Seit einiger Zeit erregt der Gedanke, eine Seilbahn vom Hauptbahnhof zum Cottbuser Ostsee zu bauen, die Gemüter. Der Verkehrsclub Deutschland, Kreisgruppe Cottbus hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt und äußert sich öffentlich. Dabei steht die Wirtschaftlichkeit des Projekts im Vergleich zu anderen Seilbahnen genauso in Frage, wie die Nutzung als öffentliches Verkehrsmittel mit einer Nahverkehrsfunktion für die künftige Seevorstadt.
Es existiert eine Webseite, auf der folgender Streckenverlauf skizziert wird: Über Zwischenstationen mit Halt am Bahnhof Sandower Dreieck sollen das Stadion der Freundschaft und die Parklandschaften vom Spreeauen- über den Tier- bis zum Branitzer Park angebunden werden. Über eine weitere Zwischenstation soll auch die künftige klimaneutrale Seevorstadt ans öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen werden.
In seiner Einschätzung bezweifelt der VCD Cottbus, ob eine Seilbahn für diese Strecke das geeignete Verkehrsmittel ist. „Seilbahnen machen vor allem dort Sinn, wo schwierige geografischen Bedingungen wie Höhenunterschiede oder Gewässer überwunden werden müssen. Höhenunterschiede haben wir in Cottbus nicht und die Spree kann über die Sandower Brücke überquert werden“, führt Dieter Schuster, Sprecher des VCD in Cottbus dazu aus, Er bezweifelt außerdem, ob die Streckenführungen bis zum Tierpark oder Branitzer Park realistisch ist, da dies die Kosten und Fahrzeiten deutlich erhöhen würde. Außerdem besteht mit der Parkeisenbahn bereits ein touristisch attraktiver Anschluss zu den genannten Zielen.
Die Seilbahn im Verkehrsmittelvergleich
„Zur Nutzung der Seilbahn im Cottbuser ÖPNV-System ist die Anbindung an das Netz erforderlich, etwa am Sandower Dreieck. Doch ist ein Umstieg von einer Seilbahn in eine Tram zeitlich und physisch weit aufwändiger als ein Umstieg von Tram zu Tram oder zum Bus. Auch die Mitnahme von Kinderwagen und Rollatoren lässt sich bei einer Seilbahn nur über einen Aufzug regeln. Außerdem ist sie mit Spitzengeschwindigkeiten um die 20 km/h vergleichsweise langsam“, erklärt Schuster. Im Vergleich zu Straßenbahnen ist der Bau einer Seilbahn in der Regel günstiger. Problematischer sind die Kosten für den Betrieb. Aus Deutschland sind bisher kaum vergleichbare Daten zu den Betriebskosten von Seilbahnen und Straßenbahnen bekannt.
Als Anhaltspunkt können hier aber die die Ticketpreise und Betriebsstrecken bekannter Seilbahnen herangezogen werden.
Ein Einzelfahrschein für die Seilbahn kostet in
- Koblenz: 12,50 € (hin und zurück) für eine Fahrstrecke von 890m
- Köln: 4,80 € für eine Strecke von 930m
- Berlin: 6,50 € für eine Strecke von 1,5 km.
- Cottbus: ?? € für eine Strecke von ca. 6 km
Nur Köln kostendeckend
Aussagen zur Kostendeckung macht ansatzweise leider nur Köln (Info der Redaktion: 1,1 Millionen Einwohner, 550.000 Übernachtungen im Jahr 2019 – Metropolregion Ruhrgebiet mit 5,1 Millonen Einwohnern): Hier werde eine „Schwarze Null“ erreicht, kann man auf der Webseite lesen. Zum Vergleich: Der Einzelfahrschein AB kostet aktuell in Cottbus 1,90 €. Rechnet man den Anteil hinzu, den die Stadt zuschießt, kommt man auf rund 3,20 € (Selbstkostenpreis). „Natürlich kann man von den Betriebskosten vorhandener Bahnen nicht direkt auf die einer zukünftigen Bahn schließen, doch es gibt uns sehr zu denken, dass bisher ähnliche Seilbahn-Projekte in Wuppertal und Leonberg nach den Machbarkeitsstudien aus Kostengründen auf Eis gelegt wurden“, erklärt Schuster.
Seilbahnen die im Rahmen von Internationalen Gartenschauen errichtet wurden, wie in Rostock und Hamburg, wurden wieder abgebaut. Die Seilbahn in Berlin (IGA 2017) betreibt der Seilbahnhersteller selbst die Bahn in Marzahn-Hellersdorf (Baukosten 14 Millionen Euro für 1,5 Kilometer) bezuschusst der Berliner Senat ab 2021 jährlich mit 1 Million Euro und diskutiert eine Einbindung in den ÖPNV. Derzeit fährt sie nur zu “Touristenzeiten”, weiterer Diskussionspunkt im Senat war, dass Seilbahnen bei Unwetter ihren Betrieb einstellen müssen, was die Nutzung als Nahverkehr einschränkt.
Tram die bessere Alternative
Die Anbindung des Hafenquartiers könnte man nach Auffassung des VCD Cottbus sehr gut durch eine Verlängerung der Tram-Linie 2 realisieren. „Die Verlängerung der Tram hätte den Vorteil einer weitgehend umstiegsfreien Verbindung. Die Straßenbahn würde sich zudem problemlos in den Betrieb des bestehenden öffentlichen Verkehrs in Cottbus einfügen“, plädiert Schuster.
Auch Ralf Thalmann, Geschäftsführer von Cottbusverkehr, hatte sich zu einer möglichen Seilbahn im Jahresinterview mit Niederlausitz aktuell geäußert -> Video anschauen und lesen
Crowdfundingprojekt für Öffentlichkeitsarbeit
Die Ideengeber der Seilbahn in Cottbus haben ein Crowdfundingprojekt in Höhe von 2.000 Euro abgeschlossen, womit Broschüren, Informationsabende und ein interaktiver Internetauftritt finanziert werden soll, um über das Projekt zu informieren. Weiteres Ziel ist eine Machbarkeitsstudie zu dem Thema. Hinter dem Projekt stehen die Werbeagentur “zwei Helden” und der Puls e.V., der auch das Gründerzentrum “Zukunft Lausitz” betreibt.
Hintergrund VCD Brandenburg
Der ökologische Verkehrsclub VCD-Brandenburg setzt sich für eine umwelt- und sozialverträgliche, sichere und gesunde Mobilität in Brandenburg ein. Geleitet von dem Gedanken einer globalen Verantwortung, engagiert er sich auf lokaler und regionaler Ebene für eine klimaverträgliche, nachhaltige Verkehrspolitik. Seit 1991 kämpft der VCD für ein gerechtes und zukunftsfähiges Miteinander aller Menschen auf der Straße – egal, ob sie zu Fuß, auf dem Rad, mit Bus und Bahn oder dem Auto unterwegs sind.