Der Deutsche Bundestag hat heute in Berlin die “Ehe für alle” beschlossen und weitet damit das Recht auf Eheschließung auch auf homosexuelle Paare aus. 25 Jahre nach der „Aktion Standesamt“, die erstmals die Forderung nach Öffnung der Ehe für homosexuelle Paar einer breiten Öffentlichkeit gegenüber bekannt machte und unzähligen politischen Initiativen, Aktionen, Pressemitteilungen, Gesetzesinitiativen und Veranstaltungen, die im Laufe der folgenden Jahre hinzukamen ist es heute gelungen, gegen die Stimmen von Teilen der Unionsparteien, auch gegen die Stimme von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Öffnung der Ehe durchzusetzen. Die Abgeordneten stimmten mit 393 Ja- gegenüber 229 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen.
Lars Bergmann, Projektleiter der Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule & Trans* Belange erklärt dazu: „Es ist ein historischer Tag für die Lesben- und Schwulenbewegung aber auch für Deutschland selbst. Die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare war längst überfällig und ist ein wichtiger Schritt für die demokratische Gesellschaft. Es zeigt auch, daß es sich lohnt zu kämpfen. Wir sind dankbar für all diejenigen, die sich heute und in der Vergangenheit als Aktivist_innen, als Politiker_innen, als Künstler_innen und Alliierte dafür eingesetzt haben, diese große Ungerechtigkeit zu beseitigen.
Auch wenn heute ein großes Ziel errungen wurde, dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, daß über Nacht Homo- und Trans*phobie verschwinden werden. Hier bleiben wir am Ball und werden uns z.B. dafür einsetzen, daß das Transsexuellengesetz (TSG) mit seinen pathologisierenden und menschenfeindlichen Vorschriften endlich in den Giftschrank der Geschichte verbannt wird und wir stattdessen ein zeitgemäßes wertschätzendes Gesetz für die Belange von Trans*Menschen bekommen. Es bleibt viel zu tun, aber heute feiern wir erst einmal die Tatsache, daß es nun ein paar mehr glückliche Menschen in Deutschland gibt.“
FDP-Generalsekretärin Jacqueline Krüger: „Für uns Liberale ist die Frage der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vollkommen logisch und längst überfällig. Wer füreinander Verantwortung in guten wie in schlechten Zeiten übernimmt, hat einen Anspruch, mit den gleichen Rechte und Pflichten ausgestattet zu werden wie Verheiratete. Niemanden wird durch die Eröffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare etwas weggenommen, niemand erfährt durch die vollständige rechtliche Gleichstellung einen Nachteil. Im Gegenteil: unsere Gesellschaft hingegen gewinnt an innerer Stärke und die Institution Ehe wird insgesamt gestärkt. Wenn man keine Unterschiede sieht, sollte man auch keine durch unterschiedliche Behandlung erzeugen. Wer heiraten will sollte dies können, wer die Lebenspartnerschaft will sollte diese wählen können.“
Annalena Baerbock, Grüne Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg: „Das war heute eine bewegende und historische Entscheidung. Und sie war längst überfällig. Heute ist ein guter Tag für die Bürgerrechte in Deutschland. Damit sind es in Europa nun 14 Staaten, in denen die gleichgeschlechtliche Ehe möglich ist.“
Dr. Klaus Peter Schulze (CDU), Lausitzer Bundestagsabgeordneter: “Bei der heute von der Opposition sowie der SPD initiierten Abstimmung über die gleichgeschlechtliche Ehe habe ich mit ‚Nein‘ gestimmt. Die öffentliche Debatte der letzten Tage sowie die vielen Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern haben erneut deutlich gemacht: Es handelt sich hier um ein komplexes und kontrovers diskutiertes Thema, das viele Menschen in Deutschland bewegt. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert gewesen, wenn sich der Deutsche Bundestag in Ruhe mit einem entsprechenden Gesetzentwurf hätte beschäftigen können. Dabei wäre es dann auch möglich gewesen, die den Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes betreffenden verfassungsrechtlichen Fragen zu erörtern.
Der nun von der SPD gewählte Weg ließ eben nicht diesen Raum für eine breite parlamentarische und auch gesellschaftliche Debatte. Die auf nur 38 Minuten angesetzte Aussprache im Deutschen Bundestag wurde der Tragweite der Thematik einfach nicht gerecht. Das Vorgehen der SPD stellt einen Vertrauensbruch dar, der einzig mit Blick auf die aktuellen Umfragewerte vollzogen wurde. Für die konstruktive Regierungsarbeit in einer Koalition ist es jedoch essentiell, dass sich die beteiligten Parteien an Absprachen halten und gegenseitig vertrauen können.”
Ulrich Freese (SPD), Lausitzer Bundestagsabgeordneter: “Bei der heutigen historischen Entscheidung des Deutschen Bundestages zur “Ehe für alle” habe ich mit “Ja” gestimmt. Mir sind jedoch die Aussagen von Dr. Schulze aufgestoßen und ich möcht dazu folgendes anmerken: Er scheint schlecht informiert zu sein. Die SPD brachte die Debatte um die Ehe für alle bereits 1998 erstmals auf den Tisch. Seitdem gab es allein in dieser Legislaturperiode mehrfach Debatten im Plenum des Deutschen Bundestages, zuletzt am 17.05.2017, weiterhin bereits 2015 eine Anhörung im Rechtsausschuss. Die CDU lehnte mehrfach den Vorschlag der SPD ab, das Thema in den Koalitionsausschüssen zu beraten. Auch in der Gesellschaft gibt es immer wieder Initiativen, die das Thema vorangebracht und offen diskutiert haben.
Weiterhin kann ich den Vorwurf, dass die SPD einen Vertrauensbruch begangen hat, nicht stehenlassen. Kanzerlin Angela Merkel hat am Montagabend den Weg für die Abstimmung frei gemacht und die Abgeordneten zur Gewissensabstimmung aufgerufen. Auf dem Dortmunder SPD-Parteitag hatte Martin Schulz die “Ehe für alle” als Bedingung für einen möglichen neuen Koalitionsvertrag genannt.”
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