Seit Tagen regnet es in den Hochwassergebieten der Oder, was zu dramatisch steigenden Pegelständen führt. Viele Zuflüsse übertreffen teils den Höchststand von 1997. Die Hochwasserwelle wird am 20.09.24 erwartet, vor allem in Ratzdorf, Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder). Ab Sonntag könnte Alarmstufe IV erreicht werden, wenn alle Zuflüsse weiter anschwellen.
Da Landesamt für Umwelt Brandenburg hat eine neue Einschätzung der Lage herausgegeben und warnt vor möglichen Pegelständen wie 1997: Seit Donnerstag hat es in den Hochwasserentstehungsgebieten der Oder fast ununterbrochen geregnet. Dabei wurden an den Niederschlagsmessstationen in Polen zwischen 100 und 360 mm gemessen. Inzwischen schwächt sich das zuvor wetterbestimmende Tief ab. In der Folge hat sich im Oberlauf der Oder und ihrer Zuflüsse eine dramatische Hochwassersituation ausgebildet. Viele Zuflüsse zur Oder sind auf vergleichbare oder höhere Wasserstände als 1997 angestiegen. Die Pegel an der Grenzoder bewegen sich aktuell noch im Mittelwasserbereich, steigen aber deutlich an. Noch bewegen sich die Prognosen mit einer gewissen Unsicherheit, laut Landesamt für Umwelt sind ab Mittwoch genauere Zahlen möglich, wenn die derzeitigen Wassermassen aus den Zuflüssen sich an der Oder vereinen.
Zuflüsse werden beobachtet
Die Hochwassermeldezentrale berichtet, dass mit weiteren ergiebigen Niederschlägen im Gesamtgebiet der Oder derzeit nicht gerechnet werden muss. An einigen Nebenflusspegeln der Oder in Tschechien und Polen wurden die Scheitel der Hochwasserwelle mittlerweile erreicht und die Wasserstände sinken wieder. Im oberen Odergebiet wurde am Sonntag der Polder bei Racibórz in Betrieb genommen, dies führt zu einer deutlichen Kappung der Hochwasserwelle aus dem Oder- und Olsaeinzugsgebiet. Steigende Wasserstände werden aktuell noch in den wichtigen Zuflüssen Bober (Bobr), der Glatzer Neiße (Nysa Kłodzka) und der Lausitzer Neiße beobachtet.
An der Mündung des Bobers ist laut der polnischen Prognosen für die nächsten drei Tage weiterhin mit stark ansteigenden Wasserständen zu rechnen. Am Pegel Zagan/ Bober wird laut Prognose am 18.09.24 ein Scheitelwasserstand von 790 cm erwartet. Die Hochwasserwelle im Bober wird nach grober Abschätzung am 20.09.24 den Mündungsbereich der Oder treffen. Im Gebiet der Glatzer Neiße ist davon auszugehen, dass dort im Laufe der kommenden Nacht der Scheitelwert des Wasserstandes erreicht wird.
Nach dem heutigen Kenntnisstand werden an den Pegeln im oberen Grenzoderabschnitt frühestens Mittwoch, wahrscheinlicher am Donnerstag die Richtwerte der Alarmstufe I erreicht. Anschließend werden an den Pegeln Ratzdorf, Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) die Wasserstände zügig ansteigen, sodass ab Freitag, den 20.09.24 die Alarmstufe III überschritten sein kann. Da alle Hochwasserentstehungsgebiete der Oder Hochwasser führen, wird ein weiteres Ansteigen der Wasserstände erwartet und in der Folge der ist es wahrscheinlich, dass auch der Richtwert der Alarmstufe IV überschritten werden kann.
Ratzdorfer Pegel wie 1997 erwartet
In Ratzdorf liegt der Pegel der Oder (Stand 16.09.2024, 14 Uhr) bei 279cm, bis Mittwoch zu der Zeit werden 426cm erwartet und bis 22.09.2024 592cm – was Alarmstufe IV entspricht. Seit dem Oderhochwasser 1997 wurde auf deutscher Seite der Deich komplett erneuert und weitere Maßnahmen zur Flutabwehr getroffen. Die Scheitelhöhe könnte, wie das Landesamt für Umwelt schreibt, eine ähnliche wie 1997 werden. jedoch ist, Stand heute, nicht mit ähnlichen Auswirkungen zu rechnen. Am 17.07.1997 erreichte der Pegel in Ratzdorf 691cm (siehe Oderhochwasser 1997 weiter unten).
In Eisenhüttenstadt (16.09.2024, 14 Uhr) 279cm Pegel, werden bis Sonntag 22.09.2024, 11 Uhr 613cm erwartet – Alarmstufe III. Für Frankfurt (Oder) wird am Sonntag ein Pegel von 562cm prognostiziert, aktuell liegt die Oder bei 187cm.
Die nächste Information erfolgt laut Brandenburger Hochwassermeldezentrale am Mittwoch, den 18. September 2024.
