„Auf geht’s!“, rief Fährmann Helmut Michler der Reisegruppe aus dem Raum Helmstedt zu. Gemeinsam mit Wichtel Lea Wagner aus der 1. Grundschule ging es in Richtung Lehde – zu Fuß. „Wir haben es immer wieder versucht, aber die Natur und letztlich das Eis waren stärker. Deshalb mussten wir die Kahnfahrten absetzen und unsere Fährmänner zu Wanderführern machen“, so Steffen Franke vom Großen Lübbenauer Hafen. Helmut Michler nahm es wie seine Kollegen und Gäste mit Humor und erklärte auf dem Weg nach Lehde den Spreewald genau so, wie er es auch auf dem Kahn gemacht hätte. Wichtel Lea trug vor, was es mit Wichteln und Lutkis so auf sich hat. Die Gruppe kam gut unterhalten und wegen der Bewegung kaum unterkühlt am Lehder Freilichtmuseum an. Wer mochte, nahm sich am Eingang sicherheitshalber erst mal einen Glühwein und wurde dann vom Fährmann/Wanderführer für die nächsten Stunden entlassen, um in das Weihnachtsdorf einzutauchen. „Das ist ja wie im Märchen!“, entfuhr es sogleich Franziska Hilmer. Die Helmstedter Abiturientin war gerührt und konnte sich nicht satt sehen. „Es ist so kuschelig, so anheimelnd hier, da will ich gar nicht nach Hause. Obwohl ich aus dem Märchenalter raus bin, habe ich den Erzählungen gelauscht. Und alles frei gesprochen, so wie es wohl früher die Großmütter hier im Spreewald vor den Enkelkindern getan haben müssen“, erzählte sie Stunden später, immer noch sehr gerührt von dem Erlebten. Auch sie bekam, wie alle anderen Besucher, den Segen des Bescherkindes. Schweigend legte die kunstvoll verhüllte Andrea Pursche die Rute auf die Schulter und streichelte die Wangen. Von Begleiterin Simone Didoff gab es noch etwas Backwerk und auch eine Erklärung dafür, was eben geschah, denn die wenigsten Besucher kannten sich in den Bräuchen des Spreewaldes aus. Für eine Gruppe aus Wiesenburg nahm stellvertretend Busfahrer Jürgen Wotschke den Segen entgegen. Denn der sollte auf den glatten Straßen wieder alle heil nach Hause bringen, waren sich die Ausflügler schnell einig. Der Lübbenauer Bernhard Zisowsky freute sich über seine Segnung: „Als Rentner kam ich so was gut gebrauchen.“
Der kleine Tobias aus Leipzig war auf der Suche nach dem Weihnachtsmann, der sich bestimmt in einem der alten Häuser versteckt hatte. Den bäurisch rüberkommenden Mann im Schafpelzmantel mit einem Sack auf dem Rücken sah er zwar, aber das konnte ja wohl kein Weihnachtsmann sein. Und er war es doch: Jens Tanneberger, der Rumpodich, der Spreewälder Weihnachtsmann und Nikolaus in einer Person, erklärte ihm sein Andersein und ließ den Jungen in den Sack greifen. Der holte nach einigem wühlen – eine Walnuss hervor. „Ist das alles?“, entfuhr es ihm spontan und die Mundwinkel glitten dabei leicht nach unten. „Hier im Spreewald wurden früher die Kinder mit dem beschenkt, was es auch hier gab. Teure Geschenke konnte sich niemand leisten“, wurde Tobias aufgeklärt. Der Rumpodich hatte aber auch noch einen zweiten Sack dabei, mit Plätzchen vom Bäcker. Da hellten sich die Kinderaugen wieder etwas auf.
Überraschungen gab es im Weihnachtsdorf noch mehr. Neben Schweinen und Gänsen im Gatter stießen die Besucher auch auf zwei Alpacas. Die kuscheligen Tiere wollte jeder am liebsten knuddeln, aber sie zeigten sich in der ungewohnten Umgebung etwas zurückhaltend. Der Sonnewalder Zuchtbetrieb hat 70 Tiere auf dem Hof, deren Wolle sehr begehrt ist. Angesichts der Kälte gingen reichlich Alpaca-Socken und –Handschuhe über den Tisch des Standes. „Da haben wir gleich zugegriffen, denn die Kälte zwickt doch schon durch unsere dünnen Handschuhe“, erzählt Elke Skalee aus Wittenberg. „Eigentlich wollten wir im Spreewald Schlittschuh laufen, aber das schien uns noch zu unsicher. Über das Internet hatten wir auch von diesem Weihnachtsmarkt erfahren und haben uns sogleich in Großfamilie in Richtung Spreewald aufgemacht.“ Wie aufs Stichwort fegten nebenan die ersten Schlittschuhläufer heran. Die einheimische Familie Filko kam als eine der ganz wenigen wasser(eis-)seits am Museumsdorf an und erschloss sich diesen auf ihren Schlittschuhen gehend.
In der Spintestube surrten die Spinnräder, und an eines durfte mal kurz die kleine Emily aus Markleeberg ran: „Das ist ja wie im Märchen, ich darf richtig spinnen!“, rief sie aus, während der Papa alles mit der Kamera festhielt.
Mit einbrechender Dunkelheit kamen die Einheimischen, oft die Kinder auf dem Schlitten ziehend, während die Auswärtigen schon wieder die Gegenrichtung einschlugen. Im Großen Hafen konnten sie sich am offenen Feuer wärmen, noch schnell Räucherfisch und Spreewaldgurken kaufen, bevor es wieder in die Busse ging. „Weihnacht im Spreewald – das hat nun ein konkretes Bild für mich“, so Reinhard Strauch aus Helmstedt unter Kopfnicken der ganzen Gruppe.