Schlaflosigkeit betrifft längst nicht mehr nur Vielgrübler. Studien zeigen: Wer im Schichtdienst arbeitet, hat ein bis zu 40 Prozent höheres Risiko für Ein- und Durchschlafstörungen. Doch was passiert, wenn Nachtdienst, Dauerstress und Erschöpfung aufeinandertreffen – und kein Abschalten mehr möglich ist? In der Niederlausitz arbeiten Tausende in Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Verkehrsbetrieben. Ihre Belastung bleibt oft unsichtbar. Wie lässt sich der Körper beruhigen, ohne gleich zur Tablette zu greifen? Die Antworten liegen manchmal näher, als man denkt.
Wenn der Körper nicht folgen will
Der Dienst ist vorbei, das Licht ist aus – und trotzdem bleibt der Motor an. Der Wechsel zwischen Tag und Nacht setzt dem Biorhythmus zu, besonders, wenn er ständig neu justiert werden muss. Der Körper reagiert gereizt: Das Stresshormon Cortisol bleibt hoch, während das schlaffördernde Melatonin kaum Chancen hat. Die Folge: Einschlafzeit verdoppelt sich, Tiefschlaf fehlt. Besonders Pflegekräfte und Einsatzpersonal berichten von einem „Zittern im Kopf“, das sich nicht abschalten lässt.
Was hilft? Vieles – und nichts. Denn die Wirkung hängt vom Zustand ab, nicht nur vom Mittel. Naturheilkundige setzen auf Passionsblume, Melisse oder Magnesium. In der alternativen Szene gewinnen auch sogenannte Edibles an Aufmerksamkeit – essbare Produkte mit beruhigenden Pflanzenstoffen, die in Form von Bonbons oder Keksen angeboten werden.
Warum sich Wachphasen verschieben
Der Mensch ist keine Maschine. Trotzdem verlangen viele Arbeitspläne genau das: Funktionieren auf Knopfdruck – ob morgens um fünf oder nachts um halb zwei. Besonders Schichtdienste bringen die innere Uhr aus dem Takt. Mediziner sprechen von „zirkadianer Desynchronisation“ – ein Zustand, in dem Körpertemperatur, Hormonspiegel und Verdauung durcheinandergeraten, weil sie nicht mehr mit dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus synchron laufen. Die Folgen: Reizbarkeit, Konzentrationsprobleme, ein geschwächtes Immunsystem – und chronischer Schlafmangel.
Studien zeigen, dass vor allem Menschen mit wechselnden Schichten doppelt so häufig unter Insomnie leiden wie Beschäftigte mit stabilen Tageszeiten. Besonders tückisch: Selbst an freien Tagen bleibt der Körper oft in Alarmbereitschaft. Viele versuchen, den Schlafmangel durch kurze Nickerchen tagsüber auszugleichen – doch genau das kann die Tiefschlafphasen in der Nacht zusätzlich stören.
Wie der Rhythmus neu programmiert werden kann
Doch es gibt Wege, dem Körper sanft zu helfen, seinen Takt zurückzufinden – ganz ohne Medikamente. Licht spielt dabei eine Schlüsselrolle. Morgens, auch nach Nachtschichten, lohnt sich ein kurzer Spaziergang im Tageslicht. Das natürliche Licht signalisiert dem Körper, dass „Tag“ ist, und hilft, die innere Uhr zu stabilisieren.
Auch gezielte Melatoninfreisetzung durch Dunkelheit ist wichtig: Wer abends konsequent auf grelles Licht verzichtet, etwa durch dimmbare Lampen oder Blaulichtfilter, kann das Einschlafen fördern. Und: Wer auch an freien Tagen zu festen Zeiten aufsteht und isst, gibt dem Körper Orientierung.
Wenn Atmen mehr bringt als Schäfchenzählen
Manchmal ist das Problem gar nicht der Schlaf selbst – sondern die innere Unruhe davor. Wer körperlich müde ist, aber geistig auf Hochtouren läuft, wird im Bett schnell zum Gefangenen seiner Gedanken. Genau hier setzen Atemtechniken an. Sie gelten als eines der ältesten, aber unterschätztesten Werkzeuge gegen Einschlafprobleme – ganz ohne Nebenwirkungen, jederzeit anwendbar und kostenlos.
Eine der wirksamsten Methoden ist die sogenannte 4-7-8-Technik: Vier Sekunden einatmen, sieben Sekunden halten, acht Sekunden ausatmen. Klingt simpel – aber Studien zeigen, dass solche rhythmischen Atemmuster das parasympathische Nervensystem aktivieren, also den Teil des Körpers, der für Ruhe und Regeneration zuständig ist. Der Herzschlag verlangsamt sich, der Blutdruck sinkt, die Muskelspannung lässt nach.
Auch progressives Muskelentspannen – bei dem Muskelgruppen nacheinander angespannt und wieder gelöst werden – hilft, die Körperspannung zu regulieren. Besonders bei Menschen, die tagsüber „funktionieren müssen“, kann das gezielte Lösen von Spannung als Einladung zum Schlaf wirken.