Giftnotrufzentralen registrieren während der Coronapandemie eine Zunahme von Unfällen mit Kindern in privaten Haushalten. Häufig sind Kleinkinder von Vergiftungen mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln betroffen. Unfallprävention ist daher auch gerade jetzt ein wichtiges Thema im Niederlausitzer Netzwerk Gesunde Kinder.
Vergiftungen und Verätzungen gehören zu den Unfallrisiken, von denen besonders Kleinkinder betroffen sind. 90 Prozent aller Vergiftungsunfälle betreffen Kinder im Alter zwischen 0 und sechs Jahren. Die meisten dieser Unfälle ereignen sich dabei zu Hause. Mit der zunehmenden Beweglichkeit der Kinder ab dem ersten Lebensjahr steigt das Risiko, dass die Kleinen mit giftigen oder ätzenden Substanzen in Berührung kommen.
Oft ist man sich kaum bewusst, dass viele Mittel – die zum Teil regelmäßig im Haushalt benutzt werden – giftig und bei unsachgemäßem Gebrauch gerade für Kinder äußerst gefährlich sein können. Das gilt für alltägliche Reinigungs- und Pflegemittel, aber auch für sogenannte Genussmittel wie Alkohol und Zigaretten und erst recht für Medikamente.
Die Giftnotrufzentralen in Deutschland haben in den letzten Wochen und Monaten eine steigende Anzahl von Notrufen und Anfragen im Zusammenhang mit Desinfektionsmitteln registriert. Das bestätigt auch Daniela Acquarone, Leiterin des Giftnotrufs für die Region Berlin-Brandenburg an der Charité in Berlin: „Tatsächlich werden auch im Giftnotruf der Charité während der Covid-19-Pandemie verstärkt Anrufe von besorgten Eltern registriert, nachdem ihre Kinder Desinfektionsmitteln getrunken haben. Genaue Zahlen liegen aktuell nicht vor, ein Projekt zur Auswertung der Expositionen mit Desinfektionmitteln und Haushaltsreinigern während der Coronapandemie starten wir gerade in diesen Tagen“, so Daniela Acquarone.
Insgesamt hat der Giftnotruf während der Coronapandemie nicht wesentlich mehr Anfragen als zu sonstigen Zeiten. Auffällig ist es jedoch, dass sich viele Anfragen, die Kinder betreffen, auf die versehentlichen Einnahmen von Desinfektionsmitteln für die Haut und den Haushalt beziehen. Seit dem Ausbruch des Corona-Virus nutzen mehr Menschen Desinfektionsmitteln im privaten Haushalt und reinigen die Wohnräume verstärkt mit chemischen Substanzen. Dabei kann es zu Falschanwendungen von Reinigungsmitteln kommen und die Mittel können vermehrt in die Hände von Kindern gelangen und als Folge gesundheitliche Schäden verursachen.
„Putz- und Reinigungsmittel sowie andere Haushaltschemikalien gehören an einen sicheren, für Kinder unerreichbaren Ort. Auch ätherische Öle, Lampenöle oder Essigessenz sind für kleine Kinder gefährlich und gehören kindersicher aufbewahrt“, unterstreicht Daniela Graß, Koordinatorin des Niederlausitzer Netzwerks Gesunde Kinder.
Im Vergiftungsfall handeln – Ruhe behalten und anrufen
Bei Verdacht auf eine Vergiftung heißt es als Erstes, Ruhe zu bewahren und telefonisch ärztlichen Rat einzuholen. Oft kann auf diese Weise schon geholfen werden. Zeigt das Kind keine Veränderungen in seinem Verhalten und keine Störung der lebenswichtigen Funktionen wie Atmung, Kreislauf und Bewusstsein, sollen sich die Eltern zunächst telefonisch bei der Giftnotrufzentrale erkundigen, ob und welche weiteren Maßnahmen notwendig sind. Erstmaßnahmen sollten immer nur nach Rücksprache mit der Giftnotrufzentrale durchgeführt werden. Ist das Kind bewusstlos, ist unverzüglich der Notruf 112 zu verständigen.
Giftnotrufzentralen in Deutschland
Die Giftnotruf- oder Giftinformationszentralen beraten Bürger, sowie auch medizinisches Personal von Krankenhäusern und Rettungsdiensten. Bundesweit gibt es acht solcher Vergiftungsinformationszentralen. Der Giftnotruf der Charité in Berlin für die Region Berlin-Brandenburg ist 24 Stunden unter der Telefonnummer 030 19240 er-reichbar und bietet eine ärztliche Beratung zu Vergiftungen bei Menschen. In lebensbedrohlichen Situationen gilt weiterhin der allgemeinen Notruf 112.
Kindersicher und unbeschwert durch die Grillsaison
„Noch ein Hinweis für die Grillsaison. Verzichten Sie auf flüssige Grillanzünder und Lampenöle“, sagt Daniela Graß. Davor warnt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Diese Substanzen können unter Umständen von Kindern mit Getränken verwechselt werden und bereits kleinste Menge können chemische Entzündungen in der Lunge auslösen. Schwere gesundheitliche Schäden bis hin zu Todesfällen können die Folge sein. Flüssige Brandbeschleuniger wie Spiritus oder Benzin können zudem bei unsachgemäßer Anwendung zu Verbrennungen führen. Es wird Eltern daher geraten, für ein unbeschwertes Grillvergnügen auf feste Grillanzünder in Würfel- oder Riegelform auszuweichen.
Kindergesundheit durch Familienpaten fördern
Im Netzwerk Gesunde Kinder hat das Thema Kindersicherheit, neben vielen anderen Gesundheitsthemen, eine zentrale Rolle. Die ehrenamtlichen Familienpaten werden im Rahmen ihrer Ausbildung zu diesem Thema geschult und erhalten wichtige Informationen zur Prävention von Kinderunfällen. Familien, die am Netzwerk Gesunde Kin-der teilnehmen, können kostenfrei spezielle Erste Hilfe Kurse für Kinder besuchen. „Das wird von den Familien auch immer sehr gut angenommen“, weiß Daniela Graß.
Das Netzwerk Gesunde Kinder unterstützt Familien von der Schwangerschaft bis zum 3. Lebensjahr des Kindes bei vielen großen und kleinen Fragen des Alltags. Es vermittelt ehrenamtliche Familienpaten, die Eltern und ihre Kinder begleiten und in vertrauter Umgebung Erfahrungen und Wissen zu gesundheits- und entwicklungsfördernden Themen weitergeben sowie über regionale Angebote informieren.
Im Jahr 2006 wurde das Niederlausitzer Netzwerk Gesunde Kinder vom Klinikum Niederlausitz unter Mitwirkung vieler regionaler Akteure als erstes Netzwerk in Brandenburg initiiert. Aktuell gibt es 120 ausgebildete, ehrenamtliche Familienpaten, die zirka 350 Familien in der Region begleiten. Mittlerweile gibt es in allen Landkreisen ein regi-onales Netzwerk, das vom Land Brandenburg gefördert wird.
Weitere Informationen unter www.netzwerk-gesunde-kinder.de
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