… liebe Sophie, danke für Ihren bezaubernden Brief und die mitgesandten Bücher, nun habe ich spannende Lektüre. Vor allem haben es mir natürlich die Gedichte angetan, wie schön die illustriert sind .. danke, danke!
Manchmal versuche ich es ja selbst mit der – lachen Sie bitte nicht – Schriftstellerei; wenn durch Freude oder Leid das Herz überquillt, greift die Hand ganz allein zum Stift, aber es fehlt der Mut das jemanden zu zeigen.
Vielleicht darf ich Ihnen ein paar Arbeiten zukommen lassen .. ?
Wie ist es Ihnen seit unserer letzten Begegnung ergangen, haben sich alle Wünsche erfüllt?
Mein Unterbewusstsein reagiert in der Hinsicht sehr langsam; wahrscheinlich sind da nur Schwerhörige und Faulpelze auf der Bank, keine eifrigen Dienstboten, wie bei Ihnen ….
Sie haben recht, wir kümmern uns zu wenig um Menschen, die verletzt wurden, schlagen die Augen nieder, hasten stumm vorbei, in der Hoffnung nicht angesprochen zu werden.
Feige halten wir uns raus, wollen nicht anecken; ich beziehe das ausdrücklich auch auf mich.
Manchmal wünsche ich mir einen reinigenden Sturm, der alles Böse hinwegfegt, durch die Luft wirbelt, wie ein Kind sein zerbrochenes Spielzeug fortwirft.
Naiv nicht wahr? Ich weiß, die Wirklichkeit sieht anders aus …
Die Moskaureise war schön: erinneren Sie sich noch, als wir abends auf der “BulgakowBank” einem völlig irrationalen Gespräch lauschten ….als der “Ausländer” sagte: ja, der Mensch ist sterblich, was ja nicht so schlimm wäre, nur, dass er bisweilen sehr plötzlich stirbt, da liege doch der Hase im Pfeffer ….während sein Gegenüber der Literaturkritiker Berlioz entgegnete: na, das ist doch übertrieben, er, Berlioz, wisse genau, wie der kommende Abend verlaufen würde, falls ihm nicht in einer Gasse ein Ziegelstein auf den Kopf fällt.
Worauf ihn der “Ausländer” nachdrücklich unterbrach, mit den Worten: von nichts und wieder nichts fällt keinem ein Ziegelstein auf dem Kopf. Insbesondere Ihnen nicht, das kann ich Ihnen versichern. Sie werden eines anderen Todes sterben. Wie sich dann Berlioz ironisch erkundigte: vielleicht wissen Sie ja sogar welchen Todes, könne Sie es mir sagen?
Und wie der “Ausländer” ihn musterte und sagte: Gern! und dann laut und freudig erklärte: Ihnen wird der Kopf vom Rumpf getrennt.
Sophie, wissen Sie noch, wie wir den Atem anhielten, unseren Ohren nicht trauten, als der schreckliche Dialog dem Finale zuging… als Berlioz mit aufgerissenen Augen den dreisten Menschen anstarrte und mit schiefen Grinsen fragte: wer wird denn das tun? Feinde? Interventen? Nein antwortete dieser: eine russische Frau, eine Komsomolzin, sie heißt Annuschka und das Ganze kommt zustande, weil sie Sonnenblumenöl gekauft und die Flasche nicht richtig verschlossen hat …
Puh, Gänsehaut! …… alles traf später genauso ein! Berlioz wurde von der Tram überfahren, weil er in einer Sonnenblumenölpfütze ausgerutscht war – rums Kopf ab; die Fahrerin erlitt einen Schock, musste psychatrisch behandelt werden – wie sich herausstellte war sie die älteste Tochter der Witwe Praskowja Fjodorowna; die jeden Abend betete, dass sich bald Bräutigame einstellen würden, denn die Wohnung war doch sehr eng bemessen, für Annuschka, Olga, Mascha und sich selbst …
Ein Blick aus dem Fenster – der Wind nimmt zu. Erste Tropfen fallen, na klar, der Umschwung war angekündigt.
Ich krame im Plattenschrank, Melanie : “Ruby Tuesday”: auf dem Cover steht, dass sie ihre Karriere strömenden Regen zu verdanken hat, weil die Jungs von irgendeiner Vorband sich weigerten, auf die glitschige Bühne zu gehen.
Melanie taten die durchnässten Hippies leid, die ohne Schutz auf der blanken Wiese, in Regenpfützen ausharrten, um Jefferson Airplane und Jimi Hendrix zu hören.
Sie versaute sich ihre Gitarre bei “Birthday of the Sun” und “Moonlight”, aber dieser Auftritt machte sie weltberühmt ….
Übrigens, liebe Sophie, meine Tochter hat es geschafft: nach … zig Abbrüchen, Rückfällen … sie besuchte mich gestern : eine hübsche, junge Frau, mit ausgeprägten Gerechtigkeitssinn; besonders Gestrauchelten, Benachteiligten gegenüber. Ganz stolz erzählte sie, dass ihr Freund ihr zum Geburtstag einen Hasen geschenkt hat; einen mit lange weißen Ohren, der mit den Hinterläufen durch die ganze Wohnung rutscht.
Ich bin sehr glücklich!
Man muss eben wollen, aber das wissen Sie ja selbst …
alles Gute, ich freue mich auf Post!
Ihre Rosa