Mit Sören Pest gelang es, die seit einiger Zeit vakante Chefarzt-Stelle in der Psychiatrie im Krankenhaus Finsterwalde (Landkreis Elbe-Elster) wieder zu besetzen. Sein Start Anfang April war von den Beschränkungen der Corona-Pandemie geprägt. Im Interview erzählt der 52-Jährige seine Beweggründe vom Städtischen Krankenhaus Eisenhüttenstadt ins Elbe-Elster Klinikum zu wechseln.
Extern geführtes Interview
Herr Pest, Ihr Start im Elbe-Elster Klinikum fiel genau in die Hochphase der Corona-Pandemie. Wie haben Sie ihn empfunden?
Chefarzt Pest: Eine psychiatrische Klinik ist auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit externen Partnern angewiesen. Als neuer Chefarzt ist man deshalb natürlich bestrebt, sich möglichst schnell Institutionen, Behörden, Trägern psychosozialer Hilfen, niedergelassenen Ärzten oder auch anderen Kliniken persönlich vorzustellen. Das war aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen nicht möglich. Ich hoffe, dies bald nachholen zu können. Innerhalb des Elbe-Elster Klinikums sind mir besonders die Freundlichkeit und der Vertrauensvorschuss aufgefallen, mit denen ich von den Mitarbeitern in der Klinik empfangen wurde. Mein Eindruck ist, dass alle Mitarbeiter in der Psychiatrie sehr motiviert sind sowie mit Spaß und Engagement ihrer Arbeit nachgehen. Ohne sie wäre diese schwere Arbeit nicht zu schaffen.
Sie wechselten im Jahr 2018 nach Eisenhüttenstadt und nun nach Finsterwalde. Verraten Sie uns Ihre Beweggründe?
Chefarzt Pest: In beiden Krankenhäusern bot sich mir die dankbare Chance, mich weiter zu entwickeln. Diese wollte ich nutzen. Als Chefarzt hat man die Möglichkeit, mehr Verantwortung zu übernehmen und einen größeren Gestaltungsspielraum zu haben, um eigene Ideen einzubringen. Hinzu kommen jetzt in Finsterwalde auch äußerliche Gründe, wie die für mich gute Erreichbarkeit der Klinik, denn mit meiner Frau wohne ich im Landkreis Dahme-Spreewald.
Wie sieht ihr bisheriger Werdegang aus? Sie haben lange Zeit in Berlin gelebt.
Chefarzt Pest: Genau, ich komme ursprünglich aus Niedersachsen und habe in Kiel und Berlin Medizin studiert. Mein Weg ging von der Pathologie an der Charité über ein Aufbaustudium Gesundheitswissenschaften/Public Health hin zum Bereich Wissenschaft und Forschung an der Technischen Universität Berlin. Später bin ich dann sozusagen „quer“ in das Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie eingestiegen. Begleitend zu meiner Facharztausbildung am Vivantes Klinikum Kaulsdorf habe ich eine grundlegende Ausbildung zum Psychoanalytiker am Institut für Psychotherapie ebenfalls in Berlin absolviert. Am Vivantes Klinikum Kaulsdorf war ich dann einige Jahre als Facharzt und später als Oberarzt tätig, bevor ich als Leitender Oberarzt an das Städtische Krankenhaus Eisenhüttenstadt wechselte.
Was sind Ihre fachlichen Schwerpunkte? Worauf möchten Sie im Elbe-Elster Klinikum besonderen Wert legen?
Chefarzt Pest: Meine persönlichen fachlichen Schwerpunkte liegen im Bereich der Allgemein-Psychiatrie. Zum einen interessieren mich die Psychosen und schwere affektive Erkrankungen, also die mit Stimmungswechseln wie Depressionen einhergehen, zum anderen beschäftige ich mich schon lange mit den sogenannten Persönlichkeitsstörungen. Psychische Erkrankungen sind insgesamt recht häufig und kommen vielgestaltig daher. Letztlich scheint es so zu sein, dass kein Mensch vor der Möglichkeit gefeit ist, eine seelische Krise oder eine psychische Erkrankung irgendwann mal zu entwickeln. Auch können sich Menschen nicht einfach entscheiden, diese Erkrankungen nicht mehr zu haben oder können sich nicht „einfach zusammenreißen“.
