Am gestrigen Dienstag haben vor dem Schulamt in Cottbus etwa 150 Personen unter dem Motto “Vielfalt statt Einfalt – Schule ohne Diskriminierung” demonstriert. Unter den Teilnehmern waren auch Schüler, Eltern und Lehrer. Zwei Lehrer, die mit ihrem Brandbrief aus der Grund- und Oberschule Burg (Landkreis Spree-Neiße) die Thematik “Rechtsextremismus und Diskriminierung” an die Öffentlichkeit gebracht und damit viel Diskussion ausgelöst haben, redeten öffentlich. Ebenso trat auch der Leiter des Schulamts Cottbus, Uwe Mäder, an das Mikro, um seine Unterstützung zuzusichern. Niederlausitz aktuell hat die Beiträge als Videos veröffentlicht. Währenddessen hat die Aufarbeitung der Vorfälle an der Schule in Burg begonnen. Zuvor äußerte sich auch der Burger Amtsdirektor Tobias Hentschel. “Die Zeugenvernehmungen laufen, und ich kann nur appellieren, besonnen zu bleiben, die Untersuchungsergebnisse abzuwarten und von Verallgemeinerungen und pauschalen Vorwürfen abzusehen […] Vom Schüler mit Migrationshintergrund bis zu Kindern aus problematischen Elternhäusern, alle haben eine Chance verdient, ohne Ansehen der Person, ohne Vorurteile und Diskriminierung einen Schulabschluss zu erhalten”, so Hentschel unter anderem in seiner Erklärung. Mehr dazu im Videotalk ->> Hier klicken
Burg ist kein Einzelfall?
Alex Kulik vom organisierenden Netzwerk “Mehr Demokratie an Schulen” zeigte sich hoch zufrieden: “Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern haben heute gezeigt: Wir haben ein generelles Problem mit Rassismus, mit Rechtsextremismus, mit Homophobie an unseren Schulen. Wir brauchen kein kurzfristiges Stückwerk, keine Einzelfallrhetorik, sondern der Staat muss beweisen, dass er handlungsfähig ist und dass er gewillt ist, rechte Strukturen in Schulen und darüber hinaus entschieden zu bekämpfen.”
Auf der Demo wurde in vielen Gesprächen und Redebeiträgen deutlich, Burg ist kein Einzelfall in Südbrandenburg, es ist eher ein strukturelles Problem in Südbrandenburg.
Zahlreiche Vertreter und Vertreterinnen unterschiedlicher an Schulen aktiver Gruppen ergriffen vor dem Schulamt das Wort. Eine Schülerin aus Spremberg berichtete: “Auch unsere Schule hat mit den Problemen zu kämpfen, die nahezu jede Schule kennt. In der Schülerschaft, aber auch in der Lehrerschaft fehlt das Bewusstsein dafür, dass Hass und Diskriminierung keine Meinungen sind, die man frei äußern sollte. Und dass diese keinen Platz im Schulalltag haben sollten.”
Max Teske, Lehrer und Mitverfasser des Briefs, sprach nachdem das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport versichert hatte, dass ihnen keinerlei dienstrechtliche Konsequenzen drohen, zum ersten Mal öffentlich und sagte: “Wir fordern das Schulamt auf, nachhaltig zu handeln. Es muss sichergestellt sein, dass Schulen ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen haben, um präventive Maßnahmen gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie umzusetzen und im Fall von Vorfällen schnell und angemessen zu reagieren.”
Tom vom Verein CSD Cottbus, schilderte eindrücklich, wie queere Menschen unter Homo- und Transphobie an Schulen leiden. “Für Betroffene ergeben sich Lernschwierigkeiten, psychische Erkrankungen und Depressionen. Die Suizidrate von queeren Menschen ist weitaus höher als zum Rest der Gesellschaft. Es gibt kaum Beratungsangebote und Treffpunkte für queere Menschen in der Region, sodass sie mit ihren Problemen oft allein sind.”
Professorin Heike Radvan von der BTU stellte das Hantieren von Politik und Behörden mit dem Begriff Extremismus in Frage: „Der Extremismusbegriff konstruiert zwei Gruppen, links- und rechtsextreme und setzt diese gleich. Das Problem besteht darin, dass damit Demokratiegefährdung als ein Problem gesellschaftlicher Ränder erscheint. Die extreme Rechte ist ein Problem, das in der Mitte der Gesellschaft entsteht.”
Das Netzwerk übergab dem Leiter des Schulamtes Uwe Marder seine Forderungen schriftlich. Dieser nahm daraufhin das Angebot der Organisator*innen, auf der Kundgebung zu sprechen, an und betonte: “Auch wir haben das Ziel einer Schule ohne Rassismus, ohne Homophobie, ohne Sexismus. Dafür werden wir alles tun und die Forderungen mit all unseren Mitteln unterstützen.”
