Die sorbische Dichterin Róža Domašcyna aus Bautzen eröffnete am 4. September eine neue Lesereihe unter dem Titel „Póchad: Łužyca – Herkunft: Lausitz“ im Lübbener Neuhaus. Sie las aus ihren Lyrik-Bänden, darunter aus dem aktuellen Band „stimmen aus der unterbühne“.
Weiter teilte die Stadt Lübben (Spreewald)
Die Lesereihe soll im Zuge der Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes für das Lübbener Neuhaus einen ersten inhaltlichen Anknüpfungspunkt setzen. Das Thema Herkunft ist für die Lausitz seit jeher von großer Bedeutung. Im Drei-Länder-Eck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien gelegen und durch dessen Mehrsprachigkeit (Polnisch, Tschechisch, Deutsch sowie Sorbisch/Wendisch) geprägt, war die Region über Jahrhunderte in Europa ein Zwischenland in wechselnden politischen Abhängigkeiten.
Wie definieren Menschen in so einem Raum den Begriff „Herkunft“? Sind sie Lausitzer? Brandenburger? Sachsen? Sorben? Wenden? Deutsche? Europäer? Was verbindet sie, was trennt sie? Welche Grenzerfahrungen prägen die Lausitz? Welche Grenzen überschreiten die Menschen anderswo? Bei der Beantwortung solcher Fragen ist es nicht nur hilfreich, in das Innerste dieser Region zu horchen, sondern Grenzerfahrungen von anderen Orten dieser Welt kennenzulernen, nachzuempfinden und zu diskutieren.
Für vier Lesungen im Herbst 2020 wurden Autoren eingeladen, die für die Lausitz im Besonderen und für andere Regionen im Allgemeinen stehen. Sie lesen Texte, die sowohl räumliche, zeitliche als auch persönliche Grenzüberschreitungen und kulturelle Vielfalt thematisieren. Am 30. Oktober liest Michal Hvorecký (Bratislava) aus seinem Roman „Troll. Osteuropa in naher Zukunft“. Igal Avidan (Israel/Berlin) liest am 20. November aus seinem Buch „Mod Helmy. Wie ein arabischer Arzt in Berlin Juden vor der Gestapo rettete“, und am 4. Dezember ist Robert Prosser (Alpbach/Tirol) mit seinem Roman „Gemma Habibi. Ein fulminantes Porträt der Jetztzeit“ zu Gast. Es moderiert der Kultur- und Osteuropajournalist Mirko Schwanitz. Beginn ist jeweils um 19 Uhr, der Eintritt kostet 5 Euro.
Die Lesereihe wird gefördert im Rahmen von „Und seitab liegt die Stadt“ – einem Projekt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (Förderprogramm „Kultur in ländlichen Räumen“) und des Literarischen Colloquiums Berlin sowie vom Landkreis Dahme-Spreewald. Sie ist eines von bundesweit 36 Projekten, die von einer Jury aus 172 Veranstaltungsideen zum Thema „Herkunft“ ausgewählt wurden.
HINTERGRUND: Róža Domašcyna
Die sorbische Dichterin Róža Domašcyna ist eine Wandlerin zwischen den Sprachwelten – dem Sorbischen und dem Deutschen. Genauer gesagt dem Obersorbischen und dem Deutschen. Denn Deutschlands größte Minderheit, die Sorben in der Lausitz, sprechen zwei sich stark voneinander unterscheidende Sprachen: Das Obersorbische ist dem Tschechischen verwandt, das Niedersorbische eher dem Polnischen.
Róža Domašcyna wäre die ideale Bewohnerin des poetischen Zwischenraums der Zweisprachigkeit. Seit fast vier Jahrzehnten pendelt sie schreibend zwischen Mutter- und Vatersprache. Mehr als 15 Gedichtbände sowohl in Deutsch als auch in Obersorbisch hat sie veröffentlicht. Längst zählt sie zu den wichtigen Lyrikerinnen Deutschlands und ist doch vielen noch immer eine Unbekannte. Elf Literaturpreise hat sie bisher erhalten, darunter den Anna-Seghers-Preis und 2018 den Sächsischen Staatspreis für Kultur.
Presseinfo/ Red.
Foto: Sorbische Dichterin Róža Domašcyna ©Dirk Skiba