Die Cottbuser Kulturszene könnte demnächst um einen Ort ärmer sein. Der Club “Scandale” in der Innenstadt gegenüber dem Staatstheater Cottbus musste offiziell zum 26.11.2018 seine Türen schließen und befindet sich derzeit im Widerspruchsverfahren, daher ist er noch geöffnet. Das ist das Ergebnis von Gesprächen, die die Stadt mit Betreiber Philipp Gärtner führte. Am Ende stand die Ablehnung der Umnutzung der Räumlichkeiten als Vergnügungsstätte, mit der Begründung “dass an dieser Stelle keine Vergnügungsstätte möglich wäre”. Jahrelang hatte das Bauordnungsamt die Nutzung ohne eine formale Umnutzung geduldet. Philipp Gärtner hat eine Onlinepetition gestartet, um noch einmal den Stellenwert des Clubs zu verdeutlichen.
Ein Blick zurück: Im Jahr 2011 als das Scandale eingezogen ist, hieß es auf Nachfrage von Philipp Gärtner auf einen Umnutzungsantrag der Räumlichkeiten für eine Vergnügungsstätte beim Cottbuser Bauordnungsamt “Wo kein Kläger, da kein Richter.” zu der neuen Nutzung des Kellergeschosses. Es gab noch die Vergnügungssteue, die entrichtet wurde, so dass die Stadt auch über die tatsächliche Nutzung Bescheid wusste. 2014 musste eine Brandschutztür als weiterer Notausgang eingebaut werden – gefordert, erledigt – es gab eine erneute Anfrage, ob nicht die Nutzung des Objekts doch komplett geregelt werden könne, wieder kam laut Gärtner die selbe Aussage aus der Stadtverwaltung. Kurz darauf wurden Wohnungen in direkter Nähe saniert. Das Bauordnungsamt kam auf Gärtner zu und wollte die Umnutzung doch durchführen.
In der Zeit wurden aus Studenten andere Bewohner und die Beschwerden über “Soziallärm” begannen. Es wurde ein Lärmschutzgutachten erstellt und ein Bauantrag durch einen Architekten eingereicht. Die Kosten für Philipp Gärtner belaufen sich auf rund 10.000 Euro. In dem Lärmschutzgutachten wurde bescheinigt, dass zwar die Richtwerte für nächtliche Lärmwerte zeitweise um knapp 10 dB überschritten werden, sie aber auch noch gut 10 dB unter den Grenzwerten von 65 dB liegen, die Richtwerte könnten aber mit “organisatorischen Eingriffsmöglichkeiten zur Lärmminderung durch den Betreiber” eingehalten werden. “Ich habe erfahren, dass in der Sache Unterschriftenlisten in der Nachbarschaft gegen uns rumgingen, aber keiner kam auf mich zu, um Probleme zu schildern.” so Philipp Gärtner, die Stadt war so in Zugzwang. Es kommt fast automatisch die immer wieder kehrende Frage auf, warum ziehen Menschen an Orte, von denen sie wissen, dass es laut sein kann und beschweren sich dann darüber.
Die Überraschung kam wenig später, der Bauantrag wurde abgelehnt, nicht mit Auflagen die beispielsweise aus Lärmschutzgründen zu erfüllen seien, sondern mit der Begründung, dass an der Stelle keine Vergnügungsstätte möglich sei. “Das verwunderte mich sehr…dann hätte ich die Gutachten und den Antrag ja garnicht stellen brauchen, wenn eine Vergnügungsstätte eh von vornherein augeschlossen wird “, so Gärtner. Die Ablehnung des Bauantrages kostete ihn im Übrigen eine weitere vierstellige Summe. Er will der Stadt auch nicht den schwarzen Peter zuschieben, die aufgrund der Beschwerden in Zugzwang ist, aber die Begründung ärgert ihn sehr, daher ist er in Widerspruch gegangen und muss wieder Geld investieren, das nicht beispielsweise in Lärmschutzmaßnahmen fließen kann. “Ich möchte mit der Stadt eine Lösung finden und im Gespräch bleiben, damit wir zumindest solange offen bleiben können bis wir einen Ersatz gefunden haben. Auch da benötige ich die Unterstützung der Stadt und bin froh, dass sich die Verwaltung bemüht, eine Lösung zu finden.” sagt Gärtner.