“Das ist ein wichtiges Zeichen”, betonte Alex Kulik für das Netzwerk “Mehr Demokratie an Schulen”, “allen, die hier im Haus, in den Schulen und der Politik Verantwortung tragen, reichen wir die Hand. Gemeinsam sind wir stark und gemeinsam können wir für eine demokratische, antirassistische und vielfältige Schule sorgen. Klar ist aber auch: Wir werden nicht lockerlassen und die Politik an ihren Worten messen.”
Bildungsministerium: Aufarbeitung in Burg hat begonnen
Das Brandenburger Bildungsministerium äußerte sich am 8.5. zu den Vorfällen und teilte in einer Mitteilung mit: “Die Prüfung und Aufarbeitung der Vorfälle mit verfassungsfeindlichen Symbolen und Äußerungen an der Grund- und Oberschule Burg (Landkreis Spree-Neiße) hat begonnen und wird in den kommenden Wochen weiter fortgesetzt. Daran beteiligen sich aktiv die Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler. Das Staatliche Schulamt Cottbus, das erst durch die öffentliche Berichterstattung auf die Situation aufmerksam gemacht wurde, begleitet als untere Schulaufsicht diesen Prozess der Klärung.
Die zuständigen Schulrätinnen und Schulräte haben in den vergangenen Tagen intensive Gespräche mit allen Beteiligten über die bekannt gemachten Vorwürfe geführt. In den Gesprächen wurde bestätigt, dass es Vorfälle mit verfassungsfeindlichen Symbolen und Äußerungen gegeben hat. Gegenüber den Schülerinnen und Schülern ist mit pädagogischen Maßnahmen reagiert worden. Geklärt werden muss nach wie vor, ob die Kommunikation im Kollegium mit der notwendigen Transparenz stattgefunden hat.
Alle an Schule Beteiligten in Burg sind derzeit sensibilisiert und zeigten in den Gesprächen eine klare Positionierung zu demokratischen Werten. Das bedeutet insbesondere die Bereitschaft, sich offensiv mit Gefährdungen auseinanderzusetzen und klare Haltung bei rechtsextremen Vorfällen zu zeigen. Die Lehrkräfte und die Schulleitung wollen dies künftig konsequent umsetzen.
Über einen einheitlichen und offenen Umgang mit extremistischen und menschenfeindlichen Äußerungen soll sich das Kollegium – auch mit Hilfe eines Coachings – besser verständigen. Die Schule wird die Auseinandersetzung mit extremistischem Gedankengut bei einzelnen Schülerinnen und Schülern aufgrund der aktuellen Kritik noch intensivieren. Begleitet wird sie dabei durch den Schulberater der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA Brandenburg). Er wird zudem gemeinsam mit den Beteiligten geeignete und gewünschte Angebote zur Demokratiebildung weiterentwickeln.
Die Grund- und Oberschule Burg führt seit vielen Jahren Projekte für Toleranz, Vielfalt und ein demokratisches Miteinander durch. Dazu zählen Besuche der Gedenkstätten Auschwitz und Jamlitz, das Projekt „Gelebte Demokratie“ mit Besuchen im Kreistag Spree-Neiße und im Bundestag, die Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung „Fremde in Brandenburg“ oder Projekte zu demokratischen Werten, zum Nationalsozialismus sowie über Respekt und Toleranz.
Das Bildungsministerium nimmt Kritik ernst. Ein offener und konstruktiver Dialog über den Umgang ist vor allem möglich, wenn der öffentliche Druck auf Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler aus der Verborgenheit der Anonymität nicht weiter forciert wird. Daher lädt das Bildungsministerium alle Interessierte zu dem schon in der vergangenen Woche angekündigten Fachgespräch zum Umgang mit Gewalt und Extremismus an Schulen ein.
Klar ist: Das Bildungsministerium duldet kein extremistisches Gedankengut und keine Gewalt an Schulen in Brandenburg. Die im Rundschreiben 09/21 „Hinsehen – Handeln – Helfen“ vom 22. Juni 2021 beschriebenen Regeln sind allen in Schulen Beschäftigten bekannt. Alle Beteiligten sollen für ein angst- und gewaltfreies Schulklima Sorge tragen. Erst wenn Vorfälle den staatlichen Schulämtern bekannt werden, haben sie die Möglichkeit bei der Aufarbeitung des gemeinsamen Umgangs mit Extremismusvorfällen zu unterstützen.”
