Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Außenstelle Frankfurt (Oder), sind am Dienstag, dem 08. Juni 2010 mit einem Informationstag in der Stadtverwaltung Senftenberg, Markt 1.
15:00 – 19:00 Persönliche Beratung
Interessierte Bürger können bei Vorlage Ihres Personalausweises einen Antrag auf Akteneinsicht stellen oder sich nach dem Bearbeitungsstand Ihres Antrages erkundigen (bitte Tagebuchnummer mitbringen). Für spezifische Fragen nehmen wir uns gern Zeit und beraten Sie.
Interessierte können vor Ort Musterakten zu Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und zu Betroffenen lesen. Kostenfreie Publikationen zu verschiedenen Themen liegen aus und können mitgenommen werden.
Die Ausstellung „20 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ kann vom 08.06. – 02.07.2010 in der Stadtverwaltung zu folgenden Öffnungszeiten besucht werden:
Mo │ Mi 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 16:00
Di │ 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 18:00
Do │ 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 16:30 und Fr │ 09:00 – 12:00
17:00 Vortrag │ Rüdiger Sielaff, BStU
MfS – Schild und Schwert der Partei –
Die Stasi in der Region.
Zur Ausstellung:
Die Plakatausstellung wurde von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der gemeinnützigen Hertie-Stiftung für die Erinnerungsjahre 2009/2010 hergestellt.
Zu 20 ausgewählten Ereignissen sind Fotos mit einem kurzen Erläuterungstext zu sehen:
– Den Abschluss des Besuchs des Regierenden Bürgermeisters in Ostberlin nutzten ausreisewillige Bürger um vor der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik (StäV) ihre Ausreise zu fordern. Vor dem Eintreffen des Regierungschefs von Westberlin beendeten Kräfte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS, Stasi) und Volkspolizisten (VoPo) mit einem brutalen Einsatz die Aktion und nahmen die Demonstranten fest.
– Die Einheitsliste der Nationalen Front unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED) fuhr zu den Kommunalwahlen laut offiziellem Endergebnis 98,85 Prozent der Stimmen ein. Beobachter der Opposition und die akkreditierten Journalisten bezweifeln das Ergebnis.
– Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik (StäV) ist durch 113 Ausreisewillige überfüllt. Trotz rigoroser Kontrollen der Volkspolizei gelangten die Flüchtlinge auf das Botschaftsgelände.
– Rund eine Million Menschen demonstrierten friedlich im Stadtzentrum und auf dem Alexanderplatz für Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
– Grenzmauer mit Grenzturm in Blankenstein/Saale
– Feiernde Menschen auf und vor der Mauer am Brandenburger Tor in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1989
– Am 9. November 1989 öffnet die DDR ihre Grenze nach Westberlin und zur Bundesrepublik; nach 28 Jahren fällt die Mauer. Bewohner aus West- und Ostberlin stehen auf der Mauerkrone am Brandenburger Tor.
Der Eintritt ist frei.
„ … das kann Dir nicht gut bekommen – also schweigen!“
Zum Wirken der Kreisdienststelle des MfS Senftenberg in der Region
Der Bestand an Unterlagen der Kreisdienststelle des MfS Senftenberg ist seit Juli 2009 vollständig erschlossen, Die Akten-Überlieferung ist verhältnismäßig umfangreich und aussagekräftig.
Überliefert sind neben den in der Bezirksverwaltung Cottbus des MfS seinerzeit bereits archivierten personenbezogenen Unterlagen ca. 130 Regalmeter Akten, darunter sehr viele personenbezogene Unterlagen (fast 70 lfdm).
Nach der Kreisdienststelle Cottbus war die KD Senftenberg die größte des gesamten Bezirkes: 75 hauptamtliche MitarbeiterInnen sind für 1989 in der Überlieferung nachgewiesen. Langjähriger Leiter der KD war Horst Halla im Dienstrange eines Oberst.
Als Adressen der Kreisdienststelle konnten bis 1986 die Felix-Spiro-Straße 13a, später der Schwarze Weg aus den Unterlagen ermittelt werden.
Eine Besonderheit der KD war das Referat 3 „Synthesewerk Schwarzheide“, während die Braunkohlenbetriebe durch das Referat 2 „Volkswirtschaft“ und die Abt. XVIII der BV bearbeitet wurden. Weitere Schwerpunkte der Bearbeitung bildeten die VEB Kraftverkehr und Schwermaschinenbau Lauchhammer. Die frühesten Akten der KD Senftenberg stammen von Beginn der 50er Jahre und beziehen sich auf Lauchhammer. So werden die Vorkommnisse am 17.06.1953 in der Großkokerei Matyas Rakosi geschildert.
In der KD Senftenberg herrschte 1989 die gleiche hektische Betriebsamkeit wie in vielen anderen Kreis- und Bezirksdienststellen: Akten wurden vernichtet oder zur Vernichtung vorbereitet; Beweise für unrechtmäßiges Handeln beseitigt.
Noch kurz vor dem Ende der DDR sollte jedoch ermittelt werden, wer sich an Veranstaltungen in Leipzig, Dresden und Berlin beteiligt und „welche Personen … sich zu Führungskräften entwickeln; Analyse, welche Kräfte sind im Forum aktiv; dem Forum entgegenwirken“.
Am 28.10.1989 konstatiert das MfS: „Erhebliche Lageverschlechterung: Überschwappen in den Kreis Senftenberg …“ In der Aula des Theaters wird ein Festprogramm gespielt, „welches zum 40. aufgeführt werden sollte: Partei hat verspielt, Notwendigkeit von Veränderungen“. Dennoch bleibt das Ziel: „Position des Organs muss erhalten bleiben; SED darf bei nächster Wahl nicht durchfallen, alle Unterstützung …“
Ab Mitte der 80er Jahre stellen Ausreiseangelegenheiten im Kreis den größten Anteil an „Formen und Methoden der Feindtätigkeit“ dar. Im Kreisgebiet liegen 50 Anträge auf Übersiedlung mit 109 darin erfassten Personen vor, Tendenz steigend.
Zu den „Personen und Personengruppen, die durch Feindtätigkeit anfielen (gehören) … vor allem: Beschäftigte der Kohle- und Energiebetriebe … Angehörige der mittleren medizinischen Intelligenz in den größeren Gesundheitseinrichtungen, Angehörige der künstlerischen Intelligenz, Schwerpunkt Theater der Bergarbeiter Senftenberg, … negativen Kirchenkreise in Senftenberg, Sedlitz, Großräschen, … aber auch weibliche Personen bei der Herstellung individueller Kontakte“.
Zum gleichen Zeitpunkt sind 28 Personen, vorwiegend aus Senftenberg und Schwarzheide, im sogenannten Vorbeugekomplex erfasst, die im Ausnahmezustand in Isolierungslager verbracht werden sollten. „Zur Durchführung der Internierung von Bürgern des kapitalistischen Auslandes wird im Kreis eine Interniertensammelstelle für ca. 200 Personen in Brieske, Sportplatz Elsterkampfbahn eingerichtet“.
1987 berichtet der IM „Klaus Hey“ über die Mitglieder der Leitungsebene der evangelischen Kirche im Kirchenkreis Senftenberg. Es finden sich detaillierte Aufstellungen zu den Kirchen in den Gemeinden einschließlich der darin vorhandenen Sitzplätze. Die kirchlichen Amtsträger werden einzeln eingeschätzt und schneiden unterschiedlich ab – von aggressiv bis loyal und real; bei einigen herrscht noch keine Klarheit zu „unserer Politik und der Diktatur des Proletariats“. Bei Anderen herrscht Unverständnis über die Maßnahmen des Staates gegen den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“.
Als aggressiv werden immer Jene eingeschätzt, die gegen die Reiseeinschränkungen argumentieren und die kommunistische Erziehung in den Schulen hinterfragen. Einige lehnen seit Jahren jegliche Gespräche mit Mitarbeitern des Staatsapparates ab und sind sowieso Nichtwähler.
Im April 1987 wird die medizinische Versorgung im Kreis analysiert. Für die Poliklinik Lauchhammer-Mitte heißt es, dass die Versorgung „in keiner Weise den gesetzlichen Regelungen über den in den Volkswirtschaftsplänen ausgewiesenen ärztlichen Betreuungsgrad“ entspricht. Nach Lauchhammer wollen die Ärzte nicht kommen. „Absagen erfolgten weil die Umweltbedingungen nicht den Vorstellungen entsprachen. … (es) muß eingeschätzt werden, dass Lauchhammer gegenüber den Vorjahren durch die Konzentration der Industrie nicht attraktiver geworden ist und in keiner Weise die kulturellen Bedingungen verbessert wurden“.
Die Vorbereitung der Kommunalwahlen und deren Absicherung spielt eine wesentliche Rolle im Jahresplan 1989, darüber hinaus die Bearbeitungskonzeption der evangelischen Kirche. Hier sollen zusätzliche IM geworben werden.
