Studienabbruch – für viele erst einmal eine gefühlte Katastrophe. Das Brandmal „gescheitert“ prangt auf der Stirn. Wo soll man jetzt noch unterkommen? Wie kann es weitergehen? In der Gesellschaft fast ein Tabuthema, in der Familie und bei Freunden meist auch. „Wir sehen den Studienabbruch nicht als Scheitern, sondern es ist eine begonnene Investition in die Zukunft, mit der man weiterarbeiten kann. Wir wollen da Hilfestellungen geben“, sagt Regina Altmann, Bereich Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus. „Die Studienabbrecherquoten sind bekannt, doch zu wenige finden den Weg zu uns“, führt sie aus. Egal in welchem Semester man zu der Erkenntnis kommt, es gibt immer Alternativen.
Ein Gefühl der Ratlosigkeit, ohne zu wissen, wer einem hilft
„Sie haben Abitur gemacht und angefangen den akademischen Weg zu beschreiten, mit Alternativen haben sich die meisten nicht befasst und wollen nun wissen, wie es weitergeht“, beschreibt Regina Altmann die Situation der ehemaligen Studierenden. Für Studienaussteiger braucht der Abbruch nicht das Ende zu sein, denn sie haben meist das Potential zu mehr. Eine Ausbildung bietet mehr Chancen als manche vermuten. Der Weg über eine Berufsausbildung und spätere Aufstiegsfortbildung wie zum Beispiel zum Meister oder Wirtschaftsfachwirt oder zum Betriebswirt sei ein Erfolgsmodell. Brandenburg habe einen großen Bedarf an Facharbeitern (Anteil bei 63 Prozent), da gäbe es eine große Sogwirkung.
Zweitklassige Ausbildung? Weniger Gehalt?
Die fortschreitende Akademisierung der Gesellschaft hat bewirkt, dass etwa 50% eines Schuljahrgangs studiert. Eltern gehen davon aus, dass mit höherer Qualifikation ihres Kindes die Chance auf einen sicheren Job steigt. Das ist nicht zwingend so. Auch Ausbildungen mit Aufstiegschancen, gerade in einer kleingliedrigen Wirtschaft wie in Brandenburg, sind eine hervorragende Möglichkeit, um anspruchsvolle Tätigkeiten mit Verantwortung auszuüben und eröffnen Karrierechancen. „2015 betrug der Anteil der Abiturienten mit einem Ausbildungsvertrag in einem IHK-Beruf 27 Prozent. Der Job scheint „nur gefühlt“ mit einem Studium sicherer zu sein. Viele Betriebe sprechen bereits bei einer Bewerbung darüber, wie hoch die Chance auf eine Übernahme ist und sie unterstützen auch Weiterbildungen“, sagt Regina Altmann.
Der Abbrecher sollte sich natürlich eingestehen, was die Gründe für den Abbruch waren. „Waren es Leistungsgründe, ist ein duales Studium – trotz der großen Praxiskomponente – vielleicht nicht die beste Wahl für den zweiten Versuch. Mit dem Kombi-Modell „Mach 2“ – einer Kombination aus beruflicher Erstausbildung und Aufstiegsqualifizierung – bietet die IHK Cottbus insbesondere Studienabbrechern einen alternativen Karriereweg an. Am Ende steht ein Abschluss auf Bachelor-Niveau. So kommt man auf dem Praxisweg auch zu einem berufsqualifizierenden Abschluss“, gibt Regina Altmann einen Ausblick. „Und es gibt Studien, die zeigen, dass man mit einem Facharbeiter und weiteren Fortbildungen in einigen Branchen genauso weit kommt wie mit einem Studium. Es ist also nicht per se so, dass Menschen mit einer Ausbildung weniger verdienen.“ Unter anderem der Focus berichtete darüber.
Wie Unternehmen auf Studienabbrecher reagieren
„Von Seiten der Unternehmen gibt es keine Vorurteile oder Stigmata. Sie sehen den Vorteil: Die Person ist meist etwas älter, in der Persönlichkeit schon gereift und bringt Vorwissen mit“, erläutert die Bildungsexpertin. Ausbildungen könnten in den meisten Fällen um ein Jahr verkürzt werden, so dass man dem Unternehmen relativ schnell zur Verfügung steht.
Ob auf eine Ausbildung später auch eine Unternehmensnachfolge als möglicher Weg in eine Karriere für Studienabbrecher folgen könnte, darauf erwidert Regina Altmann: „Das ist eine Perspektive für langfristige Planungen, gerade für junge Menschen mit Potential. Selbst wenn es nicht der Ausbildungsbetrieb ist, sondern ein anderes Unternehmen aus der Branche.“
Ein Studienabbruch sei jedenfalls nicht das Ende der Welt, sondern auch eine wertvolle Erfahrung. „Natürlich ist da eine Scham über das angebliche Scheitern da, aber für die weitere Entwicklung spielt es kaum eine Rolle. Das, was man schon gelernt hat, kann man in einer Ausbildung einbringen. Der Betrieb traut einem vielleicht auch ein wenig mehr zu. Ich glaube, was teils in den Köpfen ist, kann durch eine erfolgreiche duale Ausbildung ganz schnell wieder vergessen sein. Auch Eltern sollten da nicht den Finger in die Wunde legen, sondern ihr Kind unterstützen“, sagt Regina Altmann abschließend.
Ansprechpartner
Karin Blank ist bei der IHK Cottbus Ansprechpartnerin für das Thema und erreichbar unter Telefon: 0355 – 365 1220 oder per Mail an: [email protected]
Weitere Informationen sind bei der IHK Cottbus zu finden.
Im nächsten Teil sprechen wir mit einem Azubi, der den Weg in die Ausbildung anstatt ins Studium gewählt hat.