Auf dem Parkplatz vor der Kaufhalle hat’s gekracht. Passiert in letzter Zeit öfter; gut, dass ich gelaufen bin.
Diesmal hat’s Krücke aus dem Nachbareingang erwischt. Beim Rausfahren aus der Parktasche hat ein Opa seinen ‘Wartburg’ gerammt:Heckklappe verzogen, linke Rücklampe zertrümmert, Hängerkupplung schief…. Krücke, unrasiert, jammert; wollte morgen zur Ostsee. “Heidi hat sich so gefreut, extra neuen Badeanzug gekauft und teures Sonnenöl”.
Der Opa, als Schadensverursacher dingfest gemacht, will sich entschuldigen; Krücke winkt deprimiert ab.
Ich versuche zu trösten: “Lieber hier Blechschaden, als da oben unter ‘ner Kreidelawine verschüttet”.
Ist nicht zynisch gemeint: wir sind in der Vor- und Nachsaison auf Rügen und laufen immer die Strecke von Sassnitz zur Stubbenkammer, direkt am Meer lang, mit bangem Blick nach oben.
Windschief hängen da Bäume über’m Abgrund, mit blanken Wurzeln, die in Richtung See zeigen. Zudem ist die aufragende Wand mit Findlingen gespickt, die sich jeden Moment lösen können. Nach dem letzten Unfall soll jetzt wohl alles abgesperrt sein.
“Ist ja ein Wunder, dass bisher nichts passiert ist” sage ich zu unserer Wirtin. Die schüttelt den Kopf: “Fast jedes Jahr werden hier welche verschüttet, besonders bei Sturm und hohem Wellengang; wollten ja nicht hören, wenn wir Einheimischen gewarnt haben; dachten wohl, wir sind ‘n büschen düddelig, nur weil wir von der Küste sind.”
“In der “Rostocker Zeitung” stand davon aber nichts” zweifle ich …
“Nachrichtenverbot”, so die Wirtin … “von ganz oben, damit die Touristen nicht ausbleiben …”
Hier gibt’s auch Zoff: der Bäcker ist ausverkauft, weil morgen Feiertag ist …” jetzt schlägt’s Dreißig “fährt eine erboste Frau die Aushilfe an – “was sollen wir denn morgen essen “? Der Teenager, an Lippe und Nase gepierct, hebt entschuldigend die Arme: “ich hab’s so bestellt, wie mir Frau Übermuth aufgetragen hat”.
“Die Übermuth hat doch noch nie durchgesehen, deswegen fehlt die auch heute, ruft Silke, die ich unter den Meuterern entdecke; auch Peter ist dabei – wirkt ein wenig verändert, kommt vielleicht vom Streckverband, den er um den Hals trägt.
“Hast dich ja fein rausgeputzt”, sage ich. Peter rührt sich nicht, 12 Uhr-Western-Blick; wie früher bei der Fahne, als der Spieß schrie: “der Blick zum Vorgesetzten ist frei und geradeaus” , und hinzufügte: “außerdem Brust raus, ihr Banausen!”
Peter kann nicht lachen, trocken erzählt er: “Ich komme gerade mit meinem ATZ 300 um die Ecke gerauscht, um zum Frühstück noch ein paar Bouletten in der Kantine abzufassen …. auf einmal ist vor mir – mitten auf’m Betriebsgelände – ‘ne Grube; frisch ausgeschachtet, und nicht abgesichert … mit den Vorderrädern rutsch’ ich durch den Schwung noch rüber; die Hinterräder jedoch krachen ein; ich mit der Baggerschnauze nach oben; der Gurt verkeilt sich, an die Hupe komme ich nicht ran …. hat auch keiner was bemerkt , .. sitzen alle schon in der Kantine.
Mit monotoner Stimme gibt Peter weiter Bescheid: “Am Himmel fliegen ein paar Singschwäne vorbei, drüberweg ein Flugzeug – ich kann nur die Augen bewegen; Siggi meinte: “Die Schwäne ziehen zu ihren Nistplätzen, kurz hinter Byhlegure, da brüten die ihre Jungen aus”.
“Und, wie biste wieder freigekommen”? frage ich. “Nach dem Frühstück kam meine Brigade aus der Kantine, natürlich schön vollgestopft mit Elviras Bouletten und da haben die sich erstmal kribblig gelacht; Benno hat kaum noch Luft gekriegt , welche haben sofort Foto’s für “You Tube” geknipst … bis endlich Kalle, unser Brigadier, sagte: “Welcher Hornochse hat eigentlich das Loch nicht abgesichert ?”
“Ruhe im Glied ….. denkste einer hat sich gemeldet! … dem Lehrling ist dann eingefallen, alle sollen vorne in die Schaufel klettern; durch das Gewicht senkt sich der Bagger, die Hinterräder kommen hoch und ich soll dann, weil das Ding Allrad hat, Gas geben ….”
“Hat auch geklappt und zum Glück war der dicke Kuno mit dabei ….” Peter schnaufte und schaute auf die Backhilfe: “hab’ mir eben nur den Hals ein bissel verrenkt – und jetzt gibt’s hier nicht mal Brot, in der Saftbude.”.
“Kocht euch doch ‘ne Büchsensuppe oder grillt hinten auf dem Hof”, sage ich …. “die anderen warten schon; Klaviermusik gibt’s auch: das neueste Stück heißt : Kuckkuck … Kuckkuck …. Siggi kam vorhin mit Fernglas rausgerannt und rief: der ist ja in diesem Jahr früh da. Irrtum , Siggi, der war nie weg, der hat sich hier eingenistet, für immer, brauch nicht mal ‘nen eigenen Baum.”
Ich sage Peter und Silke Tschüß, wünsche gute Besserung und gehe in die Kaufhalle. Mal sehen, wenn ich heute noch treffe? … die Kaufhalle ist ja einer der wunderlichsten Orte auf diesem Planeten.
Fortsetzung folgt ….