Vom September 1989 stammt die letzte überlieferte IM-Statistik der KD Senftenberg. Danach führte die KD zu diesem Zeitraum 801 inoffizielle Mitarbeiter, davon 192 GMS, 165 IMK, 20 IMB, 13 FIM.
1987 sind in Senftenberg selbst 258 IM und 59 GMS aktiv. Tatsächlich gibt es jedoch einige Gemeinden und Betriebe, in denen es 1987 keinen IM gibt. Dazu gehören die Glaswerke Großräschen und Annahütte, die Molkerei Senftenberg, VEB Delikat, Lausitzdruck Ruhland und die Gemeinden Frauwalde, Jannowitz, Kleinkmelen, Saalhausen, Allmosen und Lindenau.
Oberstleutnant Halla hält deswegen fest: „Es ist … zu gewährleisten, daß im Jahre 1988 die entsprechenden IM-Werbungen … durchgeführt werden, so dass … die Lage in diesen Bereichen real“ einzuschätzen ist.
Die höchste Anzahl an IM/ GMS ist für Mitte 1986 mit 985 IM/GMS aller Kategorien nachgewiesen.
Deren Führungs-IM heißen „Manfred“, „Walter“, „Hollatz“ (allein er führt 31 IM, davon 5 IMK/KW), „Konrad“, „Sascha“, „Krokus“… Zu den eigentümlichen IM-Namen gehören „Klaus Störtebecker“, „Senator“, „Organist“, „Neurologe“, „Bettelstudent“, „Clematis“, „Baby“, „Mirella“, „Neptun“, „Bummi“, „Mozart“, „Libelle“, „Chrysantheme“, „Venus“, „Spinnrad“…
Am Kreis Senftenberg wird deutlich, dass die hohe IM-Dichte des ehemaligen Bezirkes Cottbus aus der volkswirtschaftlichen Bedeutung der in ihm gelegenen Industrie-Einrichtungen resultiert: fast 210 IM/GMS im VEB SYS, fast 250 IM/GMS im Bereich Kohle. Der Kreis gehört mit seinen Tagebauen, Brikettfabriken und Kraftwerken zu den Hauptproduzenten von Kohle, Koks, Gas und Elektroenergie. In der Chemieindustrie werden zum Teil hochgiftige Stoffe wie Chlor, Phosgen sowie Totalherbizide produziert und verarbeitet, was für den Krisenfall eine besondere Gefährdung darstellt.
Die in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens eingesetzten IM hatten unterschiedliche Aufgaben: der IMS mit dem Decknamen „Birne“, ein Senftenberger aus der Fischreiher Straße, sorgte für die Verhaftung „eines Spions westlicher Geheimdienste …, wobei der IM sich strikt an die gegebenen Informationen gehalten hat.“ „Birne“ wird „eine patriotische Haltung“ konstatiert.
Der IM „Borke“ der KD Senftenberg trifft 1987 während seines Polenurlaubs auf ein Westberliner Ehepaar. Die Stasi vermutet, dass der Professor der Freien Universität Berlin Verbindungen zum BND unterhält. Die Stasi sammelt alle Publikationen des Professors – dieser hat auch Verbindungen zu Gräfin Dönhoff – und sie hält fest, dass in den Gesprächen, die der Professor mit dem IM führte, eine „ständig politisch-ideologische Einflüsse durch negative Äußerungen und Hetztiraden gegen die DDR“ stattfand. Da in der KD Senftenberg auch Gräfin Dönhoff unbekannt ist, besorgt Oberst Halla alle Daten zur heutigen Namensgeberin des Hörsaalkomplexes der Frankfurter Europa-Universität.
Aber der Vorgang plätschert so vor sich hin. Es will sich einfach kein Spion finden lassen. Den Vorgang „Professor“ nennt man jetzt Hinweisvorgang „Rinde“.
„Rinde“ und „Borke“ treffen sich weiter, wobei „Borke“ alle Familienfotos bei der Stasi abliefert.
Der IM „Cobra“ aus Senftenberg besitzt das Privileg mit dem Segen der Stasi in den Westen fahren zu dürfen; er trifft sich auch auftragsgemäß an der Raststätte des Hermsdorfer Kreuzes mit der Westverwandtschaft, um dabei „kleine Aufmerksamkeiten“ vom Westbesuch entgegenzunehmen und gleichzeitig neue Informationen für die Stasi zu sammeln. 1988 fertigt die Stasi eine umfangreiche Fotodokumentation eines solchen Treffens an. „Nach der herzlichen Verabschiedung von den bundesdeutschen Besuchern, die „Cobra“ umfangreiche Aufmerksamkeiten mitgebracht haben“, liefert „Cobra“ alle Informationen an die Stasi – nicht jedoch die „Aufmerksamkeiten“.
Am 10.10.89 heißt es im Arbeitsbuch eines MfSlers für Senftenberg: „Anschmieren von Feindlosungen – Neues Forum.“ Die IM’s zu diesem Zeitpunkt heißen „Wilhelm“, „Falke“, „Kasimir“, „Kurt Jäger“ und „Band“.
Die letzten Aufzeichnungen des Stasi-Mannes stammen vom 24. – bzw. 27.11.1989. Es sind wenige Fragmente aus den Dienstberatungen mit dem KD-Leiter Halla, die die Lähmung des Amtes deutlich machen: „ 20.10.89 weiterer Ausbau der IM-Netze, 23.10.89 kritische Lageentwicklung im Kreisgebiet, 24.10.89 Sicherung der Dienststelle, 27.10.89 Einsatz Lauchhammer“. Am 16.11.89 gibt es eine Demo in Großräschen. „Bezirksleitung ist konzeptionslos, … Staatsfeinde differenzieren, … 18.11. Demo Senftenberg ca. 15.000, … Ablage OPK/ OV, die nicht mehr den Erfordernissen entsprechen, … IM/GMS → gegen die Opposition, … Am 25.11.89 soll in Senftenberg eine Demo der SED stattfinden“ und „kein Erwerb von Grundstücken/Eigentum von ehemaligen DDR-Bürgern.“
Aktuell wurden in der Außenstelle Frankfurt (Oder) große Mengen an Unterlagen rekonstruiert, die auf die intensive Postkontrolle im Kreis Senftenberg hinweisen. Dazu gehört eine Vielzahl von Briefen aber auch der Nachweis über die Kontrolle von Paketen. Als „operatives Ausgangsmaterial“ wird die Post aus der Senftenberger Bertolt-Brecht-Straße nach Eggenfelde eingeschätzt. Die Absender freuen sich über das 3. Enkelkind und teilen dies Tante Mizzi und Tante Liesel mit.
Christina aus der Harbigstraße schreibt nach Neustadt Coburg an Tante Anna und Onkel Ernst und würde ihren Brief in den Stasiunterlagen genauso wiederfinden wie Roland in der Johann-Gottschalk-Straße in Senftenberg, der aus Köln Post bekommt. Die Stasi vermerkt zu diesem Brief „geplanter Treff Berlin, Reisebericht Mittelmeerkreuzfahrt“.
1983 schreibt eine aus einem DDR-Gefängnis freigekaufte Frau „ … heute bin ich abgeholt worden, nach Gießen mit einem schönen Bus von der BRD … (Als) wir von Karl-Marx-Stadt losgefahren sind … ging die schöne Musik an. Das wirst Du mir nicht glauben, da kamen mir automatisch die Tränen. Ich konnte nicht mehr widerstehen, nach so langer Zeit …“. In einem anderen Brief hofft die Schreiberin, dass die Angehörigen sehr schnell nachkommen können. Aber sie warnt auch „Bitte spreche das nicht in der Schule aus, das kann Dir nicht gut bekommen – also schweigen“.
Nach Limburg geht Post aus der Senftenberger Schulstraße. Es ist der Brief von Wolfgang. Wolfgang ärgert sich über einen unbelichteten Film und wünscht sich offensichtlich Literatur zu Natur- und Umweltfragen – derartiges Material, das als Begleitmaterial der ARD-Sendung „Globus“ angeboten wurde, erhält er dann auch.
Aus den frühen Jahren der DDR stammt wohl der Brief von Günther. Es ist der Brief eines DDR-Soldaten an seine Freundin ebenfalls in der DDR. Die Stasi liest mit. Sie erfährt aus seinem Brief, dass er in seinem Spind ein kleines Kofferradio versteckt hat – „ … da kann ich wenigstens mal richtige Musik hören …“ Günther schreibt „ … im Politunterricht wollen sie uns über den Beat aufklären. Unser Politlehrer will uns über die nervlichen Schäden der Beatmusik informieren. Er sagt: von unseren Feinden lassen wir uns nicht unterhalten.“
Quelle und Abbildung: BStU Außenstelle Frankfurt (Oder)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Außenstelle Frankfurt (Oder), sind am Dienstag, dem 08. Juni 2010 mit einem Informationstag in der Stadtverwaltung Senftenberg, Markt 1.
