Frau P aus dem Nachbareingang hat zum Geburtstag ein Klavier geschenkt bekommen. Leider hat das Geld wohl nicht mehr für die Musikschule gereicht, denn sie versucht sich nun autodidaktisch das Spielen beizubringen. Wie man sich vorstellen kann: das nervt.
Immer und immer wieder übt sie die gleichen Akkorde, klimpert sich von Dur zu Moll. Pling, plong irren die Töne durchs Zimmer, durchdringen mühelos die dünnen Wände und lösen anhaltende Kopfschmerzen bei den Nachbarn aus.
Was zu sagen traut sich keiner: der Mann von Frau P. Ist ein hohes Tier bei der Wasserwirtschaft.
Wenn der schlecht gelaunt ist, dreht der uns den Hahn zu, befürchtet zum Beispiel die Gemüsehändlerin aus dem dritten Stock.
Viele Nachbarn – außer dem schwerhörige Siggi – haben sich inzwischen mit Ohrstöpseln eingedeckt, sonst ist es kein Aushalten.
Man munkelt, dass wir bald ‘ne Mieterhöhung kriegen sollen, wegen der kostenlosen Beschallung.
Andere spekulieren, dass die uns in die Klapse bringen wollen, damit die Wohnungen frei werden.
Mich kriegt ihr nicht in die “Geschlossene”, nach Lübben, mich nicht!
Mir fällt ein Spruch von Lenin ein: “Dtscho djelatsch”, übersetzt, “was tun”?
Als wir Weihnachten “Jurassic-Park” guckten, kam mir die Lösung.
Ein Freund hatte mir eine CD mit Dinosauriergebrüll geschenkt; erst war ich verwundert, nun aber dankbar.
“Dtscho djelatsch”, ich hatte die Antwort gefunden.
Sobald Klimper-Elli die ersten Akkorde anschlägt, drücke ich auf die Play-Taste.
24 Viecher habe ich zur Auswahl: vom zarten Mauzen bis zum Wutgeheul des T- Rex.
Die Nachbarn werden mich hoffentlich verstehen.
Pst!
Elli will loslegen: blättert wahrscheinlich voller Vorfreude in den Noten und überlegt, mit welchen Klassikern sie uns heute beglücken kann …
Wenn man sich überlegt: vor 100 Millionen Jahre bevölkerten die Dinosaurier die Erde, Klavierspieler gab’s da noch nicht.
Heute ist es genau umgekehrt: verdrehte Welt, oder?
Ich höre durch die Wand, dass der Klavierdeckel hoch geklappt wird: Freunde, es geht los.
Willkommen zum Doppelkonzert! Chopin vs. Brachiosaurus, Brahms vs. T.-Rex, Beethoven vs ? ……
Ich habe das nicht gewollt, aber alles kann man sich auch nicht gefallen lassen.
Manchmal beneide ich den Siggi, wie der so dasitzt, nichts mehr mitkriegt und in die Runde grinst …
Oder lacht der uns aus? Vielleicht hört der besser als wir und ist heimlich in die P. verknallt ? In dem Haus ist alles möglich. Ich werde aufpassen … irgendwann verrät sich jeder.
“Is’ was”? “Nöh, Siggi, nüscht —.