Klappe. Der Regisseur hebt den Daumen, an der Kamera blinkt rot ein Licht – Aufnahme.
Ich schlendere, geschminkt, Hände tief in den Manteltaschen vergraben, schräg über die Straße, zum Fischgeschäft; kratziger Mantel, zu weite Hosen, rötlich, abgewetzte Lederschuhe, Schiebermütze…
Die Ladentür knarrt: glatzköpfig schiebt sich Krause ins Freie, um den Bauch eine blutverschmierte Kunstlederschürze gegürtet – er mimt den Fischhändler Winkler, der 68 in Ostberlin, am Boxhagener-Platz, einen kleinen Laden hat, in dem auch Bier verkauft wird.
Wat willst’n? der Dicke blinzelt mich hinter dicken Brillengläser an ….. ich frage, wie vereinbart, nach grünen Heringen ……hab ick nich‘, morjen vielleicht – Makrelen kannste kriejen … ich schüttle den Kopf, trotte weg, denke: nich’ mal Heringe hatten die unter Ulbricht .
Klappe … die Szene wird für den Schnitt mehrmals wiederholt, dann bin ich entlassen; die anderen drehen weiter bis in die Nacht .
Mir werden 60 Euro ausgezahlt, weil ich eine „Sprechrolle hatte, Krause, wird am Set gemunkelt, kriegt 5ooo – pro Drehtag.
Aber nett is‘ er, der Horst, sind sie fast alle….trotzdem wird der Fischhändler später ermordet und der Film geht so weiter:
… dem 12 – jährigen Enkel Holger fällt auf, dass sein bettlägeriger Opa mit offenen Augen ins Leere starrt, er fragt leise : „ was hatta denn „ ? Seine Oma Otti schaut kurz rüber und schnauzt: „ Nischt hatta ! Dodd is’a „!
….sie schließt dem Toten geübt die Augen, überlegt kurz, sagt dann
schroff: der muss noch ‘ne Weile liegen bleiben …. heute ist der Erste, ick muss noch den seine Rente abheben …
später wird der Hausarzt , ein versoffener Pathologe, gerufen; er betrachtet den Leblosen, dessen Gesichtszüge langsam die Farbe von Elfenbein annehmen … hier: Otti schenkt Schnaps aus, den Guten, den für besondere Anlässe ….
erster Doppelter … zweiter Doppelter; auch Holger darf mal nippen – der Arzt reicht den Totenschein rüber – was soll’s! – war bereits Otti’s fünfter Mann,Tränen bleiben da aus.
Beileid ! …. der Hausarzt salutiert mit zwei Fingern an die Schläfe, geht.
Zwei Tage später singt auf dem Friedhof ein Frauenchor mit zittriger Stimme : „ Wo wir uns fiinden ….Wohl unter Liinden …..Zur Aabendzeit …..“
Ich stromer noch immer am Set rum: besorge Pizza, Bockwürschte, Getränke, Handtücher …führe Krause seinen Hund aus, schleppe Kamerakabel, Lichtkoffer, überbring Regieanweisungen … mache mich unentbehrlich.
Viele große Schauspieler haben als Wasserträger angefangen: Rolf Hoppe musste jahrelang im Zirkus Pferdeäppel wegfegen, bis er entdeckt wurde.
Was hat der für Rollen hingelegt : Herrmann Göring, August der Starke, Beethoven, die ganzen Indianer – Bösewichte ….
Ja, ne richtige Sprechrolle das wär’s!
Vielleicht setzt sich Krause für mich ein: ich führ schon wieder seinen Köter aus, hab‘ vorhin sogar die Geranien vor seinem Wohnwagen gegossen, harre weiterer Anweisungen …
Berlin 68, auch ohne Heringe – Sommer kann so schön sein.