15:00 – 19:00 Persönliche Beratung
Interessierte Bürger können bei Vorlage Ihres Personalausweises einen Antrag auf Akteneinsicht stellen oder sich nach dem Bearbeitungsstand Ihres Antrages erkundigen (bitte Tagebuchnummer mitbringen). Für spezifische Fragen nehmen wir uns gern Zeit und beraten Sie.
Interessierte können vor Ort Musterakten zu Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und zu Betroffenen lesen. Kostenfreie Publikationen zu verschiedenen Themen liegen aus und können mitgenommen werden.
Die Ausstellung „20 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ kann vom 08.06. – 02.07.2010 in der Stadtverwaltung zu folgenden Öffnungszeiten besucht werden:
Mo │ Mi 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 16:00
Di │ 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 18:00
Do │ 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 16:30 und Fr │ 09:00 – 12:00
17:00 Vortrag │ Rüdiger Sielaff, BStU
MfS – Schild und Schwert der Partei –
Die Stasi in der Region.
Zur Ausstellung:
Die Plakatausstellung wurde von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der gemeinnützigen Hertie-Stiftung für die Erinnerungsjahre 2009/2010 hergestellt.
Zu 20 ausgewählten Ereignissen sind Fotos mit einem kurzen Erläuterungstext zu sehen:
– Den Abschluss des Besuchs des Regierenden Bürgermeisters in Ostberlin nutzten ausreisewillige Bürger um vor der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik (StäV) ihre Ausreise zu fordern. Vor dem Eintreffen des Regierungschefs von Westberlin beendeten Kräfte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS, Stasi) und Volkspolizisten (VoPo) mit einem brutalen Einsatz die Aktion und nahmen die Demonstranten fest.
– Die Einheitsliste der Nationalen Front unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED) fuhr zu den Kommunalwahlen laut offiziellem Endergebnis 98,85 Prozent der Stimmen ein. Beobachter der Opposition und die akkreditierten Journalisten bezweifeln das Ergebnis.
– Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik (StäV) ist durch 113 Ausreisewillige überfüllt. Trotz rigoroser Kontrollen der Volkspolizei gelangten die Flüchtlinge auf das Botschaftsgelände.
– Rund eine Million Menschen demonstrierten friedlich im Stadtzentrum und auf dem Alexanderplatz für Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
– Grenzmauer mit Grenzturm in Blankenstein/Saale
– Feiernde Menschen auf und vor der Mauer am Brandenburger Tor in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1989
– Am 9. November 1989 öffnet die DDR ihre Grenze nach Westberlin und zur Bundesrepublik; nach 28 Jahren fällt die Mauer. Bewohner aus West- und Ostberlin stehen auf der Mauerkrone am Brandenburger Tor.
Der Eintritt ist frei.
„ … das kann Dir nicht gut bekommen – also schweigen!“
Zum Wirken der Kreisdienststelle des MfS Senftenberg in der Region
Der Bestand an Unterlagen der Kreisdienststelle des MfS Senftenberg ist seit Juli 2009 vollständig erschlossen, Die Akten-Überlieferung ist verhältnismäßig umfangreich und aussagekräftig.
Überliefert sind neben den in der Bezirksverwaltung Cottbus des MfS seinerzeit bereits archivierten personenbezogenen Unterlagen ca. 130 Regalmeter Akten, darunter sehr viele personenbezogene Unterlagen (fast 70 lfdm).
Nach der Kreisdienststelle Cottbus war die KD Senftenberg die größte des gesamten Bezirkes: 75 hauptamtliche MitarbeiterInnen sind für 1989 in der Überlieferung nachgewiesen. Langjähriger Leiter der KD war Horst Halla im Dienstrange eines Oberst.
Als Adressen der Kreisdienststelle konnten bis 1986 die Felix-Spiro-Straße 13a, später der Schwarze Weg aus den Unterlagen ermittelt werden.
Eine Besonderheit der KD war das Referat 3 „Synthesewerk Schwarzheide“, während die Braunkohlenbetriebe durch das Referat 2 „Volkswirtschaft“ und die Abt. XVIII der BV bearbeitet wurden. Weitere Schwerpunkte der Bearbeitung bildeten die VEB Kraftverkehr und Schwermaschinenbau Lauchhammer. Die frühesten Akten der KD Senftenberg stammen von Beginn der 50er Jahre und beziehen sich auf Lauchhammer. So werden die Vorkommnisse am 17.06.1953 in der Großkokerei Matyas Rakosi geschildert.
In der KD Senftenberg herrschte 1989 die gleiche hektische Betriebsamkeit wie in vielen anderen Kreis- und Bezirksdienststellen: Akten wurden vernichtet oder zur Vernichtung vorbereitet; Beweise für unrechtmäßiges Handeln beseitigt.
Noch kurz vor dem Ende der DDR sollte jedoch ermittelt werden, wer sich an Veranstaltungen in Leipzig, Dresden und Berlin beteiligt und „welche Personen … sich zu Führungskräften entwickeln; Analyse, welche Kräfte sind im Forum aktiv; dem Forum entgegenwirken“.
Am 28.10.1989 konstatiert das MfS: „Erhebliche Lageverschlechterung: Überschwappen in den Kreis Senftenberg …“ In der Aula des Theaters wird ein Festprogramm gespielt, „welches zum 40. aufgeführt werden sollte: Partei hat verspielt, Notwendigkeit von Veränderungen“. Dennoch bleibt das Ziel: „Position des Organs muss erhalten bleiben; SED darf bei nächster Wahl nicht durchfallen, alle Unterstützung …“
Ab Mitte der 80er Jahre stellen Ausreiseangelegenheiten im Kreis den größten Anteil an „Formen und Methoden der Feindtätigkeit“ dar. Im Kreisgebiet liegen 50 Anträge auf Übersiedlung mit 109 darin erfassten Personen vor, Tendenz steigend.
Zu den „Personen und Personengruppen, die durch Feindtätigkeit anfielen (gehören) … vor allem: Beschäftigte der Kohle- und Energiebetriebe … Angehörige der mittleren medizinischen Intelligenz in den größeren Gesundheitseinrichtungen, Angehörige der künstlerischen Intelligenz, Schwerpunkt Theater der Bergarbeiter Senftenberg, … negativen Kirchenkreise in Senftenberg, Sedlitz, Großräschen, … aber auch weibliche Personen bei der Herstellung individueller Kontakte“.
Zum gleichen Zeitpunkt sind 28 Personen, vorwiegend aus Senftenberg und Schwarzheide, im sogenannten Vorbeugekomplex erfasst, die im Ausnahmezustand in Isolierungslager verbracht werden sollten. „Zur Durchführung der Internierung von Bürgern des kapitalistischen Auslandes wird im Kreis eine Interniertensammelstelle für ca. 200 Personen in Brieske, Sportplatz Elsterkampfbahn eingerichtet“.
1987 berichtet der IM „Klaus Hey“ über die Mitglieder der Leitungsebene der evangelischen Kirche im Kirchenkreis Senftenberg. Es finden sich detaillierte Aufstellungen zu den Kirchen in den Gemeinden einschließlich der darin vorhandenen Sitzplätze. Die kirchlichen Amtsträger werden einzeln eingeschätzt und schneiden unterschiedlich ab – von aggressiv bis loyal und real; bei einigen herrscht noch keine Klarheit zu „unserer Politik und der Diktatur des Proletariats“. Bei Anderen herrscht Unverständnis über die Maßnahmen des Staates gegen den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“.
Als aggressiv werden immer Jene eingeschätzt, die gegen die Reiseeinschränkungen argumentieren und die kommunistische Erziehung in den Schulen hinterfragen. Einige lehnen seit Jahren jegliche Gespräche mit Mitarbeitern des Staatsapparates ab und sind sowieso Nichtwähler.
Im April 1987 wird die medizinische Versorgung im Kreis analysiert. Für die Poliklinik Lauchhammer-Mitte heißt es, dass die Versorgung „in keiner Weise den gesetzlichen Regelungen über den in den Volkswirtschaftsplänen ausgewiesenen ärztlichen Betreuungsgrad“ entspricht. Nach Lauchhammer wollen die Ärzte nicht kommen. „Absagen erfolgten weil die Umweltbedingungen nicht den Vorstellungen entsprachen. … (es) muß eingeschätzt werden, dass Lauchhammer gegenüber den Vorjahren durch die Konzentration der Industrie nicht attraktiver geworden ist und in keiner Weise die kulturellen Bedingungen verbessert wurden“.
Die Vorbereitung der Kommunalwahlen und deren Absicherung spielt eine wesentliche Rolle im Jahresplan 1989, darüber hinaus die Bearbeitungskonzeption der evangelischen Kirche. Hier sollen zusätzliche IM geworben werden.
