Es gibt Dinge, die scheuen manche Menschen mehr, als der Teufel das Weihwasser. Treten diese Dinge an die Öffentlichkeit, dann herrscht sogar bei Frauen in einem ganz normalen provinziellen Frisörladen stundenlang eine verbale und haptische Aufregung, mit Erregungskurven, Gesichtsfarben und Atemstößen von orgiastischen Dimensionen.
Was war passiert.
Im allgemeinen Gemurmle über das Wetter, das Wochenende, die Kinder, die Enkel und den Florian Silbereisen, ging die Hintergrundmusik des regionalen Bedudlers der Nichtmehrwegzugsfähigen Babyboomer in den Ritualen waschen, legen, färben, fönen, fast unter. Wer zuerst aufhörte zu erzählen und in eine Art Zuhörerstarre viel, konnte man nicht nachvollziehen, aber die Art und Weise war elektrisierend und hat unverzüglich dazu geführt, dass eine Meldung im Radio für alle hörbar wurde, weil alle neben den Gesprächen auch gleichzeitig ihre Arbeit einstellten. Da der Lautsprecher optisch als Schallquelle nicht zu erkennen war, gab es keine konkrete gemeinsame Blickrichtung Alle lauschten innehaltend und scheinbar ins Nichts blickend der sonoren Stimme eines für die Anwesenden unsichtbaren Sprechers.
Es gab aus dem Radio die Information, dass sich der Brandenburger Landtag mit der Neufassung des Sorbengesetzes beschäftigt und dass die Vertreter der Stadt es ablehnen, ihre Stadt als Teil des Sorbisches Siedlungsgebietes definieren zu lassen, geschweige denn selbst auf die Idee dazu kämen. Die dann folgende kollektive Entladung der Erregung, dass sich gegenseitige versichern der Richtigkeit der städtischen Sichtweise, die in dieser Situation sowieso keiner, am wenigsten ich, sich getraut hätte zu bezweifeln, der Sturm der Entrüstung über die Verschwendung von kommunalen Mitteln und was das alles heute überhaupt noch für eine Rolle spielt, die dann folgte, um all das müssen die Vertreter der Stadt aus einem Selbsterhaltungstrieb schon intuitiv gewusst haben.
Als ich den Frisör verließ waren die kühle frische Luft und die Stille wohltuend und zu Hause googelte ich und las, dass in dieser Stadt „um 1800 die sorbischen Gottesdienste als Folge der von den Landesherren betriebenen Germanisierungspolitik abgeschafft wurden…“. Man gab sich also damals schon sehr städterisch, modern und konsequent deutsch.
Der antislawischer Rassismus lässt sich beamtendeutsch durchaus auch als „Germanisierungspolitik“ neutral und vor beiderseits schmerzfrei umschreiben. Immer wieder wird gern als Entschuldigung angeführt, dass hinter den ethnischen Säuberungen durchaus ein öffentliches Interesse und ein legitimierendes Staatswesen standen. Der hier in der Stadt vollzogene antislawische Rassismus nun, der war gründlich und bis heute beiderseitig nachhaltig. Dessen höchste und edelste Form, ist die beiderseitige Selbstverleugnung, je anders gewesen zu sein.
Doch eines irritiert mich. Die gleiche Stadt rühmt sich unermüdlich der Erinnerung an 15 Jahre Wirken eines 1763 in Dresden verstorbenen sächsischen Ministers, der woanders gewohnt hat (dessen illustre Biografie hier nicht Gegenstand der Betrachtung sein soll). Mögen sein Reste nun in seiner neuen polierten Gruft in der örtlichen Stadtkirche ruhen.
Etwa tausend Jahre sorbisches Siedlungsgebiet und 23 Jahre Karriere eines Politikers und bis heute zwei grundverschiedene Ansätze der Identitätsstiftung und der Integration in die Stadt- und Kirchengeschichte. Nach dem einen wird jedes Fragment untersucht, jeder Verbindung nachgeforscht, jedes Zeichen seiner Verschwendung vor- und ausgestellt, sein Wirken für die Stadt bis heute gewürdigt. Und die Sorben und Wenden???
Germanisierung war erfolgreich….willkommen in der „SNBZ“, einer durch Stadt- und Kirchenvertreter, von „Sorbischer Nationalität befreiten Zone“. Für diesen Erfolg ein Denkmal, damit endlich Ruhe einkehrt!!!!
Der Lutk