Forst bereitet Maßnahmen vor
Auch die Stadt Forst bereitet sich aktuell intensiv auf eine mögliche Hochwasserlage vor. Die Pegelstände der Neiße steigen. Demnach liegt der Pegel bei Klein Bademeusel aktuell bei 216 cm, Alarmstufe 1 wird jedoch erst bei 260 cm erreicht. Die Stadt rechnet in dieser Woche mit Hochwasserspitzen, insbesondere am Mittwoch, und sperrt vorsorglich Radwege sowie Unterführungen. Eine Koordinierungsgruppe wurde im Rathaus einberufen, um die Lage kontinuierlich zu beobachten. Die Bevölkerung wird gebeten, überflutete Gebiete zu meiden und Vorsorgemaßnahmen zu treffen. ->> Weiterlesen
Aktuelle Lage an Südbrandenburger Flüssen
In Mühlberg wurde am 15.09.2024 die Alarmstufe 1 wegen steigender Pegel der Elbe ausgerufen. Die Pegel anderer Flüsse haben sich stabilisiert. Brandenburgs Regierung bereitete in einer Telefonkonferenz Maßnahmen gegen mögliche Hochwasser vor. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass die Pegel an Elbe und Oder Warnstufe 3 oder 4 erreichen. Das Krisenmanagement ist aktiv.
Eine Übersicht zur Lage am Montag ->> Weiterlesen
Oderhochwasser 1997
(laut Wikipedia)
Das Oderhochwasser 1997 (polnisch powódź tysiąclecia „Jahrtausendhochwasser“) war die größte bekannte Flut der Oder. Überschwemmungen an den Flussläufen der Oder verursachten im Juli und August schwere Schäden in Tschechien, Polen und Deutschland und forderten zahlreiche Opfer (in der Tschechischen Republik 20 und in Polen 54 Todesopfer). Die Schäden werden auf 3,8 Milliarden Euro in Tschechien und Polen sowie 330 Millionen Euro in Deutschland beziffert.
Für den Grenzoderabschnitt gab das Landesumweltamt Brandenburg am 8. Juli eine Hochwasserwarnung heraus; am 14. Juli wurden für die betroffenen Landkreise und die Stadt Frankfurt (Oder) Alarmstufe I ausgerufen. Die höchste Alarmstufe (IV) musste bereits am 17. Juli für den Landkreis Oder-Spree ausgerufen werden und am folgenden Tag für die Stadt Frankfurt und am 22. Juli für die Landkreise Märkisch-Oderland, Barnim und Uckermark.
Die Flut erreichte Brandenburg am 17. Juli bei Ratzdorf, am Zusammenfluss von Oder und Lausitzer Neiße. Mit 6,20 Meter stand der Pegel fast 3,50 Meter über den langjährigen Sommerwerten. Vorsorglich wurden die niedrigsten Deichstrecken erhöht. Eine zweite Hochwasserwelle, verursacht durch erneute starke Regenfälle, erfolgte vom 18. bis 21. Juli im oberen Odereinzugsgebiet. Deiche wurden aufgeweicht; der Wasserdruck betrug sechs Tonnen je Quadratmeter. Am Oder-Spree-Kanal in Eisenhüttenstadt kam es zu Rissen der Deichkrone. Sicherheitsmaßnahmen mit Sandsäcken und Faschinen verhinderten einen Deichbruch.
In der Ziltendorfer Niederung begannen am 22. Juli erste Evakuierungen in den Ziltendorfer Ortsteilen Aurith und der Ernst-Thälmann-Siedlung. Bundeswehr, Bundesgrenzschutz und das Technische Hilfswerk versuchten, die brüchigen und durchnässten Deiche in der Region zu stabilisieren. Im Oderbruch wurde das Vieh in Sicherheit gebracht. Der Deich bei Brieskow-Finkenheerd brach am 23. Juli auf einer Breite von anfangs 70 Metern, später auf 200 Metern durch die hohe Fließgeschwindigkeit aufgrund des Höhenunterschiedes zwischen Oder und der Ziltendorfer Niederung. Am 24. Juli brach etwa 9 Kilometer weiter der Deich bei Aurith. Somit war die Überflutung der 5.500 Hektar großen Ziltendorfer Niederung nicht mehr aufzuhalten. Die Bundeswehr hatte zwischenzeitlich bereits 8.300 Soldaten und 36 Hubschrauber, zahlreiche Lastkraftwagen, Pionierpanzer und Boote bei der Deichbefestigung und der Evakuierung im Einsatz.
Im nördlichen Oderbruch bei Hohenwutzen wurde vorsorglich die Evakuierung von 6.500 Menschen angeordnet. Dabei wurden auch die Tiere aus dem Oderbruchzoo Altreetz abtransportiert. Am 25. Juli rutschten am Deichkilometer 70,4 bei Neuglietzen auf einer Länge von 150 Metern Teile des Deiches ab. Löcher bis zu sieben Meter tief mit bis zu 25 Metern Breite klafften an der Landseite im Deich. Mit Sandsäcken beladene Hubschrauber der Bundeswehr wurden unter Lebensgefahr vom Bundeswehroffizier Jan Uwe Kestner auf dem Deich eingewiesen und füllten die Löcher. Ununterbrochen brachten Hubschrauber tausende Sandsäcke, die die Soldaten in der Bruchstelle aufschichteten. Von Tauchern wurde der Deich von der Wasserseite mit Folie abgedeckt, so dass er schließlich gehalten werden konnte.
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Foto: Von Clemensfranz – Eigenes Werk, Neißemündung, CC BY-SA 3.0