Vom September 1989 stammt die letzte überlieferte IM-Statistik der KD Senftenberg. Danach führte die KD zu diesem Zeitraum 801 inoffizielle Mitarbeiter, davon 192 GMS, 165 IMK, 20 IMB, 13 FIM.
1987 sind in Senftenberg selbst 258 IM und 59 GMS aktiv. Tatsächlich gibt es jedoch einige Gemeinden und Betriebe, in denen es 1987 keinen IM gibt. Dazu gehören die Glaswerke Großräschen und Annahütte, die Molkerei Senftenberg, VEB Delikat, Lausitzdruck Ruhland und die Gemeinden Frauwalde, Jannowitz, Kleinkmelen, Saalhausen, Allmosen und Lindenau.
Oberstleutnant Halla hält deswegen fest: „Es ist … zu gewährleisten, daß im Jahre 1988 die entsprechenden IM-Werbungen … durchgeführt werden, so dass … die Lage in diesen Bereichen real“ einzuschätzen ist.
Die höchste Anzahl an IM/ GMS ist für Mitte 1986 mit 985 IM/GMS aller Kategorien nachgewiesen.
Deren Führungs-IM heißen „Manfred“, „Walter“, „Hollatz“ (allein er führt 31 IM, davon 5 IMK/KW), „Konrad“, „Sascha“, „Krokus“… Zu den eigentümlichen IM-Namen gehören „Klaus Störtebecker“, „Senator“, „Organist“, „Neurologe“, „Bettelstudent“, „Clematis“, „Baby“, „Mirella“, „Neptun“, „Bummi“, „Mozart“, „Libelle“, „Chrysantheme“, „Venus“, „Spinnrad“…
Am Kreis Senftenberg wird deutlich, dass die hohe IM-Dichte des ehemaligen Bezirkes Cottbus aus der volkswirtschaftlichen Bedeutung der in ihm gelegenen Industrie-Einrichtungen resultiert: fast 210 IM/GMS im VEB SYS, fast 250 IM/GMS im Bereich Kohle. Der Kreis gehört mit seinen Tagebauen, Brikettfabriken und Kraftwerken zu den Hauptproduzenten von Kohle, Koks, Gas und Elektroenergie. In der Chemieindustrie werden zum Teil hochgiftige Stoffe wie Chlor, Phosgen sowie Totalherbizide produziert und verarbeitet, was für den Krisenfall eine besondere Gefährdung darstellt.
Die in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens eingesetzten IM hatten unterschiedliche Aufgaben: der IMS mit dem Decknamen „Birne“, ein Senftenberger aus der Fischreiher Straße, sorgte für die Verhaftung „eines Spions westlicher Geheimdienste …, wobei der IM sich strikt an die gegebenen Informationen gehalten hat.“ „Birne“ wird „eine patriotische Haltung“ konstatiert.
Der IM „Borke“ der KD Senftenberg trifft 1987 während seines Polenurlaubs auf ein Westberliner Ehepaar. Die Stasi vermutet, dass der Professor der Freien Universität Berlin Verbindungen zum BND unterhält. Die Stasi sammelt alle Publikationen des Professors – dieser hat auch Verbindungen zu Gräfin Dönhoff – und sie hält fest, dass in den Gesprächen, die der Professor mit dem IM führte, eine „ständig politisch-ideologische Einflüsse durch negative Äußerungen und Hetztiraden gegen die DDR“ stattfand. Da in der KD Senftenberg auch Gräfin Dönhoff unbekannt ist, besorgt Oberst Halla alle Daten zur heutigen Namensgeberin des Hörsaalkomplexes der Frankfurter Europa-Universität.
Aber der Vorgang plätschert so vor sich hin. Es will sich einfach kein Spion finden lassen. Den Vorgang „Professor“ nennt man jetzt Hinweisvorgang „Rinde“.
„Rinde“ und „Borke“ treffen sich weiter, wobei „Borke“ alle Familienfotos bei der Stasi abliefert.
Der IM „Cobra“ aus Senftenberg besitzt das Privileg mit dem Segen der Stasi in den Westen fahren zu dürfen; er trifft sich auch auftragsgemäß an der Raststätte des Hermsdorfer Kreuzes mit der Westverwandtschaft, um dabei „kleine Aufmerksamkeiten“ vom Westbesuch entgegenzunehmen und gleichzeitig neue Informationen für die Stasi zu sammeln. 1988 fertigt die Stasi eine umfangreiche Fotodokumentation eines solchen Treffens an. „Nach der herzlichen Verabschiedung von den bundesdeutschen Besuchern, die „Cobra“ umfangreiche Aufmerksamkeiten mitgebracht haben“, liefert „Cobra“ alle Informationen an die Stasi – nicht jedoch die „Aufmerksamkeiten“.
Am 10.10.89 heißt es im Arbeitsbuch eines MfSlers für Senftenberg: „Anschmieren von Feindlosungen – Neues Forum.“ Die IM’s zu diesem Zeitpunkt heißen „Wilhelm“, „Falke“, „Kasimir“, „Kurt Jäger“ und „Band“.
Die letzten Aufzeichnungen des Stasi-Mannes stammen vom 24. – bzw. 27.11.1989. Es sind wenige Fragmente aus den Dienstberatungen mit dem KD-Leiter Halla, die die Lähmung des Amtes deutlich machen: „ 20.10.89 weiterer Ausbau der IM-Netze, 23.10.89 kritische Lageentwicklung im Kreisgebiet, 24.10.89 Sicherung der Dienststelle, 27.10.89 Einsatz Lauchhammer“. Am 16.11.89 gibt es eine Demo in Großräschen. „Bezirksleitung ist konzeptionslos, … Staatsfeinde differenzieren, … 18.11. Demo Senftenberg ca. 15.000, … Ablage OPK/ OV, die nicht mehr den Erfordernissen entsprechen, … IM/GMS → gegen die Opposition, … Am 25.11.89 soll in Senftenberg eine Demo der SED stattfinden“ und „kein Erwerb von Grundstücken/Eigentum von ehemaligen DDR-Bürgern.“
Aktuell wurden in der Außenstelle Frankfurt (Oder) große Mengen an Unterlagen rekonstruiert, die auf die intensive Postkontrolle im Kreis Senftenberg hinweisen. Dazu gehört eine Vielzahl von Briefen aber auch der Nachweis über die Kontrolle von Paketen. Als „operatives Ausgangsmaterial“ wird die Post aus der Senftenberger Bertolt-Brecht-Straße nach Eggenfelde eingeschätzt. Die Absender freuen sich über das 3. Enkelkind und teilen dies Tante Mizzi und Tante Liesel mit.
Christina aus der Harbigstraße schreibt nach Neustadt Coburg an Tante Anna und Onkel Ernst und würde ihren Brief in den Stasiunterlagen genauso wiederfinden wie Roland in der Johann-Gottschalk-Straße in Senftenberg, der aus Köln Post bekommt. Die Stasi vermerkt zu diesem Brief „geplanter Treff Berlin, Reisebericht Mittelmeerkreuzfahrt“.
1983 schreibt eine aus einem DDR-Gefängnis freigekaufte Frau „ … heute bin ich abgeholt worden, nach Gießen mit einem schönen Bus von der BRD … (Als) wir von Karl-Marx-Stadt losgefahren sind … ging die schöne Musik an. Das wirst Du mir nicht glauben, da kamen mir automatisch die Tränen. Ich konnte nicht mehr widerstehen, nach so langer Zeit …“. In einem anderen Brief hofft die Schreiberin, dass die Angehörigen sehr schnell nachkommen können. Aber sie warnt auch „Bitte spreche das nicht in der Schule aus, das kann Dir nicht gut bekommen – also schweigen“.
Nach Limburg geht Post aus der Senftenberger Schulstraße. Es ist der Brief von Wolfgang. Wolfgang ärgert sich über einen unbelichteten Film und wünscht sich offensichtlich Literatur zu Natur- und Umweltfragen – derartiges Material, das als Begleitmaterial der ARD-Sendung „Globus“ angeboten wurde, erhält er dann auch.
Aus den frühen Jahren der DDR stammt wohl der Brief von Günther. Es ist der Brief eines DDR-Soldaten an seine Freundin ebenfalls in der DDR. Die Stasi liest mit. Sie erfährt aus seinem Brief, dass er in seinem Spind ein kleines Kofferradio versteckt hat – „ … da kann ich wenigstens mal richtige Musik hören …“ Günther schreibt „ … im Politunterricht wollen sie uns über den Beat aufklären. Unser Politlehrer will uns über die nervlichen Schäden der Beatmusik informieren. Er sagt: von unseren Feinden lassen wir uns nicht unterhalten.“
Quelle und Abbildung: BStU Außenstelle Frankfurt (Oder)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Außenstelle Frankfurt (Oder), sind am Dienstag, dem 08. Juni 2010 mit einem Informationstag in der Stadtverwaltung Senftenberg, Markt 1.
