In Sibirien und der Ukraine Kältetote – na ja, in Rußland war’s schon immer kalt, denkt sich der deutsche Michel, also was soll´s? Hier haben wir nun fast östliche Temperaturen – ist halt so! Der Papst verteilt Weihnachtsgrüße via Twitter und der Bundespräsident wirbt um engagierte Bürger. Weihnacht – war da noch was? Außer krampfhafter Geschenksuche und verkrampfter Stimmung?
Christtag (von Norbert C. Kaser):
Leider ist der Friede nicht ausgebrochen. Leider herrscht in uns nicht die Ruhe des Beschenktseins. Leider kann ich an hochheiligen Tagen meine Sticheleien nicht ausbleiben lassen, doch ein wenig friedlicher will ich heute sein. Auch wenn ich kein Pfarrer bin, habe ich gedruckte Grüße und Wünsche zu verteilen: Lob sei allen Kellnern, die in diesen Tagen gut bei Fuß zu unseren feierlichen Wünschen stehen und laufen müssen, damit wir das letzte Geld in Festschmäusen und Tavernen loswerden können. Viel Trinkgeld sei ihnen beschieden. Trost für diejenigen Kaufleute, die auf mancher Ware sitzengeblieben sind und sich über den Ausverkauf gerade jetzt den Kopf zerbrechen müssen, wo man doch endlich einmal gern Ruhe hätte, beziehungsweise nicht oder pralle Kassen. Trost und verheißungsvolle Zukunft den Wirtsleuten, wenn etwa der richtige Schnee nicht kommen will, aber gegessen muß sowieso werden, gesoffen auch. Vor einem Infarkt verschone die Gehetzten der Herr. Lob für die Vagabunden und Arbeitslosen, denn die Gesellschaft läßt sie in Kälte und wirft ihnen keine Brotkrume vom gebogenen Tisch, denn sie müssen sich mit Fusel über die Tage retten. Lob den diensthabenden Ärzten und Pflegern, weil Krankheit und Tod die Weihnacht nicht scheuen. Trost den Eltern, die krampfhaft ihre ungezogenen Kinder beschenkt haben und wieder feststellen müssen, daß es die gleichen “Fratzen” geblieben sind. Lob den vollen Kirchen, denn manches verlorene Schaf läßt sich im neuen Pelze blicken. Lob dem Rundfunk und dem Fernsehen, die uns mit neuer Fadheit und heuchlerischer Andacht aus der Langeweile halfen.Vielleicht erübrigen wir Sportler, Freßsäcke und Frömmler noch einen Gedanken für die Gefangenen, Rauschgiftsüchtigen, Einsamen, Entführten und Säufer. Vielleicht? Vielleicht haben wir vergessen, wen wir vergessen haben. Ich meinesteils bin froh, wenn Spatzen und Hasen und Lawinenhunde gut über den Winter kommen und ich selber auch …. Wort zum Festtag.