In Cottbus fanden am Samstagnachmittag zwei Veranstaltungen in unmittelbarer örtlicher Nähe aber inhaltlich eher weit voneinander entfernt statt. Auf dem Stadthallenvorplatz versammelten sich knapp 1.000 Zuhörer beim AfD-Wahlkampfauftakt für die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Im Puschkinpark hatte ein Bündnis ein Bürgerfest vorbereitet, das für eine weltoffene Stadt stehen sollte. Während bei der AfD-Veranstaltung viele männliche und auch ältere Gäste das Bild auf dem Stadthallenvorplatz prägten, war das Publikum im Puschkinpark im Durchschnitt jünger und gemischter. Zum Wahlkampfauftakt gekommen waren unter anderem die Spitzenkandidaten für die drei Landtagswahlen: Andreas Kalbitz für Brandenburg, Jörg Urban für Sachsen und Björn Höcke für Thüringen. Nach den innerparteilichen Streiterein um “Flügel”- Frontmann Björn Höcke, versuchte Bundesparteivorstand Jörg Meuthen Einigkeit in Cottbus zu demonstrieren. Zu einem Aufeinandertreffen der beiden Hauptakteure ist es aber nicht gekommen. Neben vereinzelten Landesthemen prägten vor allem wieder die bekannten AfD-Schwerpunkte die Reden.
Fotos von beiden Veranstaltungen gibt es in der Bildergalerie.
Alle Redner bemühten sich, ihre politische Gegner mit den bekannten Themen ins Visier zu nehmen. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel über die sogenannten Altparteien, die Flüchtlingspolitik und Seenotretter bis zur Energie- und Europoapolitik. Kritik gab es viel zu hören, viel Neues aber eben auch nicht. Stattdessen demonstrierte Jörg Meuthen Einigkeit in der Partei: “Wir lassen uns nicht spalten”, sagte der Bundessprecher. Jedoch reiste er noch vor Björn Höckes Auftritt, der verspätet ankam, ab. Der schärfste innerparteiliche Gegner und Vertreter des “Flügels” strebt laut weiteren Medienberichten nach dem Parteivorsitz, was bei Erfolg die Partei weiter in die rechte Richtung treiben dürfte.
Vom Moderator wurde Andreas Kalbitz bereits schmunzelt als neuer Ministerpräsident von Brandenburg angekündigt. Dafür müsste die AfD gegebenenfalls einen Regierungspartner finden. Nach bisherigen Aussagen der meisten Brandenburger Parteien dürfte dies allerdings schwierig werden. Trotzdem macht Kalbitz klar, dass seine Partei bereit ist, zu regieren. Für entsprechende Lösungskonzepte verweist er auf das Wahlprogramm. Einige Landesthemen wie die Zukunft der Lausitz, das Versagen am BER oder die Familienpolitik wurden in seiner Rede angerissen. So ist Kalbitz gegen einen Kohleausstieg und fordert einen Zukunftsplan für die Lausitz. Auch die Flüchtlingspolitik spielt in gewohnter Weise eine ausschlaggebende Rolle. Neben der Forderung von Sachleistungen statt Geldleistungen für Flüchtlinge wurde auch der Ruf nach zentralen Abschiebungen durch das Land laut. Weil das bereits Landkreise und die kreisfreien Städte selbst forderten, hatte das Innenministerium im Juni bekanntgegeben, dass dies nun auch so geschieht.
Bei Höckes verspäteten Auftritt versammelte sich an der Haltestelle Stadtpromenade auch eine Gruppe junger Demonstranten, die “Nazis raus” riefen, die AfD Anhänger reagierten wütend mit “Verschwindet!” und “Was habt ihr schon geleistet?”. In der Antwort wiesen die Demonstranten darauf hin, dass sie das Geld für die Renten der älteren Generationen erwirtschaften werden. Höcke selbst ging in seiner Rede nicht auf die innerparteiliche Diskussion um seine Person ein. Genau wie seine Vorredner thematisierte auch er anfangs die Anwesenheit der Verfassungsschutzmitarbeiter in die Inszenierung seiner Rede. Höhnisch übergab er eine von ihm signierte Sektflasche an das Publikum mit der Bitte, diese dem Brandenburger Innenminister zukommen zu lassen und auf das Wohl der AfD anzustoßen. In der weiteren Folge arbeitete auch Höcke sich an den bekannten AfD-Themenfeldern ab. Und so kritisierte er die in seinen Augen drei großen “Ideologieprojekte” Deutschlands. Dazu zählen demnach die Politik der Eurorettung, der Energiewende und der Einwanderung. Immer wieder erntete er dafür Jubel, Applaus und “Höcke”-Sprechchöre, begleitet von wehenden Deutschlandfahnen. Empörende verbale Ausfälle blieben aus. Insgesamt war es ein Heimspiel für Höcke und seine ostdeutschen Mitstreiter. Neben Partei-Infoständen, Getränkewagen und einer Hüpfburg gab es zudem einen Stand, an dem die “Junge Alternative” T-Shirts mit Gaulandaufdruck und den Schriftzügen “#Jagen” sowie “Merkel Jagd Club” verkaufte.
Wie es nun um die Einigkeit in der Partei steht, bleibt abzuwarten. Auch wenn Jörg Meuthen von ihr sprach, die fehlende Geste beider Hauptakteure und auch das Schweigen von Höcke zu diesem Thema lässt das Spannungsfeld offen.
Wenige Meter weiter im Pushkinpark hatte ein Bündnis kurzfristig eine Gegenveranstaltung organisiert. Dort gaben verschiedene Künstler auf einer Bühne ihre Musik zum Besten, davor hatten sich mehrere Vereine und Parteien versammelt, unter dem Motto “AppellvonCottbus” und “Platzverweis für Höcke”. Dem Bürgerfest mit Kinderspielmöglichkeiten folgten ebenfalls einige hundert Menschen, die mit dem Nachmittag die Botschaft aussenden wollten, dass Cottbus eine weltoffene und tolerante Stadt ist. Unter den Besuchern waren Vertreter der Stadtverwaltung, der BTU Cottbus-Senftenberg, des CTK, des Staatstheaters und weiteren.
Laut Polizei verliefen sowohl die Kundgebung der AFD als Auftaktveranstaltung bezüglich der Landtagswahlen sowie das Bürgerfest unter dem Thema „Platzverweis für Höcke“ friedlich
In Brandenburg und Sachsen finden die Landtagswahlen am 1. September 2019 statt, in Thüringen wird am 27. Oktober gewählt. Laut aktuellen Umfragen liegt die AfD in Brandenburg zwischen 19 und 21 Prozent. Damit liefert sich die Partei ein Kopf-an Kopf-Rennen um die stärkste Kraft im Land.
red