Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) tritt zurück! Das haben Ernst und Ministerpräsident Dietmar Woidke heute Nachmittag offiziell bekanntgegeben. Ihr Nachfolger steht bereits fest, der bisherige Staatssekretär Steffen Freiberg. Die Kritik seitens Schul- und Kitaeltern an der bisherigen Ministerin riss in den letzten Monaten und Jahren nicht ab, die verpasste Digitalisierung während der Coronapandemie, Lehrermangel, Kita-Personalnot und die verschleppte Kita-Rechtsreform sind die drängendsten Themen, die sie nicht lösen konnte. Wie Britta Ernst in ihrem Statement sagte, hat sie für ihre Pläne die Geschlossenheit auch in der SPD-Landtagsfraktion verloren. “Ich habe heute meinen Rücktritt erklärt, damit mit einer neuen Person an der Spitze des Ministeriums ein neuer Anlauf genommen werden kann, um diese Herausforderung für die Schulen in Brandenburg zu bewältigen“, so Ernst. Das gesamte Statement sowie die Reaktionen auf den Rücktritt lest ihr im weiteren Verlauf.
Persönliches Statement von Ernst zum Rücktritt:
“Ich habe heute Ministerpräsident Dietmar Woidke meinen Rücktritt als Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg erklärt. Es war mir eine große Ehre und Freude, das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport zu führen und ich bin sehr dankbar, dass der Ministerpräsident mir 2017 das Vertrauen geschenkt hat, diese Aufgabe zu übernehmen. Im Ministerium habe ich mit sehr klugen und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenarbeiten dürfen, die sich mit voller Kraft für Kinder und Jugendliche in unserem Land einsetzen. Auch dafür bin ich unendlich dankbar. Politik für Kinder und Jugendliche zu gestalten, ist sicherlich nicht immer einfach. In der Corona–Pandemie war ein besonderes Krisenmanagement gefragt, für das es kein historisches Vorbild gab. In den vergangenen Jahren hat es dennoch viele Verbesserungen an den Schulen und Kitas, in der Jugendarbeit und im Sport gegeben. Eine wachsende Herausforderung ist der Mangel an Lehrkräften, der im Kern durch den demografischen Wandel verursacht ist. Er wird uns überall in Deutschland in den nächsten zehn bis 20 Jahren begleiten. In Brandenburg haben wir in der vergangenen und in dieser Legislaturperiode viele gute und richtige Entscheidungen zur Sicherung des Unterrichts getroffen, indem wir beispielsweise die Zahl der Studienplätze für das Lehramt deutlich erhöht und mit dem neuen Standort in Senftenberg weiter gesteigert haben. Gleichzeitig haben wir systematisch Seiteneinsteigende qualifiziert und eingestellt. Für mich ist ganz klar, dass wir den Unterricht in allen Regionen des Landes Brandenburgs sichern müssen. Dafür habe ich Vorschläge unterbreitet, wie wir im kommenden Schuljahr den Einsatz vorhandener Lehrkräfte gerechter verteilen und gleichzeitig durch Umwandlung von nicht besetzten Stellen die Schule entlasten können. Diese Pläne haben leider nicht die Unterstützung der SPD–Landtagsfraktion gefunden. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir die anstehenden Herausforderungen nur mit maximaler Geschlossenheit bewältigen werden. Diese Geschlossenheit ist nicht mehr gegeben. Ich habe heute meinen Rücktritt erklärt, damit mit einer neuen Person an der Spitze des Ministeriums ein neuer Anlauf genommen werden kann, um diese Herausforderung für die Schulen in Brandenburg zu bewältigen. Ich wünsche der Regierung des Landes Brandenburg und den sie tragenden drei Fraktionen den nötigen Mut und die nötige Kraft zu dieser Aufgabe. Mein Dank gilt allen, die mich in den vergangenen fünfeinhalb Jahren tatkräftig unterstützt haben. Persönlich habe ich in Brandenburg einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden und lebe sehr gern hier.”
