Auch in Südbrandenburg ist der Bahnstreik der Gewerkschaft EVG seit 11 Uhr beendet. Wie die Deutsche Bahn mitteilte, läuft der Regionalverkehr nach und nach wieder an. Fernzüge sollen erst ab 13 Uhr wieder schrittweise auf ihre Strecken gehen können. Seit 3 Uhr morgens hatte der bundesweite Warnstreikden Bahnverkehr auch in unserer Region lahmgelegt. Mit dem Streik wollte die EVG den Druck in den Tarifverhandlungen erhöhen. Die Bahn reagierte mit Unverständnis auf den heutigen Arbeitskampf. Am Dienstag sollen die Verhandlungen weitergehen.
Gewerkschaft EVG: „Druck auf Arbeitgeber erhöhen“
„Wir müssen den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, die glauben, die Forderungen ihrer Beschäftigten ignorieren zu können und stattdessen Tarifverhandlungen nach Gutsherrenart führen wollen. Das ist nicht akzeptabel“, erklärten die beiden EVG-Tarifvorstände Cosima Ingenschay und Kristian Loroch. Offen lässt die EVG derzeit noch einen Streikaufruf an die Kolleginnen und Kollegen bei Transdev. Dort werden am Mittwochvormittag Verhandlungen geführt. „Unsere Tarifkommissionen haben sehr sorgfältig abgewogen, welche Forderungen in der Tarifrunde 2023 gestellt werden sollen. Wichtig war ihnen dabei eine soziale Komponente, die insbesondere den unteren Lohngruppen helfen soll, die stark gestiegenen finanziellen Belastungen besser zu verkraften“, erklärten die beiden Tarifvorstände. Nach vielen konstruktiven Diskussionen sei am Ende ein Mindestbetrag von 650 Euro beschlossen worden, alternativ 12 Prozent, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Diese Entscheidung sei auch vor dem Hintergrund getroffen worden, dass die Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen schon heute unter großem Personalmangel leiden und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur bei einer besseren Bezahlung gefunden würden. „Unsere Kolleginnen und Kollegen haben sich Gedanken gemacht, wie die Zukunft ihrer Unternehmen gesichert und den Fahrgästen nicht noch mehr Zugausfälle zugemutet werden müssen. Jetzt müssen sie feststellen, dass das die Unternehmen überhaupt nicht interessiert. Die Verhandlungen werden bislang ohne jede Form der Wertschätzung geführt. Zudem werden Angebote unterbreitet, die mit unseren Forderungen nichts oder nur wenig zu tun haben. Die Überlegungen der Tarifkommissionen werden schlichtweg ignoriert. Das können wir uns nicht gefallen lassen“, stellte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch fest. Vor diesem Hintergrund habe die EVG auch den Vorstoß der Deutschen Bahn zurückgewiesen, bei der DB AG einen Abschluss auf der Basis des Schlichterspruchs im öffentlichen Dienst zu erzielen. „Wir verhandeln für die Kolleginnen von Bus und Bahn. Insofern erwarten wir, dass von der Deutschen Bahn nicht Empfehlungen an andere Gewerkschaften abgeschrieben werden, sondern konkret auf unsere Forderungen eingegangen wird. Das muss Grundlage unserer Verhandlungen am nächsten Dienstag sein“, machte er deutlich. „Wir haben von keinem Unternehmen einen Inflationsausgleich gefordert, trotzdem wird er uns angeboten. Wir wollen, dass in allen Unternehmen in den unteren Lohngruppen deutlich mehr verdient wird, das aber wird völlig ignoriert. Uns ist eine kurze Laufzeit wichtig, angeboten werden bis zu 27 Monate. Statt einer schnellen dauerhaften Lohnerhöhung sollen die Kolleginnen und Kollegen bis in den Herbst oder Winter hinein warten, bis es das erste Mal mehr Geld gibt“, kritisierte EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay. „Angesichts dieser bewussten Ignoranz der Arbeitgeber würde jeder mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen, so geht das nicht weiter. Und genau das machen wir jetzt, indem wir zu einem weiteren bundesweiten Warnstreik aufrufen. Die Arbeitgeber wären gut beraten, ihre bisherige Verweigerungshaltung in die Mülltonne zu werfen und endlich verhandlungsfähige Angebote auf den Tisch zu legen“, erklärten Cosima Ingenschay und Kristian Loroch.