Wie ist Ihr Behandlungsansatz für psychische Erkrankungen?
Chefarzt Pest: Als Psychoanalytiker habe ich naturgemäß ein besonderes Interesse an psychotherapeutischen Verfahren, die heutzutage sehr viel leisten können und ohne die die moderne Psychiatrie nicht mehr auskommt. Andererseits ist jede Patientin, jeder Patient ein Individuum mit seiner eigenen Geschichte, seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen, die es zu respektieren und verstehen gilt. Als Vertreter der sogenannten „sprechenden Medizin“ halte ich es für essentiell wichtig, in der psychiatrischen Versorgung medikamentöse oder andere somatische Therapieverfahren und insbesondere psychotherapeutische sowie sozialpsychiatrische Therapieansätze gleichermaßen und gleichberechtigt anbieten zu können. Besserung oder Linderung von psychischen Erkrankungen kann jedoch nur ohne Zwang in einer angst- und gewaltfreien Atmosphäre und in einer verlässlichen therapeutischen Beziehung wirklich gelingen, in der Patientinnen und Patienten Vertrauen aufbauen, sich öffnen und ihre Probleme mitteilen können. Daher werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, diesen Idealen näher zu kommen.
Eine psychische Erkrankung gilt in der Öffentlichkeit oft noch als Tabuthema. Wie geht es den Betroffenen dabei?
Chefarzt Pest: Betroffene leiden in der Regel sehr unter diesen Erkrankungen, die meist auch lange dauern, manchmal sogar lebenslang, und nicht vorbeigehen wie ein Schnupfen. Auch schämen sich viele Betroffene für ihre Erkrankung, nicht zuletzt auch, weil im Umfeld und allgemein in der Gesellschaft oft noch ein großes Unwissen und Unverständnis über die Natur dieser Erkrankungen herrscht. Hinzu kommt, dass Betroffene, die in der Psychiatrie behandelt werden, oft noch mit Stigmatisierungen zu kämpfen haben. Dies hat sich erst in den letzten Jahren etwas gebessert, wie das Beispiel der Depression zeigt.
Sie zeigten sich sofort von der Psychiatrischen Station in Finsterwalde und der Psychiatrischen Tagesklinik in Elsterwerda begeistert. Warum?
Chefarzt Pest: Mir gefällt besonders gut, dass die psychiatrische Klinik in Finsterwalde einen großen begrünten und bepflanzten Außenbereich und offenen Innenhof hat, den unsere Patientinnen und Patienten nutzen können, was therapeutisch ein Gewinn ist. Ebenso ist die innere Aufteilung der Stationen durch offene Flure und Kommunikationsecken aufgelockert. Die Klinik wirkt dadurch sehr hell, was zum Wohlfühlen beitragen kann. Begeistert war ich außerdem von der Tagesklinik in Elsterwerda, die ich räumlich und baulich gelungen finde. Dort wirkt alles sehr hell, freundlich und großzügig, was gute Grundlagen für therapeutisches Arbeiten schafft.
Eine letzte Frage zum Schluss: Was macht der Chefarzt, wenn er etwas Freizeit hat?
Chefarzt Pest: Ich bin viel mit meiner Frau und unseren Hunden im südöstlichen Brandenburg unterwegs und liebe die Landschaft, die Natur, die Wälder und die Seen. Als junger Mensch zog es mich aus einem eher ländlichen Gebiet in die Großstadt. Inzwischen finde ich Großstädte zu laut, zu hektisch und leider oft zu dreckig. Außerdem lese ich gern und viel. Wenn dann noch Zeit bleibt, spiele ich ein bisschen Gitarre oder betreibe Radsport.
Foto: Sören Pest, neuer Chefarzt der Psychiatrie im Krankenhaus Finsterwalde (Foto: EEK/ Die Piktografen).