Kulturministerin Martina Münch hat heute in Potsdam gemeinsam mit dem Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Günter Morsch sowie dem Berliner Architekten und Stadtplaner Martin Bennis die Pläne zur Erweiterung des Gedenk- und Erinnerungsortes Jamlitz-Lieberose auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers Lieberose (Landkreis Dahme-Spreewald) vorgestellt. Eine neunköpfige Jury hat das Projekt der Arbeitsgemeinschaft Architekt Martin Bennis aus Berlin und Weidner Händle Atelier aus Stuttgart aus insgesamt fünf eingereichten Anträgen einstimmig ausgewählt. Das Kulturministerium hat den Wettbewerb mit 10.000 Euro finanziert und wird den Aufbau des neuen Gedenkortes mit 70.000 Euro fördern.
Kulturministerin Martina Münch: „In dem Außenlager Jamlitz des KZ Sachsenhausen mussten bis zu 10.0000 Häftlinge, in der Mehrzahl Juden, unter mörderischen Bedingungen Zwangsarbeit leisten, unzählige starben aufgrund der Haftbedingungen oder wurden ermordet. Mit der Erweiterung des Gedenk- und Erinnerungsortes Jamlitz-Lieberose geben wir ein klares Bekenntnis ab, dass dieser Ort, an dem Tausende von Häftlingen während der NS-Herrschaft litten und starben, eine herausgehobene Bedeutung in der Erinnerungskultur des Landes hat. Sie ist auch eine Reaktion auf die Anschläge im vergangenen Jahr. Wir machen damit deutlich, dass solche Attacken keinen Erfolg haben werden: Dieser Erinnerungsort bleibt und wird erweitert“, so Münch. „Die Gedenkstätten im Land Brandenburg sind wichtige Bestandteile der zeitgeschichtlichen Erinnerungskultur des Landes und der historisch-politischen Aufarbeitung und Bildung für nachfolgende Generationen. Hier wird man konkret und unmittelbar an individuelle Schicksale und unzähliges Leid erinnert und kann sich kritisch mit den fürchterlichen Auswirkungen des Nationalsozialismus auseinandersetzen. Gerade junge Menschen sollen für die Mechanismen eines Unrechtssystems sensibilisiert werden – und damit auch für die Notwendigkeit, rassistischen und antisemitischen Stimmungen bereits früh entschlossen entgegenzutreten und sich engagiert für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und Freiheit einzusetzen.“
Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten: „Den Entwurf zeichnet aus, dass er die nach 1945 vollständig überformte Topographie des Lagers teilweise wieder sichtbar macht. Wir wünschen uns, dass bei der Ausführungsplanung der so genannte Schonungsblock als Tatort des Massakers von Anfang Februar 1945 stärker akzentuiert wird. Damit der neue Gedenkort und die bestehende Ausstellung ein Ganzes werden, muss die angestrebte Erweiterung der Ausstellung, die beide Elemente verbindet, zügig folgen.“
Martin Bennis, Berliner Architekt und Stadtplaner: „Der künftige Gedenkort ist der topographischen Markierung einer historischen Lagerbaracke zugeordnet und wird mit einem Steg an die bestehende Open-Air-Ausstellung angeschlossen. Der Gedenkort ist als Endpunkt einer Abfolge von Ausstellungsstegen geplant.“
Im Mittelpunkt des Sieger-Entwurfs steht die Sichtbarmachung der Topographie des ehemaligen Lagers. Im Rahmen der Errichtung des zukünftigen Gedenkortes soll zunächst der Standort der nördlichen Baracke durch einen 1 Meter breiten befestigten Streifen sichtbar gemacht werden. Perspektivisch sollen weitere Barackenstandorte visualisiert werden. Nach und nach soll so die historische Lagerstruktur im Kontext der heutigen Siedlungsstruktur und des vorhandenen Baumbestands sichtbar gemacht werden. Wesentlicher Teil des Gedenkorts sind schmale Ausstellungselemente mit Zitaten von Zeitzeugen, die entlang der Einfassung der ehemaligen Baracke aufgestellt werden. Nördlich des ersten sichtbar gemachten Barackenstandortes wird eine Fläche von 110 Quadratmetern für Gedenkveranstaltungen befestigt. Vom Gedenkort führt ein Steg in nordwestlicher Richtung zur vorhandenen Ausstellung, an dem neue Ausstellungstafeln errichtet werden sollen.
