Die Bundesregierung hat heute auf Grundlage des Energiesicherungsgesetzes die Rosneft Deutschland GmbH (RDG) und die RN Refining & Marketing GmbH (RNRM) unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Damit übernimmt die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg). Mit der Treuhandverwaltung wird der drohenden Gefährdung der Energieversorgungssicherheit begegnet und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt und die Zukunft des Standorts Schwedt gelegt. Die Entscheidung wird von einem umfassenden Zukunftspaket begleitet, das einen Transformationsschub für die Region bringt und die Raffinerie unterstützt, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt wird. Bislang ist die PCK Raffinerie von der Belieferung mit russischem Erdöl über die Druschba-Pipeline abhängig.
Rosneft Deutschland vereint insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und ist damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland.
“Der Bund und das Land Brandenburg arbeiten gemeinsam an der Zukunft des Standorts Schwedt in einer Situation, in der Russland Energie als Waffe einsetzt. Insbesondere die täglich neuen Störungen der Zusammenarbeit der PCK-Raffinerie in Schwedt mit Vertragspartnern und Kunden aufgrund der im Markt bestehenden Unsicherheiten über die sanktionsrechtliche Behandlung des unter Kontrolle des russischen Staates stehenden Mehrheitsgesellschafters des Unternehmens, die Rosneft Deutschland, sowie die Unsicherheit bezüglich der Verlässlichkeit russischer Erdöllieferungen gefährden die Versorgungssicherheit in unserem Land. Die Treuhandlösung war deshalb ein notwendiger Schritt, um die Versorgungssicherheit dauerhaft zu gewährleisten und den Raffineriestandort erhalten zu können.” heißt es von der Bundesregierung.
Investitionen und Jobsicherung
Dieser Schritt allein ist für die Zukunft Schwedts jedoch nicht ausreichend. Das Ziel der Bundesregierung einer Treibhausgasneutralität bis 2045 sowie die Wende zur Elektromobilität machen einen Wandel am Standort erforderlich. Die Bundesregierung bringt deshalb zusätzlich zu den notwendigen eigentumsrechtlichen Entscheidungen gemeinsam mit dem Land Brandenburg ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Erhalt der Arbeitsplätze und zu einer erfolgreichen Transformation des Standorts auf den Weg. Insgesamt beträgt das Volumen der Maßnahmen zugunsten des Landkreises Uckermark bzw. der PCK-Raffinerie Investitionen mindestens 825 Mio. Euro über einen Zeitraum von 15 Jahren. Dabei beträgt der Bundesanteil circa 77 Prozent. Hinzu kommen weitere Maßnahmen zur Sicherung von Beschäftigung und Löhnen am Standort der PCK-Raffinerie.
So haben der Bund und das Land Brandenburg sowie die – mit dem Raffineriestandort Leuna und dem Hafen Rostock ebenfalls erheblich zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit mit Ölprodukten beitragenden – Länder Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt ein Sonderprogramm im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) für die ostdeutschen Raffineriestandorte und Häfen in Höhe von 750 Mio. Euro bis 2037 vereinbart. Damit können auch im Landkreis Uckermark gewerbliche Investitionen von Unternehmen gefördert werden, ebenso wie wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahmen sowie nichtinvestive und weitere Maßnahmen zur Steigerung der Standortattraktivität und der Wettbewerbsfähigkeit einschließlich regionaler Daseinsvorsorge. Aufgrund des nationalen Interesses zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit in Deutschland und der zentralen Funktion der PCK für die Versorgungssicherheit in ihrem Liefergebiet wird die Bundesregierung darüber hinaus als Teil unserer nationalen Sicherheit die Ertüchtigung der Pipeline Rostock-Schwedt im Umfang von 100% (400 Mio. Euro) finanzieren. Die Bundesregierung wird zudem ihre Gespräche mit der polnischen Regierung zu den Rahmenbedingungen für Öl-Lieferungen über Danzig nach Schwedt mit hoher Priorität fortsetzen. Gleiches gilt für die Gespräche der Bundesregierung mit der kasachischen Regierung zum Bezug kasachischen Öls über die Drushba-Pipeline, mit dem Ziel zusätzliche Mengen bereits in diesem Jahr für die PCK zu sichern. Eine vollständige Versorgung der PCK mit Rohöl bleibt vordringliches Ziel der Bundesregierung. Auch zur Erreichung dieser Ziele ist eine Treuhand notwendig.
Zudem sieht sich die Bundesregierung selbst, aber auch die Gesellschafter der PCK-Raffinerie in der Pflicht, die Beschäftigung mit geeigneten Maßnahmen zu sichern und durch Arbeitsausfall bedingte Kündigungen zu vermeiden. Der bestehende Tarifvertrag gilt fort. Für das Jahr 2023 beabsichtigt die Bundesregierung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der PCK-Raffinerie, deren Arbeitszeit sich im Zusammenhang mit dem EU-Embargo gegen Importe von russischem Erdöl verringert, mit einem Zuschuss zum Kurzarbeitergeld zu unterstützen. Zusätzlich geht die Bundesregierung auf die Gesellschafter zu, um eine Aufstockung auf bis zu 100% verbindlich zu erreichen. Für 2024 beabsichtigt die Bundesregierung eine Kompensation in gleicher Größenordnung.
