Ab 3 Uhr am Freitagmorgen müssen sich Reisende und Pendler in Südbrandenburg erneut auf Zugausfälle und Verspätungen im Bahnverkehr einstellen. Die Gewerkschaft EVG legt mit einem weiteren Warnstreik den Zugverkehr lahm, um den Druck in den Tarifverhandlungen weiter zu erhöhen. Demzufolge sind EVG-Mitglieder aufgerufen, von 3 bis 11 Uhr die Arbeit niederzulegen. Der VBB rechnet aber den gesamten Freitag über mit Beeinträchtigungen. Erneut sind auch wieder alle Linien der ODEG betroffen. Die Busse und Straßenbahnen der Südbrandenburger Verkehrsunternehmen werden dagegen planmäßig rollen. Sollten Schüler in Brandenburg durch den Streik nicht zur Schule kommen, können sie nach vorheriger Anzeige zu Hause bleiben. Die Schulen sind laut Bildungsministerium angehalten, diese mit Unterrichtsstoff zu versorgen. Von Seiten der Deutschen Bahn AG wird der Streik als “unnütz sowie unnötig” betitelt und als “reine Mitgliederwerbeaktion” angesehen.
Auswirkungen in Brandenburg
Vom VBB heißt es zu den Auswirkungen in Brandenburg und Berlin: Nach 11 Uhr wird der Zugverkehr nach und nach wieder aufgenommen, es wird am gesamten Freitag (schon ab 3 Uhr) aber zu erheblichen Einschränkungen kommen. Es kommt zu erheblichen Behinderungen, und auf den Fernverkehrs-Linien, Regionalverkehrs-Linien und S-Bahnen werden Fahrten ausfallen. Wir empfehlen, nicht notwendige Fahrten / Reisen zu verschieben.
Für Berlin und Brandenburg bedeutet das:
- RE- und RB-Linien von DB Regio: erhebliche Fahrtausfälle oder komplette Einstellung des Angebots zu erwarten
- S-Bahn Berlin: erhebliche Fahrtausfälle oder komplette Einstellung des Angebots zu erwarten
- RE- und RB-Linien von ODEG, NEB, HANS: sind vom Streik betroffen, wenn auch das Personal der Infrastruktur (Gleisanlagen, Signale etc.) streikt. Demzufolge kann es auch hier zu erheblichen Fahrtausfällen kommen, die zurzeit noch nicht näher abgeschätzt werden können.
- baustellenbedingte Ersatzverkehre für Bahnlinien bzw. S-Bahn-Linien: es kann ggf. zu Fahrtausfällen kommen, die zurzeit noch nicht näher abgeschätzt werden können.
- Züge des Fernverkehrs (ICE, IC, EC etc.) werden voraussichtlich komplett ausfallen.
Nicht vom Streik betroffen sind
- der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) – U-Bahn-, Straßenbahn-, Bus- und Fährlinien
- der Brandenburger Verkehrsunternehmen.
Ausfälle auch auf den ODEG-Linien
Von der ODEG heißt es: Wir informieren, dass der Zugverkehr auf allen 15 Linien der ODEG eingestellt werden muss. Auch wenn die ODEG nicht direkt bestreikt wird, kommen unsere Eisenbahnverkehre komplett zum Erliegen. Hintergrund ist, dass die Ostdeutsche Eisenbahn die Infrastruktur der DB Netz AG nutzt, die dann nicht bedient wird, da auch z. B. die Fahrdienstleiter der DB streiken. Die EVG hat für die Dauer des Streikes derzeit den Zeitraum: Freitag, den 21. April 2023, von 03:00 Uhr bis 11:00 Uhr bekannt gegeben. Es kann jedoch bereits ab Freitag Mitternacht zu Einschränkungen im Betriebsablauf kommen, die bis zum Ende des Tages andauern können. Derzeit wird geprüft, wo Ersatzverkehr mit Bussen gestellt werden kann. Die planmäßigen Ersatzverkehre, z. B. auf der RE1 verkehren. Bitte berücksichtigen Sie, dass ein Weitertransport an den jeweiligen Halten per Eisenbahn ausgeschlossen ist.
Betroffene Schüler können zu Hause bleiben
Das Bildungsministerium informiert, dass betroffene Schüler in Brandenburg zu Hause bleiben können, sofern sie es vorher angezeigt haben. Demzufolge gilt im Fall eines Streiks im Verkehrsbereich:
- Alle Lehrkräfte und das sonstige pädagogische Personal sind verpflichtet, am 21. April 2023 zum Dienst zu erscheinen.
- Der Unterricht wird gemäß der Stundenplanung vor Ort für alle Klassen und Jahrgangsstufen organisiert.
- Schülerinnen und Schüler, die auf den Schülerverkehr angewiesen sind und absehbar am 21. April 2023 nicht die Schule besuchen können, sollen mit Lernaufgaben versorgt werden.