Ohnehin ist Cottbus nicht mehr gespickt mit Kulturorten für Jüngere und Junggebliebende. Das PrimaWetter, ein Stadtstrand mit Bar und Pool oder die “Auguste Bergmann”, ein urbanes Gartencafé und eine Bar, diese waren Emporkömmlinge der letzten Jahre in der Cottbuser Innenstadt, alle mussten ihre Türen wieder schließen, weil oft Eigentumswohnungen an den Orten entstehen sollten. Das PrimaWetter zog sogar einmal in die ehemalige Gartenkolonie “Abendfrieden” zwischen Lagune und Uni um, deren Pächter mussten vorher schon das Feld räumen, da ebenfalls Eigentumswohnungen entstehen sollten, passiert ist bis heute nichts. Lediglich die Kleingärten wurden beräumt und viel Streit um die Abfindungen der Kleingärtner kam auf.
Nun trifft es also auch das Scandale in der Karl-Liebknecht-Straße. Ein kleiner Kellerclub, draußen weiße Pagodenzelte, in dem sich öfter Musikstars schon die Klinke in die Hand gaben. Jüngstes Beispiel war der Sommer 2018, niemand geringeres als die Beatsteaks luden zum exklusiven Wohnzimmerkonzert vor 100 Leuten ein. Die Tage darauf spielten sie vor der ausverkauften Wuhlheide in Berlin. Auch Mitarbeiter der Cottbuser Stadtverwaltung waren in dem Club anzutreffen, geholfen halt es wohl bisher nichts. Der Bassist einer der erfolgreichsten deutschen Rockbands legt öfter selbst im Club (DJ Totze Trippi) auf, neben DJ-Größen wie DJ Hell oder Markus Kavka, selbst Matetria und Jennifer Rostock ließen sich im Scandale blicken. Das Filmfestival Cottbus nutzt den Club für Partys während des Festivals, hunderte ausländische Regisseure, Filmproduzenten, Sponsoren und Cottbuser feierten zu osteuropäischer Musik.
Hinter den Kulissen wird schon eine ganze Weile gearbeitet, nun ist es vorläufige Gewissheit. Doch kampflos die Segel streichen will Philipp Gärtner nicht. Er hat eine Onlinepetition gestartet, um der Stadt zu zeigen, dass viele Menschen für den Club sind und er in Cottbus gebraucht wird. Seitdem sie online ist, haben schon einige hundert ihre Unterschrift geleistet, der Tenor in den über 300 Kommentaren ist eindeutig, “ohne Scandale gibt es nichts mehr, wo man noch hingehen könnte” heißt es nur beispielhaft. Auch DJs aus dem europäischen Ausland, die schon im Scandale aufgetreten sind, äußerten sich bereits. Vor kurzem hat das Scandale am 9.12.2018 noch seinen siebten Geburtstag gefeiert, es könnte der letzte gewesen sein.
Update: In einer ersten Reaktion vom Freitagabend bestätigt die Stadtverwaltung den Sachverhalt. Pressesprecher Jan Gloßmann: “Es gab Beschwerden aus der Nachbarschaft. Daraufhin mussten wir eine Nutzungsuntersagung aussprechen, gegen die Widerspruch eingelegt worden ist. Das Verfahren läuft, darin enthalten sind Gespräche über die Zukunft der Einrichtung. Der Abschluss dieser Gespräche muss und sollte von allen Beteiligten abgewartet werden.”
Vor ein paar Jahren sollte ein anderes Kulturgut in Cottbus schonmal zugemacht werden. Im Zuge der Kreisgebietsreformgespräche brachte Ministerpräsident Dietmar Woidke eine Zusammenlegung des Jugendtheaters Piccolo mit dem hiesigen Staatstheater ins Gespräch, die Cottbuser Kulturszene wehrte sich erfolgreich.
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