Mit der Zeit ist das in der Tat so eine Sache. Die Minuten vor dem Abpfiff können sich je nach Spielstand ausdehnen auf gefühlte Stunden oder verfliegen so schnell, dass man auf der Uhr nachschauen muss, ob überhaupt regelkonform abgepfiffen worden ist. Und noch vor kurzem – es ist ein halbes Jahr her – saß ich mit Freunden bei ein, zwei Bierchen zusammen und flachste, dass ich, falls Energie tatsächlich absteigen sollte, endlich Mitglied werde. Zu diesem Zeitpunkt lagen wir bereits mit acht Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz auf dem letzten Tabellenplatz. Trotz dessen habe ich mir nicht vorstellen können, dass wir tatsächlich absteigen sollten. Doch meinen Worten mussten wohl oder übel vor wenigen Wochen Taten folgen und meine Aktion “Energie steigt ab, wir steigen ein” fand letztendlich sechs weitere Mitstreiter.
Kurz nach unserem Eintritt fand auch schon die erste Mitgliederversammlung statt. Seit dem Abstieg ist schon etwas Zeit ins Land gegangen, die Wogen haben sich geglättet und der leidensfähige Energiefan hat sich, auch wenn es schmerzt, mit der Situation abgefunden. So kam es bis auf zwei Wortmeldungen nicht zu Schelte, Kritik oder ursachenerforschenden Fragen. Letzendlich war ja auch kaum ein Verantwortlicher anwesend. Stattdessen standen eine neuer Präsident, Sportdirektor und Trainer Rede und Antwort. Wolfgang Neubert, dem man sicherlich vorwerfen kann, dass er als ehemaliger Vize-Präsident in gewisser Weise nicht unschuldig an der sportlichen Misere ist, hielt aber eine überzeugende Ansprache. Vorbei scheint die Zeit der Worthülsen und Schönfärberei. Was will man auch schön reden? Er sprach sehr direkt Fehler der Vereinsführung an und erläuterte Konsequenzen, die daraus gezogen worden sind und werden. Dabei sprach er ohne Umschweife, gerade raus, so wie es der Cottbuser an sich eben praktiziert und gern hat.
Einige Tagesordnungspunkte später durfte auch der neue Trainer sein Wort an die Mitglieder richten. Und wie er anfing zu reden, schien zum ersten Mal an diesem Tag kurz die Sonne und fiel durch die milchigen Scheiben der vereinseigenen Turnhalle und Stefan Krämers Worte schienen gleichsam in die Herzen seiner Zuhörer. Er sprach nicht wie ein Blender, der uns das Blaue vom Himmel versprach. In der Tat nahm während der Versammlung keiner die magischen Worte “sofortiger Wiederaufstieg” in den Mund. Auf amüsante Art und Weise schilderte er uns, wie es dazu kam, dass er Trainer von Energie wurde und dass er anscheinend gern seine Freundin vor vollendete Tatsachen stellt. Großen Beifall erntete er mit der Aussage, eine Mannschaft zu wollen, die es wert ist, das Cottbuser Trikot zu tragen, von der er nicht wisse, wieviel Punkte sie am Ende einfahren wird, aber der es Spaß macht, zuzuschauen.
Ich bin ein Optimist -das ist, wie wir wissen, ein ungewöhnlicher Charakterzug, wenn man in Cottbus geboren ist- und schenke den Worten des Trainers und des Präsidenten Glauben. Ich vertraue darauf, dass man im Verein wieder mehr zu sich selbst und seinen Wurzeln findet, dass die Vereinsführung ein gutes Team zusammenstellt, der Trainer es schafft, ihr seine Spielphilosophie beizubringen und die Mannschaft des FCE wieder einen Fußball spielt, den man gerne und voller Begeisterung anschaut.
Nun lasst den Worten Taten folgen.
Zaimen