- Sofern die Lehrkräfteeinsatzplanung es zulässt, soll die Schule für diesen Tag den Distanzunterricht in den Jahrgangsstufen 1 bis 10 für streikbedingt abwesende Schülerinnen und Schüler organisieren.
- Die Aufsicht über die anwesenden Schülerinnen und Schülern wird gemäß den Verwaltungsvorschriften „Aufsicht“ gewährleistet.
- Schülerinnen und Schüler, die an dem Tag nicht zur Schule kommen können, gelten in der Schule als entschuldigt, wenn die Eltern bzw. die volljährigen Schülerinnen und Schüler dies angezeigt haben.
Gewerkschaft EVG: “Druck auf Arbeitgeber erhöhen”
„Wir müssen den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, die glauben, die Forderungen ihrer Beschäftigten ignorieren zu können und stattdessen Tarifverhandlungen nach Gutsherrenart führen wollen. Das ist nicht akzeptabel“, erklärten die beiden EVG-Tarifvorstände Cosima Ingenschay und Kristian Loroch. Offen lässt die EVG derzeit noch einen Streikaufruf an die Kolleginnen und Kollegen bei Transdev. Dort werden am Mittwochvormittag Verhandlungen geführt. „Unsere Tarifkommissionen haben sehr sorgfältig abgewogen, welche Forderungen in der Tarifrunde 2023 gestellt werden sollen. Wichtig war ihnen dabei eine soziale Komponente, die insbesondere den unteren Lohngruppen helfen soll, die stark gestiegenen finanziellen Belastungen besser zu verkraften“, erklärten die beiden Tarifvorstände. Nach vielen konstruktiven Diskussionen sei am Ende ein Mindestbetrag von 650 Euro beschlossen worden, alternativ 12 Prozent, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Diese Entscheidung sei auch vor dem Hintergrund getroffen worden, dass die Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen schon heute unter großem Personalmangel leiden und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur bei einer besseren Bezahlung gefunden würden. „Unsere Kolleginnen und Kollegen haben sich Gedanken gemacht, wie die Zukunft ihrer Unternehmen gesichert und den Fahrgästen nicht noch mehr Zugausfälle zugemutet werden müssen. Jetzt müssen sie feststellen, dass das die Unternehmen überhaupt nicht interessiert. Die Verhandlungen werden bislang ohne jede Form der Wertschätzung geführt. Zudem werden Angebote unterbreitet, die mit unseren Forderungen nichts oder nur wenig zu tun haben. Die Überlegungen der Tarifkommissionen werden schlichtweg ignoriert. Das können wir uns nicht gefallen lassen“, stellte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch fest. Vor diesem Hintergrund habe die EVG auch den Vorstoß der Deutschen Bahn zurückgewiesen, bei der DB AG einen Abschluss auf der Basis des Schlichterspruchs im öffentlichen Dienst zu erzielen. „Wir verhandeln für die Kolleginnen von Bus und Bahn. Insofern erwarten wir, dass von der Deutschen Bahn nicht Empfehlungen an andere Gewerkschaften abgeschrieben werden, sondern konkret auf unsere Forderungen eingegangen wird. Das muss Grundlage unserer Verhandlungen am nächsten Dienstag sein“, machte er deutlich. „Wir haben von keinem Unternehmen einen Inflationsausgleich gefordert, trotzdem wird er uns angeboten. Wir wollen, dass in allen Unternehmen in den unteren Lohngruppen deutlich mehr verdient wird, das aber wird völlig ignoriert. Uns ist eine kurze Laufzeit wichtig, angeboten werden bis zu 27 Monate. Statt einer schnellen dauerhaften Lohnerhöhung sollen die Kolleginnen und Kollegen bis in den Herbst oder Winter hinein warten, bis es das erste Mal mehr Geld gibt“, kritisierte EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay. „Angesichts dieser bewussten Ignoranz der Arbeitgeber würde jeder mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen, so geht das nicht weiter. Und genau das machen wir jetzt, indem wir zu einem weiteren bundesweiten Warnstreik aufrufen. Die Arbeitgeber wären gut beraten, ihre bisherige Verweigerungshaltung in die Mülltonne zu werfen und endlich verhandlungsfähige Angebote auf den Tisch zu legen“, erklärten Cosima Ingenschay und Kristian Loroch.
