… am Wochenende soll es regnen, noch merkt man nichts davon; die Wolken ziehen unschlüssig dahin, seltsam zerfasert, als hätten sie Scheu voreinander.
Laura Harmsen hat eine alte Postkarte gefunden: “ich bin nonstop mit Clyde unterwegs, den ich in Dallas kennengelernt habe, während mein Ex-Mann Roy im Gefängnis saß.
Dann wurde auch Clyde eingesperrt, aber ich half ihm beim Ausbruch, indem ich eine Waffe ins Gefängnis geschmuggelt habe.
machmal brauchen Männer eben Frauen ….sie wissen es oft bloß nicht!”
Brauchst du mich? – frage ich Alex, während wir von der Slawenburg quer durch den ehemaligen Tagebau nach Lübbenau fahren. Er lächelt: du kannst Fragen stellen.
Keine Antwort, denke ich, noch mal zu fragen, verbietet mir mein Stolz.
Wie isses, wärst du bereit einen Revolver in den Knast zu schmuggeln, wispert eine innere Stimme?
Die aufgeschüttete Landschaft ings um die Grube ist vollständig begrünt, aber schon abgeblüht.
Von der Weite geht etwas Hoheitsvolles aus.
Räder surren, wir strampeln um die Wette, genießen die Abfahrten und keuchen, wenn es bergauf geht.
Die Stimmung ist hier vom Himmelsbild abhängig; tristes Wetter, legt sich auf’s Gemüt, schafft Verdrießlichkeit.
Halt! Alex springt vom Rad – gleich neben der Teerstraße ist eine kleine Lichtung in den kümmerliche Kiefernbestand geschlagen: ein roh behauener Holztisch, eine Bank ohne Lehne, ein doppelsackgroßer Findling aus dem Tagebau auf dem metallene Buchstaben verkünden: hier stand unser Dorf .
Unter dem Ortsnamen sind die Jahreszahlen 1503 – 1987 eingraviert.
Unter Tränen werden die hier den ungeliebten Bodenschatz verwünscht haben.
Wir in der Stadt fluchten, wenn der Strom wieder mal ausfiel und haben auf die faulen Säcke in der Braunkohle geschimpft, die soviel verdienten und noch mit Deputat bei Laune gehalten wurden.
Nichts bleibt, wie es war … wie haben die hier gelebt, gedarbt auf dem kargen Sande, denke ich und folge Alex, dessen Silhouette sich auf dem nächsten Berg abhebt …
Postkarte: “…ständig sind wir auf der Flucht, in der Presse schreiben sie, wir seien rücksichtlose Mörder … das Leben auf der Straße ist anstrengend, besonders, da ich seit einiger Zeit nicht mehr richtig gehen kann, weil wir einmal mit dem Auto in einen Fluss gestürzt sind …ich habe das Gefühl, dass es mit unserer Reise bald vorbei ist.
Und mit uns auch …”
Ich folge Alex, dessen Silhouette sich auf dem nächsten Berg abhebt …
natürlich würde ich ihm eine Waffe in den Knast schmuggeln, ich liebe ihn doch!