Seit Monaten kämpft Philipp Gärtner für den Erhalt des Szeneclubs Scandale in Cottbus. Nach dem kürzlich erfolgten und abschließenden Urteil des Verwaltungsgerichts heißt es nun: Auszug bis zum 30. Juni 2019. Ein neuer Ort scheint gefunden, aber es gibt noch wichtige formale Voraussetzungen zu erledigen. So müssen unter anderem die Genehmigung als Vergnügungsstätte und Umbaukosten geklärt werden. Am 23. März fand ein Bürgergespräch im Club statt, heute wurden insgesamt 29 Fragen von drei Fagestellern zum Club in der Stadtverordnetenversammlung behandelt.
Angesprochen für das Bürgergespräch waren Anwohner und Interessierte. Gekommen waren cirka 20 Personen, vorrangig aus der Kultur und der Kommunalpolitik sowie einige Anwohner*innen. Philipp Gärtner: „Mein Wunsch war, mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Leider waren wenig Leute da, die konkrete Beschwerden haben. Um so mehr habe ich mich gefreut, dass ein Anwohner über konkrete Probleme reden wollte.“ Auch die Anfragesteller der heutigen Stadtverordnetenversammlung waren nicht vor Ort. In den Anfragen wurden viele Fragen zum Urteil des Verwaltungsgerichts gestellt, das eigentlich öffentlich einsehbar ist (hier das konkrete Urteil). Darüber hinaus wurden Behauptungen zu Sachbeschädigungen an Autos und Hauswänden sowie “unerträglichem” Lärm aufgestellt, die die Stadtverwaltung beantworten sollte. Alle Bürgerfragen zum nachlesen: Anfrage1, Anfrage2, Anfrage3
Frau Tzschoppe, Bürgermeisterin der Stadt Cottbus und Vorsitzende des Geschäftsbereiches Stadtentwicklung und Bauen, beantwortete die Fragen: “Die Karl-Liebknecht-Straße 20 ist als Schank- und Speisewirtschaft mit Kleinkunstveranstaltungen genehmigt worden, wenn die Nutzung gleichbleibt, dann ist keine Änderung nötig. Das Scandale jedoch benötigte durch Veranstaltungen mit Freizeitgestaltung eine neue Genehmigung. Der Betreiber hat 2018 ein Lärmschutzgutachten übergeben, um den nötigen Antrag zu bearbeiten. Das Gutachten belegt Überschreitungen im Außenbereich, aber nicht durch den Innenbereich (z.B. durch zu laute Musik, wie eine Bürgerfeststellung behauptete). Die Zeltgenehmigungen im Außenbereich und die Außennutzung sind nicht genehmigt worden und man ist in den entsprechenden Verfahren. Das Bauordnungsamt weiß von zwei Beschwerden zum Scandale. In den Beschwerden geht es aber um sogenannten Soziallärm, also das Hin- und Wegkommen vom Club. Ebenfalls gibt es Kenntnis über Beschädigungen, das sind aber gegebenenfalls strafrechtliche Handlungen von Personen und nicht durch Nutzungen des Gebäudes als Club ausgehend und diesem dementsprechend nicht zuzurechnen. Der 30.06.2019 wurde als Schließpunkt durch das Gericht bestätigt. Wenn keine anderen Sachverhalte bis dahin vorliegen, muss der Club auch geschlossen werden. Bisher ist im aufzustellenden B-Plan für das nördliche Bahnhofsumfeld keine Vergnügungsstätte vorgesehen.” Auch die Frage nach der Kenntnis über den Polizeieinsatzes wegen Lärm, bis auf den in den Bürgerfragen genannten Einsatz in den Morgenstunden des 05.08.2018, beantwortete sie mit ja, betonte aber gleichzeitig, dass es der bisher einizge war. An dem Tag fand eine Elektromusikveranstaltung im Scandale statt.
Jürgen Siewert, Stadtverordneter für “Unser Cottbus/FDP” bemerkte nach der Beantwortung noch: “Die Fragesteller waren nicht beim Bürgergespräch im Scandale, man hätte sich gewünscht, dass dort miteinander geredet worden wäre, nicht jetzt übereinander.”
Im Bürgergespräch am 23.03.2019 wurden die Beschreibungen der nächtlichen Ruhestörungen durch einen anwesenden Herrn (keiner der Fragesteller zur Stadtverordnetenversammlung) zum Aufhänger eines angeregten und produktiven Austausches, der auch über dessen konkrete Fragen hinaus ging. Sein Hauptproblem bestand ursächlich in der An- und Abfahrt von Autos der Clubgänger und den damit verbundenen lauten Gesprächen zwischen 3 und 4 Uhr nachts. Ein Problem, das in der Form bisher nicht bekannt war und wohl mit der Schließung eines „wilden“ Parkplatzes in der Nähe zusammenhängt. Im Verlauf des Gespräches kamen sich die Parteien hier näher. Die Wichtigkeit der Existenz eines Clubs wie dem Scandale betonte der Anwohner jedoch deutlich. Auch Philipp Gärtner wird nun seinerseits und im Rahmen seiner Möglichkeiten darauf einwirken, dass Gäste zumindestens in diesem Punkt sensibilisiert werden.
Gunnar Kurth fasst das Treffen so zusammen: „Diese Runde hat deutlich gemacht, dass das direkte Gespräch wichtig ist und etwas bewegen kann. Wir sollten das fortsetzen und zu einem weiteren gemeinsamen Gespräch einladen. Das „Scandale“ braucht einen anderen Standort, Herr Gärtner, seine Partner und die Stadt arbeiten dafür. Gemeinsam mit den Anwohner*innen sollte ausgelotet werden, wie ein Kompromiss für eine Übergangszeit aussehen kann. Insgesamt will ich noch einmal betonen, dass es Konsens über die Parteingrenzen hinaus ist, kulturelles Leben in Cottbus zu unterstützen und zu fördern.“ Derweil geht Philipp Gärtner noch weiter in die Offensive. In den nächsten Tagen wird er die Scandale-Telefonnummer in die Briefkästen der Anwohner*innen verteilen. So können diese bei Störungen direkt anrufen und die Musik wird leiser gedreht. Versprochen!
Hintergrund: Der Club Scandale in der Karl-Liebknecht-Straße sollte am 26.11.2018 schließen, denn für die Nutzung als Vergnügungsstätte gab es laut Bauordnung keine Genehmigung, lediglich eine Duldung. Die Situation verschärfte sich durch Lärmbelästigungsklagen von Anwohner*innen seit etwa zwei Jahren. Gegen die drohende Schließung wehrte sich der Betreiber, unter anderem mit einer Onlinepetition die über 3.000 Stimmen einbrachte. Das Scandale beauftragte ein Lärmgutachten und einen Architekten, der einen Umbauplan erstellte und das bestätigte, das keine Überschreitungen vorliegen. Dennoch sollte die Nutzung eingestellt werden, die Stadt blieb dabei. Nach Einspruch des Betreibers erfolgte Mitte März das abschließende Urteil des Verwaltungsgerichts. Der Club muss zum 30. Juni schließen. Doch die Suche nach einem geeigneten Ort läuft noch und ist bisher ergebnisoffen. Der Unternehmer und Scandale-Betreiber Philipp Gärtner müsste aus aktueller Sicht Angestellte entlassen und Cottbus hätte auf unbestimmte Zeit einen von der Cottbuser Jugend und Junggebliebenen äußerst gut angenommenen Club weniger.