Am heutigen Freitag haben Kulturstaatssekretär Martin Gorholt, Stiftungsdirektor Prof. Dr. Günter Morsch und der Überlebende des KZ Sachsenhausen, Jonny Valentin, in der Potsdamer Staatskanzlei das Online-Totenbuch mit den Namen von 21.913 Opfern des KZ Sachenhausen freigeschaltet. Es kann ab sofort über die Website der Gedenkstättenstiftung unter www.stiftung-bg.de/totenbuch aufgerufen werden. Neben den Namen der Opfer werden Geburtsdatum und -ort, Sterbedatum und Häftlingsnummer angegeben. Das Online-Totenbuch bietet darüber hinaus eine Suchfunktion, Informationen zu den Sterbeorten, bei denen es sich vor allem um Außenlager des KZ Sachsenhausen handelt, sowie zu den benutzen Quellen.
Kulturstaatssekretär Gorholt erklärte in seinem Grußwort, wie wichtig die historisch-politische Bildung der Gedenkstättenstiftung ist: „Das Land Brandenburg hat immer wieder deutlich gemacht, dass Staat und Gesellschaft gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und der SED-Diktatur eine Verpflichtung haben, sich der Vergangenheit zu stellen, so auch in seinem Konzept zur zeitgeschichtlichen Erinnerungskultur. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann insbesondere junge Menschen motivieren, sich als mündige Bürger eigenverantwortlich in unser Gemeinwesen einzubringen. Ich wünsche sehr, dass das Digitale Totenbuch als neue Quelle zur Geschichte des KZ Sachsenhausen intensiv und weltweit genutzt wird, und dass es gelingen wird, bisher unbekannte Opfer des Konzentrationslagers Sachsenhausen zu ermitteln.“
Stiftungsdirektor Günter Morsch: „Nach reiflicher Überlegung und in enger Abstimmung mit dem Internationalen Sachsenhausen Komitee haben wir uns entschlossen, dieses Totenbuch mit den Namen der von uns identifizierten Opfer im Internet zu veröffentlichen. Damit können Angehörige und Forscher diese in jahrelanger akribischer Kleinarbeit entstandene bedeutende Quelle zur Geschichte des KZ Sachsenhausen weltweit nutzen. Wir verbinden mit der Veröffentlichung nicht zuletzt auch die Hoffnung, dass wir mit Unterstützung von Angehörigen, aber auch von Lesern des Totenbuches, weiteren Opfern des KZ Sachsenhausen ihren Namen zurückgeben zu können.“
Jonny Valentin: „Ich finde es ganz großartig und bewegend, dass die Namen von so vielen Kameraden, deren Asche namenlos verscharrt wurde, dem Vergessen entrissen werden konnten und überall auf der Welt verfügbar sind. Ganz abgesehen davon, dass an Internet damals noch nicht zu denken war, hätten wir uns das niemals träumen lassen. Gleichzeitig stimmt es mich traurig, dass es der SS gelungen ist, viele Häftlinge nicht nur zu ermorden, sondern alle Spuren auszulöschen, so dass ihnen ein ehrendes Gedenken im Totenbuch verwehrt bleibt. Insofern freue ich mich, dass die Mitarbeiter der Gedenkstätte auch weiterhin alles tun wollen, um weitere Namen zu ermitteln.“
Im April 2008, erst 63 Jahre nach der Befreiung der Häftlinge des KZ Sachsenhausen, konnte die Gedenkstätte ein Verzeichnis mit den Namen von mehr als 20.000 Opfern des „Konzentrationslagers bei der Reichshauptstadt“ vorlegen. Das in geringer Auflage gedruckte Totenbuch wurde den Vertretern des Internationalen Sachsenhausen Komitees aus zahlreichen Ländern im Rahmen der Veranstaltungen zum Jahrestag der Befreiung feierlich übergeben. Seit 2008 konnte das Totenbuch vor allem dank der Hilfe der internationalen Häftlingsverbände um etwa 1.400 Namen ergänzt werden.
Das Totenbuch beruht im Wesentlichen auf der Auswertung der überlieferten SS-Dokumente aus der Kommandantur des KZ Sachsenhausen. Die wenigen Akten, die nach der systematischen Verbrennung durch die SS übrig geblieben waren, wurden nach der Befreiung von der Roten Armee beschlagnahmt und nach Moskau verbracht. Erst in den letzten Jahren sind sie auf hunderten CDs als digitale Kopien aus dem Archiv des Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation, aber auch aus zahlreichen anderen, über die ganze Welt verstreuten Sammlungen (z.B. Yad Vashem, Public Records Office Washington), in das Archiv der Gedenkstätte gelangt. Weitere Quellen konnten seit Dezember 2007 im Rahmen einer Kooperation mit dem Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen (ITS) einbezogen werden.
Die im Totenbuch aufgeführten nahezu 22.000 Namen von Häftlingen, die zwischen 1936 und 1945 infolge von gezielten Mordaktionen, von Misshandlungen, oder aufgrund katastrophaler Arbeits- und Lebensbedingungen starben, repräsentieren nur einen Teil aller Opfer des KZ Sachsenhausen. Viele tausende von Namen fehlen und die allermeisten, so ist zu befürchten, werden sich niemals ermitteln lassen. Um ihre Verbrechen zu vertuschen, fertigte die SS über viele ihrer Opfer keine Aufzeichnungen an oder vernichtete ihre Unterlagen anschließend. Das gilt etwa für die große Mehrheit der über 13.000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die zwischen September und November 1941 ermordet wurden, sowie für die gleichfalls tausenden von Opfern der Krankenmordaktionen kurz vor der Befreiung. Auch die Namen der vielen als angebliche „Plünderer“ in den Jahren 1943 – 45 ermordeten Zwangsarbeiter oder der auf den Todesmärschen erschossenen oder an Entkräftung verstorbenen Häftlinge sind wohl kaum noch zu ermitteln.
Dem Online-Totenbuch sind Geleitworte des früheren und des amtierenden Präsidenten des Internationalen Sachsenhausen Komitees, Pierre Gouffaults und Roger Bordages, sowie ein Vorwort von Stiftungsdirektor Günter Morsch vorangestellt.
Quelle: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur