowie später als August II. König von Polen und Großherzog von Litauen – mehr bekannt als August der Starke (1670 bis 1733), also der mit den vielen Frau und der Kraft, um Hufeisen verbiegen zu können. Schon hieraus wird ersichtlich, dass die Gubener Säule erst drei Jahre nach dem Tode des starken August aufgestellt wurde. Das macht deutlich, wie stark die Widerstände in der Lausitz, größer in der Oberlausitz, aber auch nicht zu unterschätzen in der Niederlausitz, gegen die Aufstellung dieser Säulen war. Die Negierung des Erlasses war ein sichtbares Zeichen des Widerstandes. Gründe dafür gab es viele, wofür auch die Form der Eintragungen auf der Säule spricht. Es wundert wohl, dass auf der Säule die Entfernung vom Standort in die einzelnen Städte in Stunden angegeben ist. Die Stunde war und ist ein Zeitmaß und war als solches überall gleich groß. Im 18. Jahrhundert war es nämlich noch so, dass durch die Kleinstaaterei Längen-, Gewichts- und Raummaße in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich und das Längenmaß Dresdner Rute, welches am Hofe des Kurfürsten verwendet wurde, längst nicht überall bekannt waren. Bekannt war aber, dass man überall von einem Ort A nach einem anderen Ort B mit einer Kutsche oder mit einem Pferd eine gewisse Zeit (z.B. Zeiteinheit 1 Stunde) benötigte. Noch heute ist es auch in deutschsprachigen Ländern z.B. Schweiz, Österreich und auch in Tschechien durchaus Usus, die Entfernung von A nach B als Gehzeit in Stunden anzugeben. Früher wusste man also, wie weit im Durchschnitt ein Pferd kam, wenn es 1 Stunde unterwegs war. Das war ein Erfahrungswert. Ich bringe das bewusst nicht mit dem heute üblichen metrischen System in Zusammenhang, denn Meter und Kilometer waren damals als Längenmaße noch nicht bekannt. So begann die Einführung des dezimalen metrischen Systems erst 1799 in Frankreich. Wollen wir uns also in die damalige Zeit zurückversetzen, so müssen wir auch die damals möglichen Rechenweisen anwenden, damit es realistisch wird. Es nützt doch nichts, wenn ich heute in der genannten Broschüre lese (und das ist der einzige Nachteil an ihrem Inhalt), dass ein Pferd in der Regel 8 bis 9 oder breiter gefächert 7 bis 9 Kilometer in der Stunde zurücklegt oder 1 Dresdener Rute gleich 4,531 Meter lang war. Es könnte jetzt die Frage auftauchen: Kannten denn alle Postkutscher denn damals schon die Uhr? Im Allgemeinen möchte an das Bejahen. Weiter gehend müsste man sich dann mit der Frage auseinandersetzen: Hatten denn damals schon alle Postkutscher eine Uhr bei sich? Die Beantwortung dieser Frage ist schon brenzliger. Obwohl die Taschenuhr schon bekannt war, denn Peter Henlein aus Nürnberg hat um 1504 einen Federantrieb in Verbindung mit einem Hemmmechanismus (der Federbremse) als einer der ersten in eine tragbare Uhr eingebaut, wobei der Name „Nürnberger Ei“ nicht auf die Form sondern mehr auf eine Verballhornung von “Aeurlein”, also Ührlein ist.
Sicher kann man annehmen, dass zur Postkutschenzeit nur wenige Kutscher eine solche Uhr bei sich hatten. Aber es gab ja auch einfachere Formen der Zeitmessung, an denen man sich orientieren konnte. Gebräuchlich waren z.B. Sanduhren für 1 oder auch mehrere Stunden, die man auch auf die Reise mitnehmen konnte. Man durfte nur das Umdrehen nicht vergessen. Noch einfacher war das Läuten der Kircheglocken früh (6 bzw. 7 Uhr), mittags (12 Uhr) und abends (6 Uhr nachmittags). Und dann gab es vielerorts auch Sonnenuhren, die bekanntlich aber nur bei schönem Wetter funktionierten. Soviel zu der Zeiteinheit Stunde (St) als Wegemaß. Nicht bekannt ist, ob die Kutschen auch Zählwerke hatten, mit deren Hilfe man, ausgehend von den Umdrehungen des Hinterrades und somit der zurückgelegten Strecke, Rückschlüsse auf die verbrauchte Zeit ziehen konnte. Ich habe jedenfalls an alten Kutschen derartige „Tachos“ noch nicht gesehen.
Die Schreibweise der Orte in der jeweiligen Richtung untereinander auf der Säule gibt auch die Fahrtroute an. Dabei kann man die damalige Trassenführung oft nicht mit der heutigen vergleichen. Auch das ist ein Grund dafür, warum es durchaus zu Abweichungen kommen kann, führt man das metrische System in die Vergleiche durch Berechnungen ein. Die Zahl vor den Orten gibt die Nummer der jeweiligen Poststation an. Steht diese Zahl Klammern (X), dann befindet sich diese Poststation zwar in der Stadt, aber nicht direkt an der befahrenen Poststraße, sondern in Nebenbereichen, bzw. an einer anderen Poststraße, die durch die Stadt führt. Ein Querstrich gibt das Ende der befahrenen Poststraße an bzw. die Einmündung in eine andere, was in der Regel auch mit dem Ende der durchgängigen Nummerierung der Poststationen zusammen hängt. Die Bezeichnung (gr) hinter bzw. unter einem Ort gibt an, dass hier eine Grenze überschritten bzw. überfahren wird. Fehlen die Entfernungsangaben in Wegstunden (St), so waren diese Strecken durch Zürner und seine Mitarbeiter noch nicht vermessen bzw. ging das Aufmaß verloren oder aus Geheimhaltungsgründen hat man darauf verzichtete, oder, oder, oder…
Weitere in Dresden, der Landeshauptstadt von Sachsen, festgelegten und benutzte Wegemaße waren tatsächlich als Längenmaße die Maßeinheiten Dresdner Rute und Postmeile. Hier taucht also die Postmeile auf. Davon ist auf der Säule nichts zu lesen. Deshalb heißen diese Säulen auch richtig „Postdistanzsäulen“, weil eine Distanz mit einem Zeitmaß angegeben ist. Postsäule ist nur eine mehr oder weniger zulässige oder unzulässige Vereinfachung.