15:00 – 19:00 Persönliche Beratung
Interessierte Bürger können bei Vorlage Ihres Personalausweises einen Antrag auf Akteneinsicht stellen oder sich nach dem Bearbeitungsstand Ihres Antrages erkundigen (bitte Tagebuchnummer mitbringen). Für spezifische Fragen nehmen wir uns gern Zeit und beraten Sie.
Interessierte können vor Ort Musterakten zu Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und zu Betroffenen lesen. Kostenfreie Publikationen zu verschiedenen Themen liegen aus und können mitgenommen werden.
Die Ausstellung „20 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ kann vom 08.06. – 02.07.2010 in der Stadtverwaltung zu folgenden Öffnungszeiten besucht werden:
Mo │ Mi 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 16:00
Di │ 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 18:00
Do │ 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 16:30 und Fr │ 09:00 – 12:00
17:00 Vortrag │ Rüdiger Sielaff, BStU
MfS – Schild und Schwert der Partei –
Die Stasi in der Region.
Zur Ausstellung:
Die Plakatausstellung wurde von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der gemeinnützigen Hertie-Stiftung für die Erinnerungsjahre 2009/2010 hergestellt.
Zu 20 ausgewählten Ereignissen sind Fotos mit einem kurzen Erläuterungstext zu sehen:
– Den Abschluss des Besuchs des Regierenden Bürgermeisters in Ostberlin nutzten ausreisewillige Bürger um vor der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik (StäV) ihre Ausreise zu fordern. Vor dem Eintreffen des Regierungschefs von Westberlin beendeten Kräfte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS, Stasi) und Volkspolizisten (VoPo) mit einem brutalen Einsatz die Aktion und nahmen die Demonstranten fest.
– Die Einheitsliste der Nationalen Front unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED) fuhr zu den Kommunalwahlen laut offiziellem Endergebnis 98,85 Prozent der Stimmen ein. Beobachter der Opposition und die akkreditierten Journalisten bezweifeln das Ergebnis.
– Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik (StäV) ist durch 113 Ausreisewillige überfüllt. Trotz rigoroser Kontrollen der Volkspolizei gelangten die Flüchtlinge auf das Botschaftsgelände.
– Rund eine Million Menschen demonstrierten friedlich im Stadtzentrum und auf dem Alexanderplatz für Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
– Grenzmauer mit Grenzturm in Blankenstein/Saale
– Feiernde Menschen auf und vor der Mauer am Brandenburger Tor in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1989
– Am 9. November 1989 öffnet die DDR ihre Grenze nach Westberlin und zur Bundesrepublik; nach 28 Jahren fällt die Mauer. Bewohner aus West- und Ostberlin stehen auf der Mauerkrone am Brandenburger Tor.
Der Eintritt ist frei.
„ … das kann Dir nicht gut bekommen – also schweigen!“
Zum Wirken der Kreisdienststelle des MfS Senftenberg in der Region
Der Bestand an Unterlagen der Kreisdienststelle des MfS Senftenberg ist seit Juli 2009 vollständig erschlossen, Die Akten-Überlieferung ist verhältnismäßig umfangreich und aussagekräftig.
Überliefert sind neben den in der Bezirksverwaltung Cottbus des MfS seinerzeit bereits archivierten personenbezogenen Unterlagen ca. 130 Regalmeter Akten, darunter sehr viele personenbezogene Unterlagen (fast 70 lfdm).
Nach der Kreisdienststelle Cottbus war die KD Senftenberg die größte des gesamten Bezirkes: 75 hauptamtliche MitarbeiterInnen sind für 1989 in der Überlieferung nachgewiesen. Langjähriger Leiter der KD war Horst Halla im Dienstrange eines Oberst.
Als Adressen der Kreisdienststelle konnten bis 1986 die Felix-Spiro-Straße 13a, später der Schwarze Weg aus den Unterlagen ermittelt werden.
Eine Besonderheit der KD war das Referat 3 „Synthesewerk Schwarzheide“, während die Braunkohlenbetriebe durch das Referat 2 „Volkswirtschaft“ und die Abt. XVIII der BV bearbeitet wurden. Weitere Schwerpunkte der Bearbeitung bildeten die VEB Kraftverkehr und Schwermaschinenbau Lauchhammer. Die frühesten Akten der KD Senftenberg stammen von Beginn der 50er Jahre und beziehen sich auf Lauchhammer. So werden die Vorkommnisse am 17.06.1953 in der Großkokerei Matyas Rakosi geschildert.
In der KD Senftenberg herrschte 1989 die gleiche hektische Betriebsamkeit wie in vielen anderen Kreis- und Bezirksdienststellen: Akten wurden vernichtet oder zur Vernichtung vorbereitet; Beweise für unrechtmäßiges Handeln beseitigt.
Noch kurz vor dem Ende der DDR sollte jedoch ermittelt werden, wer sich an Veranstaltungen in Leipzig, Dresden und Berlin beteiligt und „welche Personen … sich zu Führungskräften entwickeln; Analyse, welche Kräfte sind im Forum aktiv; dem Forum entgegenwirken“.
Am 28.10.1989 konstatiert das MfS: „Erhebliche Lageverschlechterung: Überschwappen in den Kreis Senftenberg …“ In der Aula des Theaters wird ein Festprogramm gespielt, „welches zum 40. aufgeführt werden sollte: Partei hat verspielt, Notwendigkeit von Veränderungen“. Dennoch bleibt das Ziel: „Position des Organs muss erhalten bleiben; SED darf bei nächster Wahl nicht durchfallen, alle Unterstützung …“
Ab Mitte der 80er Jahre stellen Ausreiseangelegenheiten im Kreis den größten Anteil an „Formen und Methoden der Feindtätigkeit“ dar. Im Kreisgebiet liegen 50 Anträge auf Übersiedlung mit 109 darin erfassten Personen vor, Tendenz steigend.
Zu den „Personen und Personengruppen, die durch Feindtätigkeit anfielen (gehören) … vor allem: Beschäftigte der Kohle- und Energiebetriebe … Angehörige der mittleren medizinischen Intelligenz in den größeren Gesundheitseinrichtungen, Angehörige der künstlerischen Intelligenz, Schwerpunkt Theater der Bergarbeiter Senftenberg, … negativen Kirchenkreise in Senftenberg, Sedlitz, Großräschen, … aber auch weibliche Personen bei der Herstellung individueller Kontakte“.
Zum gleichen Zeitpunkt sind 28 Personen, vorwiegend aus Senftenberg und Schwarzheide, im sogenannten Vorbeugekomplex erfasst, die im Ausnahmezustand in Isolierungslager verbracht werden sollten. „Zur Durchführung der Internierung von Bürgern des kapitalistischen Auslandes wird im Kreis eine Interniertensammelstelle für ca. 200 Personen in Brieske, Sportplatz Elsterkampfbahn eingerichtet“.
1987 berichtet der IM „Klaus Hey“ über die Mitglieder der Leitungsebene der evangelischen Kirche im Kirchenkreis Senftenberg. Es finden sich detaillierte Aufstellungen zu den Kirchen in den Gemeinden einschließlich der darin vorhandenen Sitzplätze. Die kirchlichen Amtsträger werden einzeln eingeschätzt und schneiden unterschiedlich ab – von aggressiv bis loyal und real; bei einigen herrscht noch keine Klarheit zu „unserer Politik und der Diktatur des Proletariats“. Bei Anderen herrscht Unverständnis über die Maßnahmen des Staates gegen den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“.
Als aggressiv werden immer Jene eingeschätzt, die gegen die Reiseeinschränkungen argumentieren und die kommunistische Erziehung in den Schulen hinterfragen. Einige lehnen seit Jahren jegliche Gespräche mit Mitarbeitern des Staatsapparates ab und sind sowieso Nichtwähler.
Im April 1987 wird die medizinische Versorgung im Kreis analysiert. Für die Poliklinik Lauchhammer-Mitte heißt es, dass die Versorgung „in keiner Weise den gesetzlichen Regelungen über den in den Volkswirtschaftsplänen ausgewiesenen ärztlichen Betreuungsgrad“ entspricht. Nach Lauchhammer wollen die Ärzte nicht kommen. „Absagen erfolgten weil die Umweltbedingungen nicht den Vorstellungen entsprachen. … (es) muß eingeschätzt werden, dass Lauchhammer gegenüber den Vorjahren durch die Konzentration der Industrie nicht attraktiver geworden ist und in keiner Weise die kulturellen Bedingungen verbessert wurden“.
Die Vorbereitung der Kommunalwahlen und deren Absicherung spielt eine wesentliche Rolle im Jahresplan 1989, darüber hinaus die Bearbeitungskonzeption der evangelischen Kirche. Hier sollen zusätzliche IM geworben werden.