Auch die Fahrgäste hätten sicher kein Verständnis dafür, dass sich am Verhandlungstisch nur wenig bis nichts bewegt. „Unsere Kolleginnen und Kollegen machen trotz der immer größer werdenden Unzulänglichkeiten bei Bus und Bahn weiterhin einen tollen Job. Oft werden sie zur Zielscheibe unzufriedener Fahrgäste, obwohl sie unternehmerische Fehlentscheidungen nicht zu verantworten haben. Ihnen jetzt aus taktischem Kalkül die dringend nötige Lohnerhöhung verweigern zu wollen, ist völlig inakzeptabel und sicher nicht im Interesse der Reisenden“, sagten die beiden Tarifvorstände der EVG. „Wir setzen ein deutliches Zeichen, dass wir nicht die Fahrgäste, sondern die Unternehmen treffen wollen, indem wir diesmal zu einem zeitlich befristeten Warnstreik in den frühen Morgenstunden aufrufen. Dass wir zu diesem Mittel greifen müssen, haben allein die Arbeitgeber zu verantworten, die sich bislang konstruktiven Tarifverhandlungen verweigern“, stellte Cosima Ingenschay fest. „Niemand muss jetzt an unser Verantwortungsbewusstsein appellieren. Wir gehen mit dem Streikrecht sehr verantwortungsvoll um. Es ist an den Arbeitgebern, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Das bedeutet, die berechtigten Forderungen der Beschäftigten endlich ernst zu nehmen und Angebote zu unterbreiten, die Grundlage für zielführende Verhandlungen sind“, so Kristian Loroch. „Ob dies der letzte Warnstreik in der Tarifrunde 2023 sein wird oder ob weitere folgen müssen, liegt an den Arbeitgebern. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind zu allem bereit, um ihre Forderungen durchzusetzen. Die Wut und das Unverständnis angesichts des respektlosen Verhaltens ihrer Arbeitgeber ist verständlicherweise groß“, stellten Cosima Ingenschay und Kristian Loroch fest.
Deutsche Bahn AG: „Was soll das? Streik ist völlig unnütz und unnötig“
Die Deutsche Bahn (DB) verurteilt den neuerlichen EVG-Streik als reine Mitgliederwerbeaktion. „Was soll das? Dieser Streik ist völlig unnütz und unnötig. Am Freitag, dem reisestärksten Tag der Woche, trifft er viele Pendler:innen besonders hart. Die EVG hat Maß und Mitte komplett verloren und setzt nur auf Krawall“, so Personalvorstand Martin Seiler. „Hier wird auf dem Rücken unserer Fahrgäste der Konkurrenzkampf mit der GDL ausgetragen, das ist nicht seriös.“ Kommenden Dienstag ist bereits die nächste Verhandlung, das ist aus DB-Sicht die Nagelprobe, ob die EVG wirklich Lösungen will. Gänzlich unverständlich ist diese Eskalation auch, weil die DB sich bereits am Sonntag bereit erklärt hatte, mit der EVG eine Lösung zu vereinbaren, die bahnspezifisch ist und sich am enormen Volumen des Öffentlichen Dienstes orientiert. Diesen Vorschlag hatte die EVG umgehend als Provokation zurückgewiesen. „Warum sollte das, was für die 2,5 Millionen Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes gut ist, nicht auch für 180.000 Eisenbahner:innen gut sein? Die EVG muss sich endlich ihrer Verantwortung für die Mitarbeitenden jetzt stellen. Eine Lösung ist möglich, aber die gibt es nur am Tisch.“
Bisher war die EVG null Minuten bereit, ernsthaft mit der DB zu verhandeln. „Wir müssen jetzt endlich zu ernsthaften Verhandlungen kommen und Lösungen finden! Im Sinne des Unternehmens, der Fahrgäste und vor allem unserer Mitarbeitenden. Gerade sie haben eine gute und rasche Lösung verdient. Wir wollen ihre Leistung anerkennen. Und viele warten ja auf eine Lohnerhöhung aufgrund der gestiegenen Preise und Lebenshaltungskosten.“ Die Tarifverhandlungen mit der EVG haben Ende Februar begonnen, in der zweiten Runde Mitte März hat die DB ein erstes Angebot vorgelegt. Auf dem Tisch lagen 2.500 Euro steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung sowie eine lineare Erhöhung. Insgesamt gäbe es in den ersten 12 Monaten ein Plus von 11 Prozent. Im Angebot ist die DB auch auf zentrale Forderungen der Gewerkschaft eingegangen, etwa einen tariflichen Bahn-Mindestlohn von 13 Euro die Stunde und die Angleichung regionaler Entgelte. Am 27. März hat die EVG in einem gemeinsamen Megastreik mit ver.di den Verkehr im Land komplett lahmgelegt. Dann ist drei Wochen lang nichts passiert, weil die EVG nicht bereit war, die kommende Verhandlungsrunde, wie mehrfach von der DB vorschlagen, nach vorne zu legen. Die DB geht von massiven Auswirkungen des EVG-Streiks auf den gesamten deutschen Bahnbetrieb aus. Die DB wird so schnell und umfassend wie möglich informieren. Klar ist bereits jetzt, dass für die betroffenen Fahrgäste umfangreiche Kulanzregelungen vorgesehen sind.
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Red. / Presseinfo