Nach der stundenlangen Blockade des Kraftwerks Jänschwalde durch Klimaaktivisten (wie berichtet) wurde nun gegen vier Personen Untersuchungshaft angeordnet. Das teilte das Amtsgericht heute Morgen mit. Erst gestern hatte die Staatsanwaltschaft gegen insgesamt 18 Personen beim Amtsgericht U-Haft beantragt. Zwölf Personen wurden dem Haftrichter vorgeführt, tätigten die erforderlichen Angaben zu ihrer Person und wurden anschließend auf freien Fuß gesetzt. Weitere vier Personen verweigerten die Angaben zu ihrer Identität und wurden anschließend in die jeweilig zuständigen Justizvollzugsanstalten verbracht. Aus Sicht der Aktionsgruppe “Unfreiwillige Feuerwehr” wird das Verhalten von Polizei und Richter kritisiert.
Das Amtsgericht Cottbus teilte dazu mit:
Die Staatsanwaltschaft Cottbus hat am 20.9.2022 gegen 18 Personen (sogen. Kohlekraftgegner) bei dem Amtsgericht Cottbus die Anordnung der Untersuchungshaft beantragt. Da bis dahin keine dieser Personen bereit war, ihre Identität zu offenbaren und die Identitäten auch anderweitig nicht geklärt werden konnten, beruhten die Anträge der Staatsanwaltschaft auf § 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 StPO. Den Personen wurde u.a. Hausfriedensbruch und Störung öffentlicher Betriebe vorgeworfen.
Die 18 Personen wurden am 20.09.2022 den Haftrichtern des Amtsgerichts vorgeführt und angehört. Im Rahmen dieser Anhörungen haben die meisten Personen die erforderlichen Angaben zu ihrer Person getätigt, sodass in diesen Fällen die Anträge der Staatsanwaltschaft zurückgenommen wurden, bzw. bereits erlassene Haftbefehle wieder aufgehoben und diese Personen anschließend auf freien Fuß gesetzt wurden. In den übrigen Fällen (4 Personen davon 1 männliche und 3 weibliche) hat das Amtsgericht jeweils die Untersuchungshaft, allerdings längstens für den Zeitraum von 2 Monaten, angeordnet. Die Personen wurden im Anschluss in die jeweilig zuständigen Justizvollzugsanstalten verbracht. In zwei weiteren Fällen wurden zwar Haftanordnungen erlassen, die Vollstreckung jedoch außer Vollzug gesetzt, sodass auch in diesen Fällen eine Freilassung erfolgt ist.
Die Aktionsgruppe “Unfreiwillige Feuerwehr” teilte dazu mit:
Die Aktionsgruppe “Unfreiwillige Feuerwehr” kritisiert das Verhalten von Polizei und die Willkür einzelner Richer*innen. Die Gruppe blockierte am Montag das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde und demonstrierte damit gegen die Zerstörung der lokalen und globalen Lebensgrundlagen. Am Dienstagnachmittag wurden 16 Aktivist*innen entlassen, für 4 Aktivist*innen haben die Richter*innen Untersuchungshaft für je 2 Monate angeordnet.
Von der Räumung berichten Aktivist*innen, dass Polizei und Werkspersonal die Kohle-Förderbänder kurzzeitig wieder eingeschaltet haben und so Personen in Gefahr gebracht haben, die nur wenige Zentimeter unter dem laufenden Band angekettet gewesen seien. Das Band befördert Braunkohle mit hoher Geschwindigkeit. Außerdem bemängeln Aktivist*innen das teils brutale Vorgehen von Polizei und Werksfeuerwehr bei der Räumung. Noah Warner, der sich an einem Förderband angekettet hatte, berichtet: „Um meine Befestigung am Förderband zu lösen, setzte die Werksfeuerwehr einen Bohrhammer nur wenige Zentimeter neben meiner Hand ein und riskierte so schwerwiegende Verletzungen. Wir haben bei der Planung der Aktion darauf geachtet, niemanden in Gefahr zu bringen. Dasselbe sollte die Polizei auch tun!“
Auch die Haftbedingungen nach der Räumung kritisieren die Aktivist*innen. „Die Polizist*innen verweigerten uns während der gesamten Haftdauer den rechtlich vorgeschriebenen Anruf bei einer Vertrauensperson. Eine umfangreiche rechtliche Beratung war so trotz vorliegender Haftanträge nicht möglich“, so Gina Rabe. Viele der Gefangengenommenen berichten außerdem über Schlafentzug durch die Polizist*innen in der Station. So seien die Gefangenen alle 15 Minuten geweckt worden und das Licht sei über Nacht nicht abgeschaltet worden.
Nach den Haftprüfungen am Dienstagnachmittag wurde für vier Personen, deren Identität unbekannt ist, Untersuchungshaft für 2 Monate angeordnet. Unterstützer*innen der Gefangenen kritisieren dies: „Wir haben damit gerechnet, dass sich der Staat unseren unbequemen, aber dringend notwendigen Protest nicht einfach so gefallen lässt. Aber 2 Monate Haft ohne Verurteilung schockieren uns! Wir stehen solidarisch mit den Gefangenen und werden Briefkontakt herstellen und demonstrieren, bis die vier wieder frei sind! Aber wir lassen uns auch nicht einschüchtern: Die Klimakatastrophe ist das größte Unrecht, das wir erleben. Protest, der den Profiteuren dieser Katastrophe schadet, mag Gesetze übertreten, legitim ist er allemal!“
Weitere Personen, die nach der Haftprüfung entlassen wurden, berichten von willkürlichen Entscheidungen einzelner Richter*innen. Martha Castillo ist davon betroffen: „Obwohl der Polizei meine Kontaktdaten und meine Arbeitsstelle bekannt sind, muss ich mich nun täglich auf der Polizeiwache melden. Bis zum Prozessbeginn können noch mehrere Jahre vergehen. Diese starke Einschränkung meines Grundrechts auf Bewegungs- und Reisefreiheit wurde durch die Richterin ohne eine gerechte Verhandlung angeordnet. Damit kommen die Auflagen einem Urteil ohne Prozess gleich. Das ist Willkür!“ Die Aktivistin erklärt, dass die Gruppe juristisch gegen diese willkürlichen Auflagen vorgehen werde.
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Red. / Presseinfo