Vom September 1989 stammt die letzte überlieferte IM-Statistik der KD Senftenberg. Danach führte die KD zu diesem Zeitraum 801 inoffizielle Mitarbeiter, davon 192 GMS, 165 IMK, 20 IMB, 13 FIM.
1987 sind in Senftenberg selbst 258 IM und 59 GMS aktiv. Tatsächlich gibt es jedoch einige Gemeinden und Betriebe, in denen es 1987 keinen IM gibt. Dazu gehören die Glaswerke Großräschen und Annahütte, die Molkerei Senftenberg, VEB Delikat, Lausitzdruck Ruhland und die Gemeinden Frauwalde, Jannowitz, Kleinkmelen, Saalhausen, Allmosen und Lindenau.
Oberstleutnant Halla hält deswegen fest: „Es ist … zu gewährleisten, daß im Jahre 1988 die entsprechenden IM-Werbungen … durchgeführt werden, so dass … die Lage in diesen Bereichen real“ einzuschätzen ist.
Die höchste Anzahl an IM/ GMS ist für Mitte 1986 mit 985 IM/GMS aller Kategorien nachgewiesen.
Deren Führungs-IM heißen „Manfred“, „Walter“, „Hollatz“ (allein er führt 31 IM, davon 5 IMK/KW), „Konrad“, „Sascha“, „Krokus“… Zu den eigentümlichen IM-Namen gehören „Klaus Störtebecker“, „Senator“, „Organist“, „Neurologe“, „Bettelstudent“, „Clematis“, „Baby“, „Mirella“, „Neptun“, „Bummi“, „Mozart“, „Libelle“, „Chrysantheme“, „Venus“, „Spinnrad“…
Am Kreis Senftenberg wird deutlich, dass die hohe IM-Dichte des ehemaligen Bezirkes Cottbus aus der volkswirtschaftlichen Bedeutung der in ihm gelegenen Industrie-Einrichtungen resultiert: fast 210 IM/GMS im VEB SYS, fast 250 IM/GMS im Bereich Kohle. Der Kreis gehört mit seinen Tagebauen, Brikettfabriken und Kraftwerken zu den Hauptproduzenten von Kohle, Koks, Gas und Elektroenergie. In der Chemieindustrie werden zum Teil hochgiftige Stoffe wie Chlor, Phosgen sowie Totalherbizide produziert und verarbeitet, was für den Krisenfall eine besondere Gefährdung darstellt.
Die in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens eingesetzten IM hatten unterschiedliche Aufgaben: der IMS mit dem Decknamen „Birne“, ein Senftenberger aus der Fischreiher Straße, sorgte für die Verhaftung „eines Spions westlicher Geheimdienste …, wobei der IM sich strikt an die gegebenen Informationen gehalten hat.“ „Birne“ wird „eine patriotische Haltung“ konstatiert.
Der IM „Borke“ der KD Senftenberg trifft 1987 während seines Polenurlaubs auf ein Westberliner Ehepaar. Die Stasi vermutet, dass der Professor der Freien Universität Berlin Verbindungen zum BND unterhält. Die Stasi sammelt alle Publikationen des Professors – dieser hat auch Verbindungen zu Gräfin Dönhoff – und sie hält fest, dass in den Gesprächen, die der Professor mit dem IM führte, eine „ständig politisch-ideologische Einflüsse durch negative Äußerungen und Hetztiraden gegen die DDR“ stattfand. Da in der KD Senftenberg auch Gräfin Dönhoff unbekannt ist, besorgt Oberst Halla alle Daten zur heutigen Namensgeberin des Hörsaalkomplexes der Frankfurter Europa-Universität.
Aber der Vorgang plätschert so vor sich hin. Es will sich einfach kein Spion finden lassen. Den Vorgang „Professor“ nennt man jetzt Hinweisvorgang „Rinde“.
„Rinde“ und „Borke“ treffen sich weiter, wobei „Borke“ alle Familienfotos bei der Stasi abliefert.
Der IM „Cobra“ aus Senftenberg besitzt das Privileg mit dem Segen der Stasi in den Westen fahren zu dürfen; er trifft sich auch auftragsgemäß an der Raststätte des Hermsdorfer Kreuzes mit der Westverwandtschaft, um dabei „kleine Aufmerksamkeiten“ vom Westbesuch entgegenzunehmen und gleichzeitig neue Informationen für die Stasi zu sammeln. 1988 fertigt die Stasi eine umfangreiche Fotodokumentation eines solchen Treffens an. „Nach der herzlichen Verabschiedung von den bundesdeutschen Besuchern, die „Cobra“ umfangreiche Aufmerksamkeiten mitgebracht haben“, liefert „Cobra“ alle Informationen an die Stasi – nicht jedoch die „Aufmerksamkeiten“.
Am 10.10.89 heißt es im Arbeitsbuch eines MfSlers für Senftenberg: „Anschmieren von Feindlosungen – Neues Forum.“ Die IM’s zu diesem Zeitpunkt heißen „Wilhelm“, „Falke“, „Kasimir“, „Kurt Jäger“ und „Band“.
Die letzten Aufzeichnungen des Stasi-Mannes stammen vom 24. – bzw. 27.11.1989. Es sind wenige Fragmente aus den Dienstberatungen mit dem KD-Leiter Halla, die die Lähmung des Amtes deutlich machen: „ 20.10.89 weiterer Ausbau der IM-Netze, 23.10.89 kritische Lageentwicklung im Kreisgebiet, 24.10.89 Sicherung der Dienststelle, 27.10.89 Einsatz Lauchhammer“. Am 16.11.89 gibt es eine Demo in Großräschen. „Bezirksleitung ist konzeptionslos, … Staatsfeinde differenzieren, … 18.11. Demo Senftenberg ca. 15.000, … Ablage OPK/ OV, die nicht mehr den Erfordernissen entsprechen, … IM/GMS → gegen die Opposition, … Am 25.11.89 soll in Senftenberg eine Demo der SED stattfinden“ und „kein Erwerb von Grundstücken/Eigentum von ehemaligen DDR-Bürgern.“
Aktuell wurden in der Außenstelle Frankfurt (Oder) große Mengen an Unterlagen rekonstruiert, die auf die intensive Postkontrolle im Kreis Senftenberg hinweisen. Dazu gehört eine Vielzahl von Briefen aber auch der Nachweis über die Kontrolle von Paketen. Als „operatives Ausgangsmaterial“ wird die Post aus der Senftenberger Bertolt-Brecht-Straße nach Eggenfelde eingeschätzt. Die Absender freuen sich über das 3. Enkelkind und teilen dies Tante Mizzi und Tante Liesel mit.
Christina aus der Harbigstraße schreibt nach Neustadt Coburg an Tante Anna und Onkel Ernst und würde ihren Brief in den Stasiunterlagen genauso wiederfinden wie Roland in der Johann-Gottschalk-Straße in Senftenberg, der aus Köln Post bekommt. Die Stasi vermerkt zu diesem Brief „geplanter Treff Berlin, Reisebericht Mittelmeerkreuzfahrt“.
1983 schreibt eine aus einem DDR-Gefängnis freigekaufte Frau „ … heute bin ich abgeholt worden, nach Gießen mit einem schönen Bus von der BRD … (Als) wir von Karl-Marx-Stadt losgefahren sind … ging die schöne Musik an. Das wirst Du mir nicht glauben, da kamen mir automatisch die Tränen. Ich konnte nicht mehr widerstehen, nach so langer Zeit …“. In einem anderen Brief hofft die Schreiberin, dass die Angehörigen sehr schnell nachkommen können. Aber sie warnt auch „Bitte spreche das nicht in der Schule aus, das kann Dir nicht gut bekommen – also schweigen“.
Nach Limburg geht Post aus der Senftenberger Schulstraße. Es ist der Brief von Wolfgang. Wolfgang ärgert sich über einen unbelichteten Film und wünscht sich offensichtlich Literatur zu Natur- und Umweltfragen – derartiges Material, das als Begleitmaterial der ARD-Sendung „Globus“ angeboten wurde, erhält er dann auch.
Aus den frühen Jahren der DDR stammt wohl der Brief von Günther. Es ist der Brief eines DDR-Soldaten an seine Freundin ebenfalls in der DDR. Die Stasi liest mit. Sie erfährt aus seinem Brief, dass er in seinem Spind ein kleines Kofferradio versteckt hat – „ … da kann ich wenigstens mal richtige Musik hören …“ Günther schreibt „ … im Politunterricht wollen sie uns über den Beat aufklären. Unser Politlehrer will uns über die nervlichen Schäden der Beatmusik informieren. Er sagt: von unseren Feinden lassen wir uns nicht unterhalten.“
Quelle und Abbildung: BStU Außenstelle Frankfurt (Oder)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Außenstelle Frankfurt (Oder), sind am Dienstag, dem 08. Juni 2010 mit einem Informationstag in der Stadtverwaltung Senftenberg, Markt 1.
