Seit zwei Wochen gastiert im Menschenrechtszentum Cottbus die Ausstellung des Anne Frank Zentrums „Deine Anne“. Diese Woche besuchte eine ungewöhnliche Gruppe die Ausstellung. Fünf- bis sechsjährige Kinder der Cottbuser Kindertagesstätte „Anne-Frank“ kamen in Begleitung ihrer Erzieherinnen und einiger Eltern in die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus und setzten sich intensiv mit der Biografie und den Lebensumständen von Anne Frank und den Juden im Dritten Reich auseinander. Die Ergenisse des ungewöhnlichen Besuchs sind erstaunlich.
Auf die Idee kam die 28-jährige Erzieherin Nicole Wohne. Sie selbst ist seit ihrer Jugend von dem Leben und Leiden Anne Franks beeindruckt, besitzt alle Bücher zu dem Thema, hat alle Filme dazu gesehen. Der Name des Kindergartens ist für sie eine Verpflichtung. Kindergartenleitung und Eltern begrüßten ihre Initiative und waren dafür dankbar, die Namensgeberin des Kindergartens den Kindern näher zu bringen. Ziel war es, die noch kleinen Kinder mit der Lebensrealität eines verfolgten Mädchens zu konfrontieren, einen Bezug zu ihrer eigenen heutigen Realität herzustellen und nicht über die Nationalsozialisten oder Konzentrationslager zu sprechen und die Kinder damit in Angst und Schrecken zu versetzen.
Die Auseinandersetzung mit den Inhalten der Ausstellung wurde nicht auf den einstündigen Besuch beschränkt. Eine intensive Vor- und Nachbereitung fand im Kindergarten statt. Es sollten nur ausgescuhte Kinder daran teilnehmen, die das Verständnis für solche komplexe Inhalte aufbringen können. Das Experiment ist aufgegangen und übertraf die Erwartungen der beteiligten Erzieherinnen und Eltern. Die Kinder waren von den Bildern und den Geschichten dahinter beeindruckt – den Frauen mit rasierten Köpfen, den jüdischen Kindern, die keine Fahrräder mehr besitzen durften, den Menschen in den Schlafanzügen, womit die KZ-Uniformen gemeint sind, aber auch den Kindern die arbeiten mussten. „Kinder dürfen doch nicht arbeiten“, sagte in der Auswertung ein 6-jähriges Mädchen. Dass Menschen ins Gefängnis geworfen wurden, an allem schuld sein sollten und sterben mussten, weil sie Juden waren, war für die jungen Besucher unmöglich. Ebenso war für sie verwerflich, dass Piloten Bomben über Häuser werfen, sie zerstören und vielfach dabei Kinder sterben.
Das Leben im Hinterhaus in Amsterdam war der Bezug zu ihrer eigenen Realität. „Für die Kinder, die heute so viele Freiheiten genießen und Schwierigkeiten haben, über einen längeren Zeitraum leise zu sein, war unbegreiflich und unvorstellbar, hunderte von Tagen leise sein zu müssen, nicht draußen spielen oder aus dem Fenster schauen und nur nachts auf die Toilette gehen zu dürfen“, konstatiert die Erzieherin Nicole Wohne. Wenn so junge Kinder so viel Verstand aufbringen, sich selbst reflektieren und sagen können „zum Glück bin ich nicht früher geboren“, kann man von einer gelungnenen Veranstaltung sprechen. Nicole Wohne würde diese Ausstellung jederzeit mit Kinder dieser Altersgruppe wieder besuchen.
In den vergangenen zwei Wochen haben bereits über 15 Schulklassen zwischen der 7. und 10. Klasse die Ausstellung, die bis Ende Mai noch im Menschenrechtszentrum Cottbus zu sehen ist, besucht. Viele weitere Anmeldungen liegen noch vor.
Quelle: Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.