250 Gramm Senfgurken 2,80 Euro; eine Kahnfahrt durch den Hochwald, je nach Dauer 8 bis 15 Euro. Hefeplinse pro Stück 1,70; Zierkürbisse 0,80 bis 6 Euro; Schmalzstullen 1,50; Pott Kaffee 1,80 – in Lübbenau wird am Wochenende richtig Geld gemacht.
Neugierigen und hungrigen Touristen aus halb Europa saugen clevere Händler und Fährleute rasant Scheine und Münzen aus Handtaschen und Krokodillederbörsen: flott, professionell.
Viele Einheimische scheinen als Kinder nicht mit der Kartoffelhacke sondern mit ‘nem Kaufmannsladen aufgewachsen zu sein. Die Waren-Geldgeschäfte auf dem Markt und im Hafen flutschen …. wenn die Qualität oft nicht stimmt: was soll’s – geneppt wird auch an der Ostsee oder in den Tiroler Alpen; ganz zu schweigen davon, was man in Polen oder in Italien erlebt.
Touristen zahlen nun mal überall die “Deppen-Gebühr” ,…. brauchste nicht zu heulen: wer schlau ist, guckt sich einfach ein paar Tricks ab und balbiert mit.
“In Lübbenau kannste das große Geld machen” ….als meine Freundin Bärbel das im Herbst 2009 bei einer Geburtstagsfeier verkündete, meldete ich deutliche Zweifel an …”wie denn?”
Wir hatten beide gut dotierte Jobs im hiesigen Rathaus: 4 Wochen bezahlten Urlaub, 13.-tes Gehalt, Weihnachtsprämie, Treuebonus, Rentenbeteiligung vom Arbeitgeber …
Bärbel nippte an ihrem Longdrink, “ganz einfach: italienische Klamotten, regionale Kunst, Yak – Wolle aus Tibet ….und Ostereier!”
“Du spinnst ja” – “komm” , ich zog Harald zur Tanzfläche.
6 Monate später:
… gab es die Möglichkeit 60.000 Euro Abfindung zu kassieren, wenn man im Rathaus kündigte.
Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach, dachte ich und war mächtig erstaunt, als Bärbel sich für die Taube entschied.
“Ciao, bel Ami”, flötete sie, “wir hören voneinander”. Ich ging weiter jeden Tag ins Büro und ärgerte mich über die Gewerkschaft – gerade mal 4,5% Lohnerhöhung hatten die für uns rausgeschlagen ; …. wie soll ich denn damit unsere
Kreuzfahrt nach Südamerika bezahlen? … haben die ‘ne Ahnung, wie die Preise angezogen sind, in der Luxus-Class?
Banausen! immer nur Sprüche kloppen … zweimal habe ich in der Mittagspause mit demonstriert, Trillerpfeife im Mund, Schild hoch gehalten: 7,5 % (Ausrufezeichen ) – nicht mehr und nicht weniger, Herr Bürgermeister …
ich heb’ doch meinen Hintern nicht für umsonst morgens aus dem Bette …. wo kommen wir denn dahin?
In der Zwischenzeit etablierte sich Bärbel in Lübbenau, dem Spreewald – Amsterdam. Einem Fährmann, der es nicht mehr aus dem Kreuz schaffte, kaufte sie seinen frisch geteerten Kahn ab, dann besorgte sie sich auf einer Ranch nahe Lieberose drei Alpakas, für feine Wolle, sie besuchte im Heimatmuseum diverse Kurse, wie man Eier “original sorbisch” bekritzelt, verätzt, mit Strohapplikationen verziert und verpflichtete die Töpferwerkstatt im Behindertenheim rot geflammte Krüge, Trinkbecher und Obstschalen anzufertigen.
Bärbel, die sich in der Nähe des Hafens ein “Atelier” gemietet hatte, lief jetzt nur noch in derben Stricksachen herum und nannte sich Wotschowskaja – Barbara.
Als ich sie am Wochenende besuchte, rief sie “29” … “was 29?” fragte ich, “du bist doch 43″ ….”Quatschliese, 29 bemalte Eier habe ich heute schon verkauft, das Stück für 8 Euro und Micha schippert heute schon die dritte Tour durch den Kürbiswald, jedesmal 260 Mäuse”.
“Sag mal, Schätzchen, willste nich bei mir anfangen? … die Affäre mit dem Ordnungsdezernenten ist doch vorbei, oder was hält dich noch im Rathaus”?