15:00 – 19:00 Persönliche Beratung
Interessierte Bürger können bei Vorlage Ihres Personalausweises einen Antrag auf Akteneinsicht stellen oder sich nach dem Bearbeitungsstand Ihres Antrages erkundigen (bitte Tagebuchnummer mitbringen). Für spezifische Fragen nehmen wir uns gern Zeit und beraten Sie.
Interessierte können vor Ort Musterakten zu Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und zu Betroffenen lesen. Kostenfreie Publikationen zu verschiedenen Themen liegen aus und können mitgenommen werden.
Die Ausstellung „20 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ kann vom 08.06. – 02.07.2010 in der Stadtverwaltung zu folgenden Öffnungszeiten besucht werden:
Mo │ Mi 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 16:00
Di │ 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 18:00
Do │ 09:00 – 12:00 │ 13:00 – 16:30 und Fr │ 09:00 – 12:00
17:00 Vortrag │ Rüdiger Sielaff, BStU
MfS – Schild und Schwert der Partei –
Die Stasi in der Region.
Zur Ausstellung:
Die Plakatausstellung wurde von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der gemeinnützigen Hertie-Stiftung für die Erinnerungsjahre 2009/2010 hergestellt.
Zu 20 ausgewählten Ereignissen sind Fotos mit einem kurzen Erläuterungstext zu sehen:
– Den Abschluss des Besuchs des Regierenden Bürgermeisters in Ostberlin nutzten ausreisewillige Bürger um vor der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik (StäV) ihre Ausreise zu fordern. Vor dem Eintreffen des Regierungschefs von Westberlin beendeten Kräfte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS, Stasi) und Volkspolizisten (VoPo) mit einem brutalen Einsatz die Aktion und nahmen die Demonstranten fest.
– Die Einheitsliste der Nationalen Front unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED) fuhr zu den Kommunalwahlen laut offiziellem Endergebnis 98,85 Prozent der Stimmen ein. Beobachter der Opposition und die akkreditierten Journalisten bezweifeln das Ergebnis.
– Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik (StäV) ist durch 113 Ausreisewillige überfüllt. Trotz rigoroser Kontrollen der Volkspolizei gelangten die Flüchtlinge auf das Botschaftsgelände.
– Rund eine Million Menschen demonstrierten friedlich im Stadtzentrum und auf dem Alexanderplatz für Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
– Grenzmauer mit Grenzturm in Blankenstein/Saale
– Feiernde Menschen auf und vor der Mauer am Brandenburger Tor in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1989
– Am 9. November 1989 öffnet die DDR ihre Grenze nach Westberlin und zur Bundesrepublik; nach 28 Jahren fällt die Mauer. Bewohner aus West- und Ostberlin stehen auf der Mauerkrone am Brandenburger Tor.
Der Eintritt ist frei.
„ … das kann Dir nicht gut bekommen – also schweigen!“
Zum Wirken der Kreisdienststelle des MfS Senftenberg in der Region
Der Bestand an Unterlagen der Kreisdienststelle des MfS Senftenberg ist seit Juli 2009 vollständig erschlossen, Die Akten-Überlieferung ist verhältnismäßig umfangreich und aussagekräftig.
Überliefert sind neben den in der Bezirksverwaltung Cottbus des MfS seinerzeit bereits archivierten personenbezogenen Unterlagen ca. 130 Regalmeter Akten, darunter sehr viele personenbezogene Unterlagen (fast 70 lfdm).
Nach der Kreisdienststelle Cottbus war die KD Senftenberg die größte des gesamten Bezirkes: 75 hauptamtliche MitarbeiterInnen sind für 1989 in der Überlieferung nachgewiesen. Langjähriger Leiter der KD war Horst Halla im Dienstrange eines Oberst.
Als Adressen der Kreisdienststelle konnten bis 1986 die Felix-Spiro-Straße 13a, später der Schwarze Weg aus den Unterlagen ermittelt werden.
Eine Besonderheit der KD war das Referat 3 „Synthesewerk Schwarzheide“, während die Braunkohlenbetriebe durch das Referat 2 „Volkswirtschaft“ und die Abt. XVIII der BV bearbeitet wurden. Weitere Schwerpunkte der Bearbeitung bildeten die VEB Kraftverkehr und Schwermaschinenbau Lauchhammer. Die frühesten Akten der KD Senftenberg stammen von Beginn der 50er Jahre und beziehen sich auf Lauchhammer. So werden die Vorkommnisse am 17.06.1953 in der Großkokerei Matyas Rakosi geschildert.
In der KD Senftenberg herrschte 1989 die gleiche hektische Betriebsamkeit wie in vielen anderen Kreis- und Bezirksdienststellen: Akten wurden vernichtet oder zur Vernichtung vorbereitet; Beweise für unrechtmäßiges Handeln beseitigt.
Noch kurz vor dem Ende der DDR sollte jedoch ermittelt werden, wer sich an Veranstaltungen in Leipzig, Dresden und Berlin beteiligt und „welche Personen … sich zu Führungskräften entwickeln; Analyse, welche Kräfte sind im Forum aktiv; dem Forum entgegenwirken“.
Am 28.10.1989 konstatiert das MfS: „Erhebliche Lageverschlechterung: Überschwappen in den Kreis Senftenberg …“ In der Aula des Theaters wird ein Festprogramm gespielt, „welches zum 40. aufgeführt werden sollte: Partei hat verspielt, Notwendigkeit von Veränderungen“. Dennoch bleibt das Ziel: „Position des Organs muss erhalten bleiben; SED darf bei nächster Wahl nicht durchfallen, alle Unterstützung …“
Ab Mitte der 80er Jahre stellen Ausreiseangelegenheiten im Kreis den größten Anteil an „Formen und Methoden der Feindtätigkeit“ dar. Im Kreisgebiet liegen 50 Anträge auf Übersiedlung mit 109 darin erfassten Personen vor, Tendenz steigend.
Zu den „Personen und Personengruppen, die durch Feindtätigkeit anfielen (gehören) … vor allem: Beschäftigte der Kohle- und Energiebetriebe … Angehörige der mittleren medizinischen Intelligenz in den größeren Gesundheitseinrichtungen, Angehörige der künstlerischen Intelligenz, Schwerpunkt Theater der Bergarbeiter Senftenberg, … negativen Kirchenkreise in Senftenberg, Sedlitz, Großräschen, … aber auch weibliche Personen bei der Herstellung individueller Kontakte“.
Zum gleichen Zeitpunkt sind 28 Personen, vorwiegend aus Senftenberg und Schwarzheide, im sogenannten Vorbeugekomplex erfasst, die im Ausnahmezustand in Isolierungslager verbracht werden sollten. „Zur Durchführung der Internierung von Bürgern des kapitalistischen Auslandes wird im Kreis eine Interniertensammelstelle für ca. 200 Personen in Brieske, Sportplatz Elsterkampfbahn eingerichtet“.
1987 berichtet der IM „Klaus Hey“ über die Mitglieder der Leitungsebene der evangelischen Kirche im Kirchenkreis Senftenberg. Es finden sich detaillierte Aufstellungen zu den Kirchen in den Gemeinden einschließlich der darin vorhandenen Sitzplätze. Die kirchlichen Amtsträger werden einzeln eingeschätzt und schneiden unterschiedlich ab – von aggressiv bis loyal und real; bei einigen herrscht noch keine Klarheit zu „unserer Politik und der Diktatur des Proletariats“. Bei Anderen herrscht Unverständnis über die Maßnahmen des Staates gegen den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“.
Als aggressiv werden immer Jene eingeschätzt, die gegen die Reiseeinschränkungen argumentieren und die kommunistische Erziehung in den Schulen hinterfragen. Einige lehnen seit Jahren jegliche Gespräche mit Mitarbeitern des Staatsapparates ab und sind sowieso Nichtwähler.
Im April 1987 wird die medizinische Versorgung im Kreis analysiert. Für die Poliklinik Lauchhammer-Mitte heißt es, dass die Versorgung „in keiner Weise den gesetzlichen Regelungen über den in den Volkswirtschaftsplänen ausgewiesenen ärztlichen Betreuungsgrad“ entspricht. Nach Lauchhammer wollen die Ärzte nicht kommen. „Absagen erfolgten weil die Umweltbedingungen nicht den Vorstellungen entsprachen. … (es) muß eingeschätzt werden, dass Lauchhammer gegenüber den Vorjahren durch die Konzentration der Industrie nicht attraktiver geworden ist und in keiner Weise die kulturellen Bedingungen verbessert wurden“.
Die Vorbereitung der Kommunalwahlen und deren Absicherung spielt eine wesentliche Rolle im Jahresplan 1989, darüber hinaus die Bearbeitungskonzeption der evangelischen Kirche. Hier sollen zusätzliche IM geworben werden.
