Die Dokumentations- und Gedenkstätte Jamlitz-Lieberose, die an das ehemalige KZ-Außenlager an diesem Ort erinnert, wurde in den vergangenen Tagen geschändet: Auf mehreren Informationstafeln wurden antisemitische Schriftzüge aufgebracht. Anwohnerinnen und Anwohner informierten den Leiter der Gedenkstätte Dr. Andreas Weigelt, der im Auftrag der Kirchengemeinde Lieberose und Land eine Strafanzeige erstattete. Im Zuge erster polizeilicher Ermittlungen wurden zudem weitere Schriftzüge an einer nahegelegenen Bushaltestelle festgestellt. Gestern teilte die Polizei mit, dass drei Tatverdächtige ermittelt wurden, denen eine gemeinschädliche Sachbeschädigung an den Stelen der Gedenkstätte in Jamlitz zur Last gelegt wird. Gegen die beiden Männer im Alter von jeweils 20 Jahren und die Frau im Alter von 18 Jahren wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zudem werden Ermittlungen wegen des Verdachtes der Volksverhetzung aufgenommen.
10.000 Häftlinge leisteten Zwangsarbeit
Bei der Trägerschaft der Gedenkstätte arbeiten die EKBO, das Amt Lieberose und die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in Abstimmung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland zusammen. Das Land stellt für die Gedenkstätte in diesem Jahr 25.000 Euro bereit. Durch bürgerschaftliches Engagement und ehrenamtliche Arbeit besonders der Evangelischen Kirchengemeinde Lieberose ist an dem Ort eine wichtige pädagogische Erinnerungs- und interreligiöse Gedenkarbeit gewachsen.
Im ‘Arbeitslager Lieberose‘ mussten von 1943 bis 1945 rund 10.000 KZ-Häftlinge Zwangsarbeit leisten. Das Außenlager des KZ Sachsenhausen wurde im Laufe des Jahres 1944 zum größten Lager mit jüdischen Häftlingen auf dem Gebiet des Deutschen Reichs. Vom 2. bis zum 4. Februar 1945, unmittelbar vor der Räumung des Lagers, ermordete die SS 1.342 Häftlinge in den Krankenbaracken des KZ-Außenlagers Lieberose. Von den schätzungsweise 6.000 bis 10.000 als Juden verfolgten Häftlingen aus zwölf europäischen Ländern, vor allem aus Polen und Ungarn, überlebten weniger als 400 ehemalige Gefangene.
Die DDR errichtete eine vom historischen Ort entfernte Mahn- und Gedenkstätte, wo der vornehmlich jüdischen Opfer als ‘Antifaschisten‘ gedacht wurde. Die nach der deutschen Einheit errichtete Freiluftausstellung am historischen Ort des KZ-Außenlagers Jamlitz wurde 2018 um einen Gedenkort am authentischen Tatort, den Fundamenten der Krankenbaracken, ergänzt. Im vergangenen Jahr wurde die Freiluftausstellung entlang eines Steges, der die Verbindung zum Gedenkort schafft, um Biografien der Ermordeten erweitert.
Reaktionen
Kulturministerin Dr. Manja Schüle: „Der Erinnerungsort in Jamlitz ist nicht nur eine Gedenkstätte, er ist auch ein Ort, an dem jüdisches Blut vergossen wurde. Hier sind 1945 mehr als 1.000 jüdische Häftlinge brutal ermordet worden. Der Anschlag ist damit nicht nur ein Angriff auf die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen. Er ist eine Schändung dieses besonderen Ortes. Ich danke der Polizei, dass sie die mutmaßlichen Täter schnell ermitteln konnte. Ganz besonders danke ich den Menschen vor Ort, die den Anschlag gemeldet haben und freiwillig mitgeholfen haben, diese Schmierereien wieder zu entfernen. Das macht deutlich: Die Jamlitzerinnen und Jamlitzer stellen sich gegen rechtsextreme Umtriebe und zeigen Mut und Herz. Sie stehen für Hoffnung und Versöhnung.“
Dr. Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, verurteilte den Anschlag: „Wir sind entsetzt über die abermalige Schändung dieses bedeutenden Tatortes der Schoa in Deutschland, wo die SS in einem zweitägigen Massaker im Februar 1945 mehr als 1.300 KZ-Häftlinge ermordete. Vor allem aber danken wir der Polizei für ihre professionelle und effiziente Arbeit und gratulieren zu dem Ermittlungserfolg, der deutlich macht, dass jede Form von Antisemitismus unnachgiebig verfolgt und geahndet wird. Die Tat zeigt aber auch, wie wichtig diese Gedenkstätte und ihre historisch-politische Bildungsarbeit sind, die wir in Zukunft durch die Integrationen der Gedenkstätte in unsere Stiftung weiter verstärken wollen.“
Marion Gardei, Antisemitismusbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO): „Es ist eine Schande, dass antisemitische Schmierereien in unserem Land wieder an der Tagesordnung sind. Trotzdem und gerade deshalb: Unsere Erinnerungsarbeit an diesem Ort wird weitergehen und gestärkt werden. Wir werden die Geschichte der durch die Nazis unschuldig Verfolgten nicht überschreiben lassen, sondern die Erinnerung an die ermordeten Jüdinnen und Juden für alle Zeiten wachhalten.“
Foto: J.-H. Janßen, CC BY-SA 3.0