Er wär’ der neue Pückler und auserkoren, Fremdenführer zu sein, in und um Branitz, offerierte Schauspieler A. mir gut gelaunt; selbstverständlich im historischen Gewand; wie auch seine Begleiterin, die Sängerin M., die sich extra für diesen Part ein himmelblaues, schulterfreies Kleid schneidern ließ, dazu die Haare hochgesteckt trug, so der Fürstin Lucie gleichend, mit der Pückler einige Zeit liiert war.
A. nahm vor meinem Schreibtisch Platz, schlug lässig die Beine übereinander: ein schönes Bild von einem Mann, der sich sonnte, am hiesigen Staatstheater engagiert zu sein.
Sie könnten als Hannes Jaenicke-Double durchgehen, sagte ich : A. widersprach: er sei er, und wolle das auch so in die Figur des Pückler einbringen, auch wenn manche meinten: ihm fehle mit 1,78 m die körperliche Größe – nun gut: locker mache er dies mit innerlichen Werten wett, schließlich wäre er ja neben der Schauspielerei, ausgebildeter Sänger.
Sieh an, dachte ich: der singende Fürst – wäre damals der King des Pop’s gewesen; hatte auch Kinder gern, auf einer Ranch oder war es ein großer Park, umschlossen von hohen Mauern, damit niemand floh.
Shutter Island, Ebbe, Flut. Keiner weiß mehr, was wahr, was Illusion. Wie träge der Verstand arbeitet, Kaleidoskop, Prismenwürfe , in Glashütte. Da verschoben sich auch laufend die Bilder, man braucht eine Lichtquelle, um die kristallinen Gebilde zu bestaunen.
Ich grüble: was wollte A. eigentlich von mir?
Lucie sitzt am Klavier und spielt Robert Schumann’s Kinderszenen – von fremden Menschen und Ländern – unglücklich; Pückler hat sich scheiden lassen, des Geldes wegen.
Machbuba, freigekauftes Sklavenmädchen aus Abessinien, kommt mit Zwölf nach Branitz: Gefangene in der Wüste, Gefangene im Park, Gefangene auf einer Insel.
Fremde Menschen, ferne Länder, bitterer Herzschlag, verloren auf dem Sklavenmarkt.
Was merkten Sie an, Durchlaucht?
A. natürlich gewandet im Kostüm kommt mit dem Boot von der Seepyramide, vom Tumulus zurück, und berichtet, dass Nutrias in das feuchte Fürstengrab eingedrungen wären, um Junge zu gebären.
Ich schmunzle, weiß, was es dort nicht gibt ..
Auf ihr Wohl Lucie, wenn Sie noch einmal die Güte hätten, Gnädigste, ja : Schumann wäre angenehm …
Ich werde mich vorher ein wenig frischmachen, die Fürstin seufzt: der Hermann hat’s gemocht, wenn ich nach dem Bade, was der Zerg gerichtet, noch ein wenig rumklimperte; schaute dann vom Musikzimmer in den Park, den er nach englischem Vorbild, dem märkischen Sand abtrotzte – sehen Sie hier, über die Greife hinweg …
In der Ferne plappert A., der sich als Fürst wähnt, zu einer Touristenmeute über die Bedeutung kulturellen Erbes, und die vornehme Pflicht das Selbe zu bewahren.
Die Ahnenbilder in der Diele des Schlosses lockern ihre strengen Mienen, dehnen sich in engen Rahmen, Aristokratie, mon amour, tut weh, der Pöbel ahnt es nicht.
Abendlicht . Stille .
In der oberen Etage, im Orientzimmer, wischt sich Machbuba eine Träne aus den Augen.
Gefangene in der Wüste, Gefangene im Park ….
Ach, hören Sie doch mit Napoleon auf, die Fürstin will jetzt Billard spielen, mit Blechen, dem lichtmalenden Griechenland – Verehrer, der, Freund des Hauses, oft Trost spendet in der Not.
Machbuba stirbt, Heimweh hat ihr das Herz zerrissen – neben Pückler war einzig der Zwerg, gut zum Kind gewesen.
Fremde Länder, fremde Gräber ,- törichter A., begreifst du nun, warum der Fürst die Pyramiden schuf, wess’ Geist ihn unaufhörlich vorwärts trieb?
Wären Land – und Seedreick verbunden, geschwind, mal mit dem Finger den Buchstaben nach, der zu erkennen ist, ha .
Der Zwerg hat’s mir beim Wein verraten, Lucie darf es auch nicht wissen; die Brave, etwas füllig, in die Jahre gekommen, noch immer trauernd, um den Geliebten, den überreich Beschenkten, der gerade in Paris dem König Aufwartung macht und noch nicht ahnt, dass Branitz letzter Ort auf Erden für ihn sein wird.