Neue Investoren sollen angelockt werden
Zu den weiteren zwischen der Bundesregierung und dem Land Brandenburg vereinbarten Maßnahmen zählt unter anderem die Einrichtung eines Arbeitsausschusses aus Spezialisten für Investorenanwerbung bei der Germany Trade & Invest, die den Standort Schwedt für drei Jahre gezielt bei der Suche nach passenden Greenfield-Investitionen unterstützen wird. Brandenburg wird außerdem gemeinsam mit der Bundesregierung die Begleitung der Strukturentwicklung am Standort Schwedt/Oder im Rahmen der Experimentierklausel der GRW finanziell fördern. Die Bundesregierung wird darüber hinaus ein Startup-Labor Schwedt für fünf Jahre fördern, das im Rahmen des Programms „Existenzgründungen aus der Wissenschaft – EXIST“ innovative Startups in den Bereichen alternative Energien und innovative und soziale Dienstleistungen im ländlichen Raum finanziell unterstützt.
“Die Gesamtheit dieser Maßnahmen der Bundesregierung und des Landes Brandenburg werden dazu beitragen, den Standort Schwedt sowohl bei den aktuellen Herausforderungen als auch bei den Transformationsprozessen, die vor ihm liegen, wirksam zu unterstützen.” heißt es abschließend.
Stimmen
Der energiepolitische Sprecher der FDP Brandenburg Amid Jabbour: “Die Entscheidung, die PCK Schwedt für sechs Monate unter Treuhandverwaltung zu stellen, war richtig und überfällig. Dies kann allerdings nur ein erster Schritt gewesen sein. Wir fordern Ministerpräsident Woidke und Bundeswirtschaftsminister Habeck auf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die PCK Schwedt in eine neue private Eigentümerstruktur zu überführen. Ziel muss es sein, am Standort Schwedt kurz und mittelfristig den Weiterbetrieb unter neuen privaten Eigentümern sicherzustellen. Das ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass die Region einen Strukturwandel bewältigen kann. Ministerpräsident Woidke muss in Gesprächen mit der Bundesregierung darauf drängen, den Strukturwandel in der Uckermark durch eine von Land und Bund getragene Initiative zu gestalten.”
SPD-Landesgruppensprecher Stefan Zierke: „Ich begrüße diese Entscheidung. Seit Monaten kämpfen wir auf allen politischen Ebenen für eine gute, sichere und verbindliche Lösung für die Schwedter und ihre PCK. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass sich die ständigen Mühen vor Ort gelohnt haben. Ich danke allen Beteiligten, allen Schwedtern, der Brandenburger Landesregierung und den Kollegen aus der SPD-Landtagsfraktion und vor allem Olaf Scholz, dass eine Grundlage geschaffen wird, die Raffinerie, ihre Angestellten und die Perspektiven in der gesamten Region mit der Treuhandverwaltung zu sichern. Tatsächlich haben viele Zulieferer aufgrund der russischen Eigentümerstruktur ihre Zusammenarbeit mit der PCK bereits eingestellt. Mit der Bundesnetzagentur haben wir nun einen staatlichen Partner, der den Erhalt und die Zukunft der Raffinerie sichert. Die Folgen des politischen Entschlusses, auf russisches Öl zu verzichten, werden nun auch politisch getragen. Der Transformationsfond wird Schwedt wirtschaftlich und finanziell helfen, die Übergangszeit zu gestalten. Für mich ist es am wichtigsten, dass es eine Arbeitsplatzgarantie gibt und der Weiterbetrieb nun unter staatlicher Aufsicht läuft. Ich danke den Schwedtern für ihren unermüdlichen Einsatz. Wir haben Euch stets gehört und Euren Interessen in Berlin ein Gesicht und ein Sprachrohr gegeben. Es gilt jetzt, die Übergangszeit zu gestalten und den Weiterbetrieb wirtschaftlich zu halten, um so die Weichen für eine Weiterentwicklung und eine erfolgreiche Zukunft des Wirtschaftsstandorts Schwedt zu stellen. Ich stehe solidarisch an der Seite der Raffinerie und ihrer Beschäftigten und werde als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter und als Sprecher der Landesgruppe Brandenburg der SPD-Bundestagsfraktion den anstehenden Transformationsprozess vor Ort und in Berlin eng begleiten.“
Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Daniel Keller: „Heute ist ein guter Tag für Schwedt und für Brandenburg. Das «Zukunftspaket» für die PCK-Raffinerie Schwedt ist ein Erfolg, der den Menschen in Schwedt und in der Uckermark eine gute Perspektive für die Zukunft gibt. Wir haben Wort gehalten. Ich danke dem Bundeskanzler Olaf Scholz für dieses klare verbindliche Bekenntnis zum Industriestandort Schwedt. Es war absolut richtig, dass Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke, Finanzministerin Katrin Lange und Wirtschaftsminister Prof. Dr. Jörg Steinbach den Druck auf den Bund hochgehalten haben.