Nach den Anschlägen im vergangenen Jahr hatten das Kulturministerium, die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, der Zentralrat der Juden, die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, die Evangelische Kirchengemeinde Lieberose und Land sowie das Amt Lieberose beschlossen, die bereits geplante Erweiterung der bestehenden Dokumentations- und Gedenkstätte Jamlitz-Lieberose als Reaktion auf die Anschläge zu forcieren. Damals wurden bei drei Anschlägen im Mai und Juli 2016 Informationstafeln der Freiluftausstellung mit Informationen über den Holocaust und die Geschichte des KZ-Außenlagers beschädigt und zerstört. Das Kulturministerium hat die Wiederherrichtung mit mehr als 14.000 Euro unterstützt.
Das Außenlager Lieberose des KZ Sachsenhausen in Jamlitz wurde 1943 während des Aufbaus des SS-Truppenübungsplatzes „Kurmark“ errichtet. Die rund 6.000 bis 10.0000 Häftlinge, die hier bis zur Auflösung des Lagers Anfang Februar 1945 unter mörderischen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten, waren überwiegend Juden. Arbeitsunfähige wurden nach Auschwitz deportiert. Bei der Auflösung des Lagers Anfang Februar 1945 wurden 1.342 kranke und marschunfähige Häftlinge von der SS erschossen. Rund 1.500 Häftlinge trieb die SS auf einen etwa 200 Kilometer langen Todesmarsch in das Hauptlager Sachsenhausen, in dessen Verlauf weitere Häftlinge umkamen oder erschossen wurden. Nach der Ankunft im Hauptlager selektierte die SS erneut hunderte Häftlinge und ermordete sie.
In Jamlitz, wo sich das Lager einst befand, gibt es seit 2003 eine Dokumentationsstätte mit einer Freiluftausstellung zum früheren Konzentrationslager sowie zum 1945 vom sowjetischen Geheimdienst NKWD eingerichteten Speziallager Nr. 6 Jamlitz, in dem bis 1947 mehr als 10.000 Personen inhaftiert waren. Im Jahr 2009 wurde ein jüdischer Friedhof für die Opfer des KZ-Außenlagers Lieberose in der benachbarten Gemeinde Schenkendöbern (Landkreis Spree-Neiße) eingeweiht. In der ehemaligen Kiesgrube bei Schenkendöbern waren in den 1950er und 1970er Jahren die sterblichen Überreste von insgesamt rund 600 Opfern des KZ-Außenlagers Lieberose gefunden worden. Weitere Opfer der beiden Lager in Jamlitz liegen in der Gedenkstätte Waldfriedhof unweit des früheren Bahnhofs Jamlitz.
Landesweit gibt es mehr als 70 Gedenkstätten, Erinnerungsorte und Museen, die sich mit zeitgeschichtlichen Ereignissen beschäftigen. Das reicht von den großen Gedenkstätten in Sachsenhausen und Ravensbrück zur Erinnerung an Repression und Unterdrückung im Nationalsozialismus über Orte der Erinnerung an jüdisches Leben in Brandenburg wie die Mikwe in Schwedt und den jüdischen Friedhof in Zehdenick sowie Schauplätze im Kontext des Zweiten Weltkrieges in Halbe und den Seelower Höhen bis zu der Gedenkstätte Lindenstraße in Potsdam, dem Menschenrechtszentrum in Cottbus, dem Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt und den Mauer-Stelen in Potsdam. Die Landesregierung unterstützt die Arbeit der brandenburgischen Gedenkstätten in diesem Jahr mit mehr als vier Millionen Euro.