Auch die Fahrgäste hätten sicher kein Verständnis dafür, dass sich am Verhandlungstisch nur wenig bis nichts bewegt. „Unsere Kolleginnen und Kollegen machen trotz der immer größer werdenden Unzulänglichkeiten bei Bus und Bahn weiterhin einen tollen Job. Oft werden sie zur Zielscheibe unzufriedener Fahrgäste, obwohl sie unternehmerische Fehlentscheidungen nicht zu verantworten haben. Ihnen jetzt aus taktischem Kalkül die dringend nötige Lohnerhöhung verweigern zu wollen, ist völlig inakzeptabel und sicher nicht im Interesse der Reisenden“, sagten die beiden Tarifvorstände der EVG. „Wir setzen ein deutliches Zeichen, dass wir nicht die Fahrgäste, sondern die Unternehmen treffen wollen, indem wir diesmal zu einem zeitlich befristeten Warnstreik in den frühen Morgenstunden aufrufen. Dass wir zu diesem Mittel greifen müssen, haben allein die Arbeitgeber zu verantworten, die sich bislang konstruktiven Tarifverhandlungen verweigern“, stellte Cosima Ingenschay fest. „Niemand muss jetzt an unser Verantwortungsbewusstsein appellieren. Wir gehen mit dem Streikrecht sehr verantwortungsvoll um. Es ist an den Arbeitgebern, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Das bedeutet, die berechtigten Forderungen der Beschäftigten endlich ernst zu nehmen und Angebote zu unterbreiten, die Grundlage für zielführende Verhandlungen sind“, so Kristian Loroch. „Ob dies der letzte Warnstreik in der Tarifrunde 2023 sein wird oder ob weitere folgen müssen, liegt an den Arbeitgebern. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind zu allem bereit, um ihre Forderungen durchzusetzen. Die Wut und das Unverständnis angesichts des respektlosen Verhaltens ihrer Arbeitgeber ist verständlicherweise groß“, stellten Cosima Ingenschay und Kristian Loroch fest.
Deutsche Bahn AG: “Was soll das? Streik ist völlig unnütz und unnötig”
Die Deutsche Bahn (DB) verurteilt den neuerlichen EVG-Streik als reine Mitgliederwerbeaktion. „Was soll das? Dieser Streik ist völlig unnütz und unnötig. Am Freitag, dem reisestärksten Tag der Woche, trifft er viele Pendler:innen besonders hart. Die EVG hat Maß und Mitte komplett verloren und setzt nur auf Krawall“, so Personalvorstand Martin Seiler. „Hier wird auf dem Rücken unserer Fahrgäste der Konkurrenzkampf mit der GDL ausgetragen, das ist nicht seriös.“ Kommenden Dienstag ist bereits die nächste Verhandlung, das ist aus DB-Sicht die Nagelprobe, ob die EVG wirklich Lösungen will. Gänzlich unverständlich ist diese Eskalation auch, weil die DB sich bereits am Sonntag bereit erklärt hatte, mit der EVG eine Lösung zu vereinbaren, die bahnspezifisch ist und sich am enormen Volumen des Öffentlichen Dienstes orientiert. Diesen Vorschlag hatte die EVG umgehend als Provokation zurückgewiesen. „Warum sollte das, was für die 2,5 Millionen Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes gut ist, nicht auch für 180.000 Eisenbahner:innen gut sein? Die EVG muss sich endlich ihrer Verantwortung für die Mitarbeitenden jetzt stellen. Eine Lösung ist möglich, aber die gibt es nur am Tisch.“
Bisher war die EVG null Minuten bereit, ernsthaft mit der DB zu verhandeln. „Wir müssen jetzt endlich zu ernsthaften Verhandlungen kommen und Lösungen finden! Im Sinne des Unternehmens, der Fahrgäste und vor allem unserer Mitarbeitenden. Gerade sie haben eine gute und rasche Lösung verdient. Wir wollen ihre Leistung anerkennen. Und viele warten ja auf eine Lohnerhöhung aufgrund der gestiegenen Preise und Lebenshaltungskosten.“ Die Tarifverhandlungen mit der EVG haben Ende Februar begonnen, in der zweiten Runde Mitte März hat die DB ein erstes Angebot vorgelegt. Auf dem Tisch lagen 2.500 Euro steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung sowie eine lineare Erhöhung. Insgesamt gäbe es in den ersten 12 Monaten ein Plus von 11 Prozent. Im Angebot ist die DB auch auf zentrale Forderungen der Gewerkschaft eingegangen, etwa einen tariflichen Bahn-Mindestlohn von 13 Euro die Stunde und die Angleichung regionaler Entgelte. Am 27. März hat die EVG in einem gemeinsamen Megastreik mit ver.di den Verkehr im Land komplett lahmgelegt. Dann ist drei Wochen lang nichts passiert, weil die EVG nicht bereit war, die kommende Verhandlungsrunde, wie mehrfach von der DB vorschlagen, nach vorne zu legen. Die DB geht von massiven Auswirkungen des EVG-Streiks auf den gesamten deutschen Bahnbetrieb aus. Die DB wird so schnell und umfassend wie möglich informieren. Klar ist bereits jetzt, dass für die betroffenen Fahrgäste umfangreiche Kulanzregelungen vorgesehen sind.
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Red. / Presseinfo