Die Zeugnisübergabe war vorbei. Zum letzten Mal saßen wir hinter unseren zerschrammten Schultischen. Geschafft !
Nie wieder schworen wir, betreten wir diesen Klassenraum, die langen Flure, überhaupt das Schulhaus. Die Lehrer würden wir fortan auf der Straße verächtlich ignorieren.
Ein unangenehmer Vertreter dieser Zunft stand in der letzten Stunde an der Tafel: Zeichenlehrer Löffel .
Hochaufgeschossen, beginnende Halbglatze, aufgesetzte Umgangsformen.
In der ganzen Art des Mannes lag eine latent spürbare Überheblichkeit gegenüber Schülern, aber auch anderen Kollegen, die Fächer wie Sport oder Werken unterrichteten.
Löffel, der auch noch Deutsch und Literatur gab, fühlte sich als Künstler berufen. Nach Schulschluss leitete er einen Zirkel für Erwachsene; Angestellte, Ingenieure und Handwerkerfrauen lernten dort die Grundbegriffe darstellerischen Gestaltens.
Löffel also fragte leutselig, was wir beruflich werden wollen. Brav zählten die meisten ihre Wünsche auf: Lokführer, Krankenschwester, Offizier bei der Bereitschaftspolizei. Der dicke Tilo und die etwas verwachsene Marianne gaben sogar an, dass für sie nur der Lehrerberuf in Frage käme.
Mit guten Abschlussnoten ginge das schon, sinnierte Löffel und schaltete plötzlich auf Angriff: wer eben nur Vieren und Fünfen vorweisen könne, für den bliebe nur der Bau als Alternative.
Wer will den Bauarbeiter werden, fragte er hinterhältig und zog das Wort verächtlich in die Länge.
Trotzig standen Manfred Jähnel und ich auf.
Hab’ ich mir schon gedacht, räsonierte der Zeichenclown, alles andere wäre ja auch ein Wunder.
In der Klasse war es mucksmäuschen still. Jähnel, wegen seiner roten Haare auch Fox gerufen und ich, Sonne, guckten starr geradeaus und lauerten auf ein Grinsen oder Schadensfreude. Das blieb aus. Wir waren berüchtigte Raufbolde und die Crew wusste, dass es bei Häme nachher erbarmungslos Dresche geben würde. Zerbeult nach Hause zu kommen, am letzten Tag, das wollte keiner riskieren.
Fox und ich verließen erhobenen Hauptes den ungastlichen Ort.
Ein Pauker, wie Löffel, konnte uns nichts anhaben.
Proletarier aller Länder vereinigt euch!
Vier Wochen später begann unsere Lehre, als Baufacharbeiter …