Alle, die in unserem Land politische Verantwortung tragen, rufe ich dazu auf, jetzt alles für die Umsetzung und das Gelingen des Zukunftspakets zu tun. Wir brauchen jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung. Brandenburg kennt seine Verantwortung und wird die großen finanziellen Verpflichtungen annehmen. Für mich ist aber auch klar: wer das Ergebnis wider besseren Wissens schlechtredet und für parteipolitische Geländegewinne nutzen will, verrät die Interessen unseres Landes.“
Mitglied des Wirtschaftsausschusses und Schwedter SPD-Abgeordneter Mike Bischoff: „Die heutige Entscheidung ist ein konsequenter Schritt in die richtige Richtung. Arbeitsplatzgarantie und ein erhebliches Zukunftspaket für Investitionen in Schwedt sind schriftlich abgesichert. Das sind Kernforderungen der Region. Die kommende Zeit hat große Herausforderungen. Klar ist aber auch, dass ein Verbleib beim Mehrheitseigner, dem russischen Staat keine Entwicklungsperspektive für längst überfällige Zukunftsinvestitionen und die dauerhaft gesicherte Versorgung mit Öl hatte. Der Focus muss jetzt mit aller Kraft auf der Versorgung über Rostock, aus Polen und möglicherweise zusätzlich auch aus Kasachstan sowie auf massive Investitionen in neue Produktionszweige liegen.“
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg, Dr. Jan Redmann: „Der Bund ist Brandenburg in wichtigen Punkten entgegengekommen. Die ausgesprochene Beschäftigungsgarantie für die nächsten zwei Jahre bringt den Menschen etwas Planungssicherheit. Allerdings ist die entscheidende Frage, wie Schwedt künftig ausreichend mit Rohöl versorgt wird, weiter offen. Wir wissen, dass dafür die Pipeline nach Rostock erst in ein bis zwei Jahren ausreichend Kapazitäten besitzt. Mit Danzig gibt es aber noch keine verbindlichen Verträge, um zusätzliches Rohöl zu beschaffen. Das muss jetzt schnell geschehen, damit Ostdeutschland in ausreichendem Maße Diesel, Benzin und Kerosin zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung hat einer ganzen Region ihr Versprechen gegeben. Daran muss sie sich messen lassen.“
Wirtschafts- und Energiepolitischer Sprecher BVB / FREIE WÄHLER Fraktion Dr. Philip Zeschmann: „Wir begrüßen diese Entscheidung, das PCK unter Treuhandverwaltung zu stellen. Hierdurch bietet sich den Angestellten eine größere Sicherheit. Eine dauerhafte Garantie wird aber nur möglich sein, wenn auch die Arbeitsgrundlagen gewährleistet bleiben. Hierzu gehört eine Absage an den von der Bundesregierung geplanten Importstopp russischen Öls ab 2023. Dies kann sich das PCK, das kann sich Brandenburg nicht erlauben. Wir müssen erst grundlastfähige Versorgungssicherheit aus anderen Quellen schaffen, bevor derartige Sanktionen Sinn machen. Des Weiteren muss die Bundesregierung nun nach dem Eigentümerwechsel mit der polnischen Regierung die Ölversorgung des PCK über den Hafen Danzig und die entsprechenden Pipelines klären.“
Hintergrund
Unter Treuhand gestellt sind die deutschen Rosneft-Töchter, Rosneft Deutschland GmbH (RDG) und RN Refining & Marketing GmbH (RNRM), die jeden Monat Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus Russland nach Deutschland einführen. Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung ist, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr war. Zentrale kritische Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, IT-Unternehmen und Banken, aber auch Abnehmer, waren nicht mehr zu einer Zusammenarbeit mit Rosneft bereit – weder mit Raffinerien mit Rosneft Beteiligung noch mit den deutschen Rosneft-Töchtern, RDG und RNRM, selbst.
Rechtsgrundlage der Anordnung ist § 17 des Energiesicherungsgesetzes. Danach kann ein Unternehmen, das kritische Infrastruktur im Sektor Energie betreibt unter Treuhandverwaltung gestellt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung, das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. In Folge der Anordnung ist die Wahrnehmung der Stimmrechte der Gesellschafter ausgeschlossen und ihre Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis beschränkt.
Als Treuhänderin wird die Bundesnetzagentur eingesetzt, auf sie gehen die Stimmrechte aus den Geschäftsanteilen über.
Die Anordnung der Treuhandverwaltung erfolgte durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Sie ist am 16. September 2022 mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger wirksam geworden und zunächst auf 6 Monate befristet. Die Kosten der Treuhandverwaltung haben die RDG und die RNRM selbst zu tragen.
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pm/red