Am westlichen Ende der Karl-Liebknecht-Straße, in der Nähe des Viehmarktes, wohnte Kohlenhändler Schuppan – eine Hüne von einem Mann, dem man das gute Leben ansah, dass er führte.
Er hatte einen Esel im Stall zu stehen, den fahrende Zirkusleute bei ihm für den Winter untergestellt hatten, nachdem der Kohlenhändler mit Handschlag versicherte, gut für das Tier zu sorgen.
Kaum waren die Artisten abgereist, stand der Graue jedoch angespannt vor einem der hölzernen Leiterwagen, mit denen Schuppan seine Ware ausfuhr.
Auf dem Hof war immer Betrieb, auch in den heißen Sommermonaten, denn da gab es die Kohle preisgesenkt.
Keiner wagte sich mit dem wuchtigem Händler anzulegen; früher oder später musste man ja doch zu ihm hin, und wer wollte schon im Winter frieren.
Ausweichen ging auch nicht, weil die andere Kohlenhandlung in der Stadt Schuppans Schwester gehörte; einem Kette rauchenden, vergeiztem Frauenzimmer, dass sogar Sonntag den Weg in die Kirche scheute, um die Kollekte zu sparen.
Vor Jahren hatte sie einen schmächtigen, unterwürfigen Mann geheiratet, der aber irgendwann unter mysteriösen Umständen verschwand. Alle Nachforschungen der Polizei blieben erfolglos. Nach geraumer Zeit bestand die Alleingelassene darauf, wieder mit Fräulein Schuppan angeredet zu werden.
Die Jahreszeiten wechselten, die Kohlehaufen auf beiden Höfen nahmen zu und schmolzen. Nur ein Brikettungetüm auf dem Gelass des Fräuleins behielt sein Volumen, wurde nicht angerührt; selbst nicht, als in einem grimmigen Winter fast alle Vorräte aufgebraucht und die Leute mit Eimern vor dem Tor standen und um Heizmaterial bettelten.
Der Stadtrat schritt ein und verpflichtete die Händlerin zur Herausgabe des kostbaren Gutes. Die erklärte ihren Hof zur Burg, verbarrikadierte sich und fütterte ihren Ofen in der Zeit mit irgendwelchem stinkigen Zeug , so dass übelriechender Rauch aus dem Schornstein quoll und die Umgebung verpestete. Nach drei Tagen öffnete sich die Hoftür, das Fräulein stand rauchend an der Waage und verkaufte wieder Kohlen.
Mir hatte die Mutter 11,70 Mark gegeben, für 6 Zentner gepresste Briketts. Normalerweise kosteten die 14 Mark, nur wer den schweren Wagen mittels Muskelkraft allein nach Hause zerrte, bekam Nachlass. Die Gebühr für den Leiterwagen mit langer Deichsel betrug 70 Pfennige.
Die Füße fest ins Pflaster gestemmt, zog ich den Wagen nach Hause. Nebenbei musste ich noch auf meinen kleinen Bruder aufpassen, der auf dem Kohlenhaufen thronte, ganz laut “Hüüha” schrie und mir wahrscheinlich am liebsten eins mit der Peitsche übergezogen hätte.
Angekommen hob ich Martin runter, drückte ihm eine Stange Lakritz in die Hand und griff zur Schaufel. Ich war schließlich der Mann im Haus – Vater war vor Jahren, infolge eines Unfalls verstorben.
6 Zentner Kohle sind nicht viel, werden Sie sagen, stimmt: aber nicht, wenn man erst 12 ist.
Ich schippe das Zeug vom Wagen runter, muss es dann in den Keller tragen. Ich schwitze, keuche, Martin brüllt, Schnauze voll; gleich ist es um 6, der Wagen muss zurück.
Nach einer Weile sehe ich aus wie der Kohlenmunk-Peter: rußig , schweißverschmiert; Rachen, Schleimhäute verstopft, Hände und Waden schmerzen. Elendes Leben. Plötzlich bemerke ich ein Funkeln im Kohlenstaub; mein Gott, die Sonne geht schon unter, schaue genauer hin und sehe einen massiven Goldring im griesligen Schwarz.
Ein Märchen, denke ich.
Es ist still. Martin hat aufgehört zu plärren. Die Uhrzeit ist mir egal. Der Ring ist innen graviert ….
“Lässig kutschiere ich die nächsten Jahre bergeweise Kohle nach Hause. Der Wagen wird vom Grauesel gezogen. Schuppan hatte ihn seiner Schwester überlassen, nachdem sich die Zirkusleute nicht mehr gemeldet hatten.
Avanti, avanti, Sancho rufe ich und knalle vergnügt mit der Peitsche.
Das Leben kann so schön sein!