2 Wegstunden waren demnach = 1 Postmeile = 2000 Dresdner Ruten
Es ist ersichtlich, dass man die Postmeile wohl eingeführt hatte, weil viele Kutscher vielleicht nicht so ohne weiteres bis 2000 und weiter zählen konnte. Dabei ist das hier gar nicht herabwürdigend gemeint. Es war vielleicht einfach so.
Zürner ließ sich für den Zweck seiner Messfahrten eine Kutsche bauen, dessen Hinterrad einen Umfang von 1 Dresdner Rute hatte. Um das x-malige Abrollen des Hinterrades (und damit des Radumfanges) messen zu können wurde, ein Zählwerk eingebaut, ähnlich wie heute noch manchmal an Fahrrädern üblich (allerdings ohne Umrechnung in eine Maßeinheit, sondern als reines Zählwerk). Man stellte fest, dass das Hinterrad auf einer Strecke von 1 Wegstunde, welche die Kutsche bei Versuchen zurücklegte, etwa 1000 Umdrehungen machte, also 1000x abrollte. So kam die obige Ableitung zustande und so ist auch die Tabelle in der Broschüre zu lesen und zu verstehen. Für schwierige Wegabschnitte baute man einen Handkarren, ähnlich vielleicht einer Schubkarre, mit einem halb so großen Umfang des Rades, der immer in der Kutsche mitgeführt wurde.
Ein normal laufendes Pferd legte also 1 Postmeile in zwei Wegstunden zurück, so dass sich folgende Vergleiche ableiten lassen:
125 Ruten = 1/16 Meile = 1/8 Wegstunde
250 Ruten = 1/8 Meile = 1/4 Wegstunde
375 Ruten = 3/16 Meile = 3/8 Wegstunde
500 Ruten = 1/4 Meile = 1/2 Wegstunde
625 Ruten = 5/16 Meile = 5/8 Wegstunde
750 Ruten = 3/8 Meile = 3/4 Wegstunde
875 Ruten = 7/16 Meile = 7/8 Wegstunde
1000 Ruten = 1/2 Meile = 1 Wegstunde
Alle angegebenen Wegstundenbrüche findet man tatsächlich in der Regel unter den Inschriften der erhalten gebliebenen Postmeilensäulen.
Vielleicht noch ein paar Bemerkungen an dieser Stelle zur Konstruktion des Hinterrades der „Messkutsche“.
Die Geometrie des Kreises war bekannt und auch die Konstante π. Die Kreiszahl π (pi) ist eine mathematische Konstante; ihr numerischer Wert beträgt
π = 3,14159…
Sie beschreibt in der Geometrie das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser. Dieses Verhältnis ist unabhängig von der Größe des Kreises. Die Kreiszahl wird mit dem kleinen griechischen Buchstaben pi (π) bezeichnet, dem Anfangsbuchstaben des griechischen Wortes περιφέρεια periphereia (Randbereich) bzw. περίμετρος perimetros (Umfang). Die Bezeichnung pi (π) erschien erstmals 1706 in dem Buch Synopsis palmariorum mathesos (zu Deutsch etwa: Eine neue Einführung in die Mathematik) des aus Wales stammenden Gelehrten William Jones (1675–1749). (siehe – Wikipedia)
Die Kreisformel lautet: U=2 πr U = Umfang
Wonach dann r = U : (2 π) r = Radius
ist. Der Radius lässt sich also mittels der Kreisformel leicht aus dem Umfang bestimmen. Dabei ist es unerheblich, ob die Länge des Umfangs in Meter oder Dresdner Rute als Maßeinheit angenommen wird.
So viel für heute, wenn auch mit einem Tag Verspätung, zu den Inschriften der Gubener Postsäule. Eine exemplarische Beispielrechnung nach der Methode von 1736 überlasse ich gern jedem Interessenten selbst.
Mehr über die Bekrönungen und die Wappen an der Postsäule dann in der nächsten Ausgabe. Bitte haben Sie aufgrund der Fußball-EM etwas Geduld. Wer sein Wissen zu dem bisher von mir Aufgeschriebenen vertiefen möchte, der möge bitte unter folgenden Stichworten bei Wikipedia u.a. nachsehen:
Kursächsische Postmeilensäulen; August der Starke; Metrisches System; Taschenuhr und Sonnenuhr; Kreisumfang, Kreis; Himmelsrichtungen
Diese Aufnahme von der Gubener Postsäule habe ich bereits am 16.12.2007 gemacht.
Und übrigens: Am kommenden Sonnabend, den 21.6.2008, wandern wir zur Sommersonnenwende zwischen Kerkwitz, Atterwasch und Grabko. Wenn Sie auch mitkommen wollen, rufen sie einfach bei uns an. Wir sind nämlich “Die Niederlausitzer Wandergurken”.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen für heute
Gerd Laeser, Gästeführer Niederlausitz, Lübbenau