Nun ja, Wünsche sind etwas Schönes. Man stellt sich etwas vor und hofft, daß es wahr wird. Genau genommen ist vielleicht die Hoffnung das Schöne daran, denn bekanntermaßen ist die Erfüllung ungewiß. Es gibt natürlich auch Wünsche die von vornherein völlig illusorisch sind. Beispielsweise solche, welche verantwortungsbewußtes politisches Handeln voraussetzen, denn die Politik ist heute mehr denn je von der Wirtschaft prostituiert.
Und die Zukunft ist in die Jahre gekommen.
Begegnung mit Frau Zukunft – von Jura Soyfer
Bitterböser Winterwind fuhr mir heulend in die Haare, und ich stand, vor Nebel blind, an der Kreuzung zweier Jahre. Stand und wartete gespannt, (weil ich´s ziemlich eilig hatte), daß des Schutzmanns starke Hand uns den Übergang gestatte… Die Minuten krochen hin, und er wollt´ und wollt´ nicht winken, und da kam´s mir in den Sinn, unterdes vom Punsch zu trinken. Ob ich einmal oder mehr anteil nahm an dieser Segnung, weiß ich nicht. Doch kurz nachher hatt´ ich folgende Begegnung.
Saß ein Weiblein, krumm und alt, an des alten Jahres Ecke; unter ihr glänzt´ der Asphalt, über ihr die Sternendecke. Trug ein Schild – wie staunte ich, als das Schildchen ich gelesen, drauf ihr Name säuberlich schwarz auf weiß gemalt gewesen! “Zukunft” las ich! Und ich hab´ Mund und Augen aufgerissen. “Zukunft” las ich nochmals ab! Und fast hätt´s mich umgeschmissen. Doch da wurden wir schon mehr: Menschen schwirrten an wie Fliegen, sammelten sich ringsumher, sah´n zur Zukunft hin und schwiegen… Manche lächelten sie an. Sie war arm zum Herzzerbrechen! Kinder weinten. Da begann die Frau Zukunft leis´ zu sprechen:
“Liebe Leut´, warum der Schreck? Wozu das verleg´ne Schmunzeln? Unsre Jungend schwindet weg, und das Alter gräbt die Runzeln. Runzelwerk und graues Haar – nun, mich trifft´s, wie jede andre! Wißt ihr nicht, wie viele Jahr´ ich auf dieser Welt schon wandre? Stolz und Schönheit fliehn vorbei, merkt´s, ihr lieben, jungen Frauen! Anno Schnee und einst im Mai war ich blühend
anzuschauen… Einer jeden wünsche ich, daß sie so sich konserviere, wie ich´s konnte! Ach, für mich schwärmten hohe Kavaliere!
Thomas Morus hat für mich die “Utopia” geschrieben, Marquis Posa hat´s für mich vor dem König arg getrieben! Colons Schiff, aus gutem Holz, nahm mich mit zu den Hebriden – Kant, ein alter Hagestolz, sprach zu mir “vom ewigen Frieden”! Advokaten haben mich einst vor dem Konvent verkündet, ein Geheimrat schrieb an mich, als sein Freund, der Faust, erblindet! Denn ich war
verlockend schön! Merkt´s ihr lieben, jungen Frauen, gllücklich, wen ich auserseh´n mich, die Zukunft, zu erschauen!
Allerdings – das ist vorbei. Bin nun grau und voller Falten, hocke still und prophezei´ – muß mich schlecht und recht erhalten… Schöne Damen! Werte Herr´n! Liebe Kinder und Soldaten! Kommt! Ich sag´ euch euren Stern nach den unfehlbarsten Daten! Zieht euch selber euer Glück! Seht, wie billig ich euch helfe: jedes Glück ein Nickelstück und für einen Schilling zwölfe!”
So Frau Zukunft. Und zum Volk sprach sie laut in Fisteltönen viel von Liebe und Erfolg, Aufstieg sowie hohen Löhnen… Manche hielten schon zerknüllt der Frau Zukunft bunte Zettel. Schimpften ziemlich unverhüllt oder lachten: “Alte Vettel!” Schließlich schwieg sie, ganz bedrückt. Einer schrie aus voller Lunge: “Die g´hört in Pension geschickt! Suchen wir uns eine Junge!”
Arme Zukunft, alt und krank….! Doch da winkte, Gott sei Dank, schon der Schutzmann! Wie im Fieber stürtzten wir die Zeit entlang in das neue Jahr hinüber.