Vom September 1989 stammt die letzte überlieferte IM-Statistik der KD Senftenberg. Danach führte die KD zu diesem Zeitraum 801 inoffizielle Mitarbeiter, davon 192 GMS, 165 IMK, 20 IMB, 13 FIM.
1987 sind in Senftenberg selbst 258 IM und 59 GMS aktiv. Tatsächlich gibt es jedoch einige Gemeinden und Betriebe, in denen es 1987 keinen IM gibt. Dazu gehören die Glaswerke Großräschen und Annahütte, die Molkerei Senftenberg, VEB Delikat, Lausitzdruck Ruhland und die Gemeinden Frauwalde, Jannowitz, Kleinkmelen, Saalhausen, Allmosen und Lindenau.
Oberstleutnant Halla hält deswegen fest: „Es ist … zu gewährleisten, daß im Jahre 1988 die entsprechenden IM-Werbungen … durchgeführt werden, so dass … die Lage in diesen Bereichen real“ einzuschätzen ist.
Die höchste Anzahl an IM/ GMS ist für Mitte 1986 mit 985 IM/GMS aller Kategorien nachgewiesen.
Deren Führungs-IM heißen „Manfred“, „Walter“, „Hollatz“ (allein er führt 31 IM, davon 5 IMK/KW), „Konrad“, „Sascha“, „Krokus“… Zu den eigentümlichen IM-Namen gehören „Klaus Störtebecker“, „Senator“, „Organist“, „Neurologe“, „Bettelstudent“, „Clematis“, „Baby“, „Mirella“, „Neptun“, „Bummi“, „Mozart“, „Libelle“, „Chrysantheme“, „Venus“, „Spinnrad“…
Am Kreis Senftenberg wird deutlich, dass die hohe IM-Dichte des ehemaligen Bezirkes Cottbus aus der volkswirtschaftlichen Bedeutung der in ihm gelegenen Industrie-Einrichtungen resultiert: fast 210 IM/GMS im VEB SYS, fast 250 IM/GMS im Bereich Kohle. Der Kreis gehört mit seinen Tagebauen, Brikettfabriken und Kraftwerken zu den Hauptproduzenten von Kohle, Koks, Gas und Elektroenergie. In der Chemieindustrie werden zum Teil hochgiftige Stoffe wie Chlor, Phosgen sowie Totalherbizide produziert und verarbeitet, was für den Krisenfall eine besondere Gefährdung darstellt.
Die in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens eingesetzten IM hatten unterschiedliche Aufgaben: der IMS mit dem Decknamen „Birne“, ein Senftenberger aus der Fischreiher Straße, sorgte für die Verhaftung „eines Spions westlicher Geheimdienste …, wobei der IM sich strikt an die gegebenen Informationen gehalten hat.“ „Birne“ wird „eine patriotische Haltung“ konstatiert.
Der IM „Borke“ der KD Senftenberg trifft 1987 während seines Polenurlaubs auf ein Westberliner Ehepaar. Die Stasi vermutet, dass der Professor der Freien Universität Berlin Verbindungen zum BND unterhält. Die Stasi sammelt alle Publikationen des Professors – dieser hat auch Verbindungen zu Gräfin Dönhoff – und sie hält fest, dass in den Gesprächen, die der Professor mit dem IM führte, eine „ständig politisch-ideologische Einflüsse durch negative Äußerungen und Hetztiraden gegen die DDR“ stattfand. Da in der KD Senftenberg auch Gräfin Dönhoff unbekannt ist, besorgt Oberst Halla alle Daten zur heutigen Namensgeberin des Hörsaalkomplexes der Frankfurter Europa-Universität.
Aber der Vorgang plätschert so vor sich hin. Es will sich einfach kein Spion finden lassen. Den Vorgang „Professor“ nennt man jetzt Hinweisvorgang „Rinde“.
„Rinde“ und „Borke“ treffen sich weiter, wobei „Borke“ alle Familienfotos bei der Stasi abliefert.
Der IM „Cobra“ aus Senftenberg besitzt das Privileg mit dem Segen der Stasi in den Westen fahren zu dürfen; er trifft sich auch auftragsgemäß an der Raststätte des Hermsdorfer Kreuzes mit der Westverwandtschaft, um dabei „kleine Aufmerksamkeiten“ vom Westbesuch entgegenzunehmen und gleichzeitig neue Informationen für die Stasi zu sammeln. 1988 fertigt die Stasi eine umfangreiche Fotodokumentation eines solchen Treffens an. „Nach der herzlichen Verabschiedung von den bundesdeutschen Besuchern, die „Cobra“ umfangreiche Aufmerksamkeiten mitgebracht haben“, liefert „Cobra“ alle Informationen an die Stasi – nicht jedoch die „Aufmerksamkeiten“.
Am 10.10.89 heißt es im Arbeitsbuch eines MfSlers für Senftenberg: „Anschmieren von Feindlosungen – Neues Forum.“ Die IM’s zu diesem Zeitpunkt heißen „Wilhelm“, „Falke“, „Kasimir“, „Kurt Jäger“ und „Band“.
Die letzten Aufzeichnungen des Stasi-Mannes stammen vom 24. – bzw. 27.11.1989. Es sind wenige Fragmente aus den Dienstberatungen mit dem KD-Leiter Halla, die die Lähmung des Amtes deutlich machen: „ 20.10.89 weiterer Ausbau der IM-Netze, 23.10.89 kritische Lageentwicklung im Kreisgebiet, 24.10.89 Sicherung der Dienststelle, 27.10.89 Einsatz Lauchhammer“. Am 16.11.89 gibt es eine Demo in Großräschen. „Bezirksleitung ist konzeptionslos, … Staatsfeinde differenzieren, … 18.11. Demo Senftenberg ca. 15.000, … Ablage OPK/ OV, die nicht mehr den Erfordernissen entsprechen, … IM/GMS → gegen die Opposition, … Am 25.11.89 soll in Senftenberg eine Demo der SED stattfinden“ und „kein Erwerb von Grundstücken/Eigentum von ehemaligen DDR-Bürgern.“
Aktuell wurden in der Außenstelle Frankfurt (Oder) große Mengen an Unterlagen rekonstruiert, die auf die intensive Postkontrolle im Kreis Senftenberg hinweisen. Dazu gehört eine Vielzahl von Briefen aber auch der Nachweis über die Kontrolle von Paketen. Als „operatives Ausgangsmaterial“ wird die Post aus der Senftenberger Bertolt-Brecht-Straße nach Eggenfelde eingeschätzt. Die Absender freuen sich über das 3. Enkelkind und teilen dies Tante Mizzi und Tante Liesel mit.
Christina aus der Harbigstraße schreibt nach Neustadt Coburg an Tante Anna und Onkel Ernst und würde ihren Brief in den Stasiunterlagen genauso wiederfinden wie Roland in der Johann-Gottschalk-Straße in Senftenberg, der aus Köln Post bekommt. Die Stasi vermerkt zu diesem Brief „geplanter Treff Berlin, Reisebericht Mittelmeerkreuzfahrt“.
1983 schreibt eine aus einem DDR-Gefängnis freigekaufte Frau „ … heute bin ich abgeholt worden, nach Gießen mit einem schönen Bus von der BRD … (Als) wir von Karl-Marx-Stadt losgefahren sind … ging die schöne Musik an. Das wirst Du mir nicht glauben, da kamen mir automatisch die Tränen. Ich konnte nicht mehr widerstehen, nach so langer Zeit …“. In einem anderen Brief hofft die Schreiberin, dass die Angehörigen sehr schnell nachkommen können. Aber sie warnt auch „Bitte spreche das nicht in der Schule aus, das kann Dir nicht gut bekommen – also schweigen“.
Nach Limburg geht Post aus der Senftenberger Schulstraße. Es ist der Brief von Wolfgang. Wolfgang ärgert sich über einen unbelichteten Film und wünscht sich offensichtlich Literatur zu Natur- und Umweltfragen – derartiges Material, das als Begleitmaterial der ARD-Sendung „Globus“ angeboten wurde, erhält er dann auch.
Aus den frühen Jahren der DDR stammt wohl der Brief von Günther. Es ist der Brief eines DDR-Soldaten an seine Freundin ebenfalls in der DDR. Die Stasi liest mit. Sie erfährt aus seinem Brief, dass er in seinem Spind ein kleines Kofferradio versteckt hat – „ … da kann ich wenigstens mal richtige Musik hören …“ Günther schreibt „ … im Politunterricht wollen sie uns über den Beat aufklären. Unser Politlehrer will uns über die nervlichen Schäden der Beatmusik informieren. Er sagt: von unseren Feinden lassen wir uns nicht unterhalten.“
Quelle und Abbildung: BStU Außenstelle Frankfurt (Oder)