Als bekannt wurde, das zum hundertjährigen Beethovens in Cottbus die Freiheitsoper „Fidelio“ aufgeführt werden soll und daran auch Chöre aus der Region mitwirken können, bewarb sich der Chor „Liederkranz“ aus Groß Gaglow um die Teilnahme.
Als die Zusage kam, freute sich Christa Pohle (83) sehr. Sie wollte eigentlich Opernsängerin werden, doch als ihr Vater nur 14 Tage nach der Heimkehr aus dem 2. Weltkrieg verstarb, war ihre Mutter mit 3 Kindern in dieser schweren Zeit alleine und eine Ausbildung als Sängerin so nicht mehr möglich. Doch jetzt ist dieser Traum, auf einer Opernbühne zu stehen ganz nah.
„Wir schreiben das Jahr 2014, heute ist für mich wieder Chorprobe, denn ich singe in der Oper „Fidelio“ im Finale mit. Die Aufführung findet in einem früheren Gefängnis statt. Es ist jetzt ein Museum. Als ich heute durch den Eingang in das Gefängnis ging, kehrten meine Gedanken in das Jahr 1945 zurück. Damals, am 15. Februar, wurde Cottbus bombardiert und auch dieses Gefängnis wurde getroffen. Einige Häuser auf dem Gefängnisgelände sind jedoch verschont geblieben und mussten nun wieder hergerichtet werden. Da auch unsere Schule beschädigt wurde, fand kein Unterricht mehr statt. Ich hatte die 8. Klasse gerade beendet und bekam mein Abschlusszeugnis. Nun musste ich, damals noch 13- jährig, arbeiten gehen. Wir Schülerinnen wurden als Trümmerfrauen eingesetzt.
So kam es, dass wir auch im Gefängnis tätig wurden. Die Zellen sollten wieder gereinigt werden und das war für mich sehr schlimm. Einzeln wurden wir, mit einem Eimer voll Wasser und Lappen um damit die Möbel und den Fußboden zu reinigen, in die Zellen geführt. Dann wurde die Zellentür bis zum Ende der Reinigung verschlossen. Es war immer ein ungutes Gefühl, als die Tür ins Schloss fiel. Die Möbel in den Zellen waren rot, gelb oder blau angestrichen. An einem anderen Tag mussten wir auf dem Gefängnishof die Bombentrichter zuschütten. Auch dabei habe ich eine schreckliche Entdeckung gemacht, denn als ich beim Schippen auf etwas Hartes stieß und nun vorsichtig weiter grub, kam plötzlich ein Arm zum Vorschein. Mit Hilfe der Anderen legten wir eine Leiche frei. Wie wir an der Kleidung erkannten, war es eine Gefängnisinsassin.
Wenn wir über den Hof gingen, mussten wir nah an Gebäuden entlang laufen. Die Inhaftierten waren nun in den Kellern untergebracht worden und streckten uns durch die Gitterfenster ihre Hände entgegen. Für uns Mädchen ein trauriger Anblick.
Alle diese Erinnerungen kehrten heute auf dem Weg zur Chorprobe beim Gehen durch das Gefängnistor wieder zurück. Ich fühlte ein Unbehagen in mir aufkommen und konnte ein Zittern nicht unterdrücken. Doch Musik des schon übenden Orchesters holte mich in die Wirklichkeit zurück und riss mich aus meiner Gedankenwelt. Es ist schon eigenartig, wie sich vieles im Leben eines Menschen wiederholt, auch wenn es erst nach sieben Jahrzenten geschieht.“
So berichtet Christa Pohle mir von damals. Doch nun freut sie sich auf viele schöne neue Erfahrungen. Die Chorproben machen ihr sehr viel Spaß, sie singt nicht nur, sondern spielt in dem letzen Akt der Oper auch als Schauspielerin mit. Die Anspannung wächst von Tag zu Tag, denn nach Kostümproben und nun täglichen Gesang- und Spielübungen stehen am Freitag die Generalprobe und am 28.06.2014 schon die erste Aufführung an. Viel Aufregung für die Rentnerin aus Sandow, die neben den Proben auch noch für die Brandenburger Seniorenwoche an einer Lesung teilnahm, denn sie ist auch bei den „Zeitzeugen“, die sich einmal im Monat im Rathaus treffen aktiv und schreibt kleine Geschichten über ihr Leben, nun kommt eine weitere schöne hinzu.