Reaktionen
Amtsdirektor des Amtes Burg (Spreewald), Tobias Hentschel: “Mit großer Sorge schaue ich auf die aktuellen Schilderungen und die weiterhin intensiven medialen Darstellungen, die ohne Zweifel dem Ruf unseres Schulstandortes und des Kurortes Burg (Spreewald)/Bórkowy (Błota) schaden. Es hat sich gezeigt, dass der anonyme Lehrerbrief aus unserer Schule kommt. Warum der Brief auch zum Schutz unserer Schutzbefohlenen nicht an das Staatliche Schulamt, sondern an die Presse versandt wurde, kann ich leider nicht nachvollziehen. Das Amt begrüßt die Prüfung durch die zuständigen Stellen, das Staatliche Schulamt, das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und natürlich auch die Polizei. Die Schulsozialarbeiterin steht jederzeit für die Schülerinnen und Schüler als Ansprechpartnerin vor Ort zur Verfügung.
Die Zeugenvernehmungen laufen, und ich kann nur appellieren, besonnen zu bleiben, die Untersuchungsergebnisse abzuwarten und von Verallgemeinerungen und pauschalen Vorwürfen abzusehen. Die Burger Schule hat in den vergangenen Jahren auch immer Schülerinnen und Schüler aufgenommen, die nicht aus dem eigenen Ort kommen. Vom Schüler mit Migrationshintergrund bis zu Kindern aus problematischen Elternhäusern, alle haben eine Chance verdient, ohne Ansehen der Person, ohne Vorurteile und Diskriminierung einen Schulabschluss zu erhalten. Dass sich die Schulen der Region mit dem Ziel eines optimalen Lernerfolges gemeinsam diesen Herausforderungen stellen, ist für mich schlüssig.
Wenn Medien nun berichten, die wohl in Sielow mit dem Hitlergruß fotografierten Schülerinnen und Schüler seien alle an der Burger Schule, so konnte mir das bisher niemand bestätigen. Wir leben in einem Rechtsstaat und ich bin überzeugt, dass die Sachverhalte aufzuklären sind, auch wenn wir als Träger nicht in alle Ermittlungswege einbezogen werden. Ich erwarte daher, dass bei Straftaten durch die zuständigen Institutionen angemessen und zügig gehandelt wird. Wir alle sind neu sensibilisiert, werden die Aufarbeitung sorgfältig beobachten und können eine allgemeine Vorverurteilung unserer Schülerschaft nicht gutheißen.
Eine Zumutung und völlig inakzeptabel ist, dass nun noch rechtsgerichtete Gruppen medienwirksam ihre Flyer an Schülerinnen und Schüler im Straßenraum vor der Schule verteilen. Das Amt hat deshalb eine Allgemeinverfügung erlassen, um dies künftig unterbinden zu können. Bedauerlich ist aber auch, dass manche Medien den Eindruck erwecken, so etwas sei hier an der Tagesordnung. Ich appelliere an dieser Stelle an die Eltern, ihre Kinder insbesondere in Bezug auf die aktuellen Vorkommnisse zu sensibilisieren. Wir werden als Schulträger alles daransetzen, unseren Schulstandort attraktiver zu gestalten, und nicht nachlassen, im vorliegenden Fall auf eine zügige Aufklärung zu drängen.
Die Burger Schule ist, wie wir mittlerweile wissen, kein Einzelfall. Vielmehr handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem, wie es auch der neue Bildungsminister des Landes Brandenburg einschätzt. Wenn man also dem Brandbrief etwas Positives abgewinnen möchte: Eine neue Debatte ist angeschoben, aber wir brauchen auch konkrete Maßnahmen im Bildungsbereich!
Im Amtsgebiet und im Kurort Burg (Spreewald)/Bórkowy (Błota) leben und arbeiten Menschen aus vielen Nationen, und wir dürfen jährlich Gäste aus der ganzen Welt begrüßen. Zahlreiche Einwohnerinnen und Einwohner haben ukrainische Flüchtlinge aufgenommen und unterstützen sie. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, Intoleranz, Hass und Gewalt widersprechen nicht nur meiner Auffassung über das Leben in einer demokratischen Grundordnung, sondern gefährden die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in unserem Amt.”
Ministerium für Bildung, Jugend und Sport Brandenburg: “Wer vor Fällen mit Extremismus an Schulen nicht die Augen verschließt, handelt im Sinne von Demokratie und Toleranz. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport bestärkt Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler darin. Die Lehrkräfte, die in einem Brief an die Öffentlichkeit extremistische Vorfälle an ihrer Schule bekanntgemacht haben, müssen keine dienst– oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten. Meldungen in den Medien, die das Gegenteil beschreiben, weist das Bildungsministerium entschieden zurück. An der Prüfung und Aufarbeitung der Vorfälle mit verfassungsfeindlichen Symbolen und Äußerungen an der Grund– und Oberschule Burg (Landkreis Spree–Neiße) beteiligen sich Schulamt, Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler. Die Schule führt seit vielen Jahren Projekte für Toleranz, Vielfalt und ein demokratisches Miteinander durch.”
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Red. / Presseinformation