BVB/FREIE WÄHLER fordert: Funktionalreform und Mitarbeiterqualifikation statt sinnloser Zwangsfusionen
Brandenburg Anfang 2016. Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen sprachen sich reihenweise gegen die geplante Kreisgebietsreform aus. Auch vom Städte- und Gemeindebund und selbst aus den Ministerien selbst hagelt es Kritik. Laut einer Umfrage der MAZ sieht nur noch eine kleine Minderheit von 22% die Reformpläne der Landesregierung positiv, während inzwischen 67% der Brandenburger gegen die Reform sind.
Als Grund nimmt die MAZ die Flüchtlingskrise an. Die Kommunen sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit und eine Reform ist ihnen nicht zuzumuten. Wir hatten mit der gleichen Begründung am 03.11.2015 einen Antrag im Landtag gestellt, die Reformpläne zurückzustellen. Denn die Flüchtlingssituation erfordert eine Kraftanstrengung aller, wenn Integration nachhaltig gelingen soll. Der Antrag wurde am 19. November im Landtag leider mit rot-roter Mehrheit abgelehnt.
Wir möchten hinzufügen: Auslöser der abnehmenden Zustimmung ist nicht nur die Flüchtlingssituation, es sind auch die Bürgerdialoge, die von der Bevölkerung als einseitig wahrgenommen wurde und in denen auf die Kritik der Bürger nicht substanziell eingegangen wurde.
Péter Vida, Landtagsabgeordneter BVB/FREIE WÄHLER:
“Wir bleiben bei unserer Forderung, die wir seit Beginn der Debatte vertreten und mit Anträgen im Landtag und bei zahllosen Demonstrationen immer wieder dokumentiert haben: Keine Kreisgebietsreform ohne Bürgerentscheid!”
Christoph Schulze, Landtagsabgeordneter BVB/FREIE WÄHLER:
“In Cottbus hieß es im Wahlprogramm 2014: Wir Sozialdemokraten setzen uns auch zukünftig dafür ein, dass Cottbus als das Oberzentrum der Lausitz kreisfrei bleibt. In Frankfurt/Oder kündigte die SPD an: “Angespornt durch die Zukunftsdebatte und der damit einhergehenden künftigen Verwaltungsstruktur- und Kreisgebietsreform treten wir für den Erhalt der Kreisfreiheit von Frankfurt (Oder) ein.” Und in Brandenburg versprach die SPD: Auch mit uns ist klar: Brandenburg an der Havel bleibt kreisfreies Oberzentrum im Westhavelland . Tatsächlich stimmte kein einziger Abgeordneter der SPD im Landtag gegen den Leitbildentwurf der Zwangsfusionen oder reichte gar entsprechende Anträge ein, die Kreisgebietsreform zu stoppen. Dass die SPD nun die Kreisgebietsreform gegen den Willen der deutlichen Mehrheit der Brandenburger durchdrücken will, ist ein massiver Wahlbetrug!“
Iris Schülzke, Landtagsabgeordnete BVB/FREIE WÄHLER:
“Stets wurde vom Innenminister der bevorstehende Fachkräftemangel als Grund für die Zusammenlegungen angegeben. Größere Behörden wären als Arbeitgeber attraktiver. Tatsächlich mangelt es nicht an potentiellen Mitarbeitern. Doch die Regierung tat in den letzten 10 Jahren kaum etwas, um Mitarbeiter weiterzubilden. Personal mit brandenburgspezifischem Fachwissen im Bereich Verwaltung steht nicht plötzlich Schlange, weil man zwei Kreise fusioniert. Diese Fachkräfte können nur vom Land aus- und weitergebildet werden. Daher brauchen wir endlich vom Land ausfinanzierte Qualifikationsmaßnahmen der Mitarbeiter in den Behörden.
