…. ich bin Unterstufen-Lehrerin und registriere voll Schrecken, wie viele Bekannte in meiner unmittelbaren Umgebung an Krebs erkrankt sind und wie unterschiedlich sie damit umgehen.
… kurz vor den Osterferien erhielt Kathrin (Kunst , Englisch ) ihren Befund, der sie völlig aushebelte und beinahe das Theaterprojekt der Schule platzen ließ. Aber Kathrin kämpft : trotz Behandlung kommt sie uns 2-3 mal in der Woche besuchen, mit weißen Handschuhen, einer Kurzhaar-Perrücke oder nur mit buntem Tuch. Die Chemos verträgt sie gut. Sie will gebraucht werden, die Zeit vergehen lassen, mit anderen schwatzen und lachen.
Wenn die Kinder sagen “Nicht Frau S., du hast Krebs” dann lächelt sie und sagt “ja das stimmt”. Laut Schulamt soll sie nicht kommen, weil sie nicht versichert ist, aber ich denke, es ist ihre persönliche Therapie.
Durch ihr Verhalten verscheucht sie auch das Grauen, das einen beim Hören des Wortes ergreift. Von Mitleid will sie gar nichts wissen.
Früher hat man zu so einer Frau Vorbild gesagt.
Vorstellbar ist, dass dieses – sich zur Wehr setzen – sowie das Schreiben darüber, vielen Betroffenen hilft .
Ich selbst bin am Ende froh, dass ich fürs Medizinstudium nicht angenommen wurde.
Irgendwie werden alle Ärzte kaltblütig. Wie kommen sie mit ihren Gewissen ins Reine, wenn sie akute Probleme auf die lange Bank schieben?
Ich erlebte beim Orthopäden, dass Menschen, die sich kaum auf den Beinen halten konnten, abgewiesen wurden, um erst mal zum Hausarzt zu gehen und eine Überweisung mit dem Zusatz “akut” zu holen.
Haben die nicht alle mal geschworen, für die Hilfsbedürftigen da zu sein?
Heute Abend ist Klassenausflug, Leseabend am Lagerfeuer. Haben die Kinder der Vierten selbst organisiert, auch die Eltern sind mit eingeladen: eine tolle Idee !
Sie werde bestimmt wieder der Exot sein, schmunzelt Kathrin und bedankt sich für das neue Tuch; ich hake mich bei ihr ein, bis in die Haarspitzen stolz , diesen wertvollen Menschen, als Freundin zu haben …