Zudem brauchen wir eine Verwaltungsreform in Form einer sinnvollen Zuteilung der Aufgaben auf Land, Landkreise sowie Städte und Gemeinden. Die Grenzen der Verwaltungseinheiten nach außen zu verschieben wird hingegen nichts bringen. Die Verwaltung wird dadurch weder effizienter, noch schneller, es entfernt die Behörden nur immer weiter von den Bürgern. Was wir in Brandenburg nicht brauchen sind zentrale Ämter vom Typ LaGeSo, bei dem die Bürger einen Tag Urlaub nehmen müssten, um früh morgens aus weiter Ferne anzureisen und sich in die Schlange einzureihen.“
Argumente gegen die Kreisgebietsreform:
Von der Landesregierung wurde in jedem der Bürgerdialoge aufgeführt, dass einige Aufgaben so selten sind, dass auf Kreisebene nicht einmal eine einzige Sachbearbeiterstelle damit besetzt werden kann. Zudem müssten große Fallzahlen generiert werden, um Professionalität sicherzustellen.
Wir sind der Überzeugung, dass Professionalität in erster Linie von der Qualifikation der Mitarbeiter abhängt und nicht von Fallzahlen pro Behörde. Doch wenn Fallzahlen wichtig sind, müssen selten auftretende Verwaltungsvorgänge auf Landesebene angesiedelt oder zumindest gebündelt für mehrere Landkreise zentral abgearbeitet werden. In den Behörden der Landkreise würden nur noch die Anträge entgegengenommen und dann zur Abarbeitung an die zentrale Behörde weitergeleitet werden.
Die Landesregierung plant hingegen das Gegenteil: Es ist nicht für eine einzige Aufgabe vorgesehen, die Abarbeitung auf die Landesebene zu verlagern. Stattdessen sollen immer mehr Aufgaben auf die Kreisebene transferiert werden.
Die Aufgaben des Landesamtes für Versorgung und Soziales werden beispielsweise bisher zentral von Cottbus und zwei kleineren Außenstellen in Potsdam und Frankfurt/Oder aus abgearbeitet. Nun soll die Arbeit auf die geplanten 10 Kreise verteilt werden. Dies ist im völligen Widerspruch zur stets von Innenminister Schröter angeführten These von der “Professionalisierung und Effizienzsteigerung durch Zentralisierung”, die als Hauptgrund für die Zwangsfusionen ins Feld geführt wird.
Selbst Aufgaben, die sich auf Sachverhalte beziehen, die häufig Kreisgrenzen überschreiten, sollen auf die Kreisebene verlagert werden. Bestes Beispiel: Die Forstverwaltung, deren Forste nicht einfach an der Kreisgrenze aufhören. Soll es wirklich effizienter sein, ein und dasselbe Waldgebiet zukünftig von zwei oder gar drei Kreisbehörden verwalten zu lassen statt von einer Landesbehörde?
Auch der Innenminister hatte in Cottbus kurz durchblicken lassen, dass man nicht unbedingt die Landkreise und Kreisfreien Städte zwangsfusionieren muss. Auch eine Zusammenlegung einzelner Verwaltungen wäre möglich. Und er hatte für diesen Vorschlag viel Lob erhalten. Für einen Vorschlag, den wir bereits ein halbes Jahr zuvor in einer Pressemitteilung gefordert hatten. Es wäre der Ausweg für die SPD, gesichtswahrend von den kontraproduktiven und unbeliebten Zwangsfusionen Abstand zu nehmen und eine sinnvolle Funktionalreform durchzuführen. Péter Vida hierzu: “Leider sehen wir nicht, dass dieser Gedanke in der Regierung weiter verfolgt wird. Man hält starr an den eigenen Plänen zur Zwangsfusion fest, egal welche Argumente und Entwicklungen dagegen sprechen.”
Fazit: Die Zuteilung der Aufgaben auf Land, Landkreise sowie Städte und Gemeinden muss von der Landesregierung an die Größe der Verwaltungseinheiten angepasst werden. Und nicht die Größe der Verwaltungseinheiten an die unpassende Zuteilung der Aufgaben durch die Landesregierung!
Quelle: Landesverband BVB/FREIE WÄHLER