Woidke bedauert Entscheidung und dankt für verdienstvolle Arbeit
Ministerpräsident Dietmar Woidke bedauerte die Entscheidung und bedankte sich für verdienstvolle Arbeit: „Ich danke Britta Ernst für ihre engagierte Arbeit als Ministerin für Bildung, Jugend und Sport. Sie hat das Amt in schweren Zeiten – ich denke hier nur an die Corona-Pandemie – mit Weitblick und ruhiger Hand ausgeführt. Ich bin mir sicher, dass ihre Amtszeit in der Rückschau mit wichtigen Meilensteinen wie der kontinuierlichen Verbesserung des Kita-Personalschlüssels und des Einstiegs in die Beitragsfreiheit verbunden werden wird.”
Steffen Freiberg wird neuer Bildungsminister
Der bisherige Staatssekretär Steffen Freiberg steht als Nachfolger fest und wird zum Minister für Bildung, Jugend und Sport ernannt. Ministerpräsident Dietmar Woidke: „Steffen Freiberg hat sich im Bildungsministerium schnell etabliert. Dies war ihm aufgrund seiner Vorerfahrung als Bildungsstaatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern (bis zum Regierungswechsel) möglich. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die Bildung im digitalen Zeitalter, auch deshalb bin ich mir sicher, dass er der Richtige für die anstehenden Aufgaben ist und freue mich auf die Zusammenarbeit.”
Freiberg ist verheiratet und Vater eines Kindes. Der gebürtige Rostocker ist seit 2017 Vorsitzender der Lenkungsgruppe bzw. der Kommission „Bildung in der digitalen Welt” der Kultusministerkonferenz und der gemeinsamen Steuerungsgruppe zum Digitalpakt zwischen Bund und Ländern. Zudem war er Ko-Vorsitzender des Ausschusses für deutsch-polnische Bildungszusammenarbeit und damit Mitglied der deutsch-polnischen Regierungskommission. Vor der Berufung zum Staatssekretär hatte Freiberg verschiedene Leitungspositionen in der Verwaltung inne.
Reaktionen
Landeselternrat Brandenburg (Schule): Der überraschende Rücktritt der Ministerin Britta Ernst kommt zu einem denkbar ungünstigen
Zeitpunkt. Die derzeit vorhandenen Probleme im Brandenburger Bildungssystem bedeuten einen Notstand, wie ihn die Brandenburger noch nie erlebt haben – angefangen von fehlenden Lehrern im laufenden Schulbetrieb über einen hohen Bedarf von 1.800 neuen Lehrkräften für das kommende Schuljahr bis hin zu so hohen Lerndefiziten, dass unsere Brandenburger Schulkinder der vierten Klassen ein Schlusslicht im bundesweiten Vergleich sind.
Dieser Zustand ist katastrophal und wurde noch zum Anfang des laufenden Schuljahres seitens des MBJS schöngeredet oder geleugnet. Das dies mittlerweile nicht mehr so ist, liegt nicht nur daran, dass die Lage mit allen Mängeln immer offensichtlicher wurde, sondern auch an der scheidenden Ministerin Ernst, die in den vergangenen Monaten endlich Klartext redete und in diesem Kontext wiederholt das Gespräch und den Austausch mit den Eltern zu Lösungsmöglichkeiten suchte. Ihr heutiger Rücktritt darf daher keinen Rückschritt zur Lösung der vorhandenen Probleme bedeuten! Der LER fordert den neuen Minister Steffen Freiberg, die Landesregierung und den Ministerpräsidenten deshalb auf – dem Lehrermangel konsequent und mit geeigneten Maßnahmen schnell entgegenzutreten!
– keine Lehrerwochenstunden an den Schulen zu kürzen, um Stellen umzuwidmen!
– je eine zusätzliche Planstelle für Schulassistenz und Schulsozialarbeit für jede Schule in Brandenburg auch zur Entlastung der Lehrer zu schaffen!
– mehr Schulpsychologen einzustellen!
– Inklusions-, Förder- und Ganztagsprojekte zu erhalten sowie
– zusätzliche Haushaltsmittel zur Verbesserung der Situation im Bildungsbereich im Land Brandenburg bereitzustellen!
– die Unterrichtsversorgung nicht nur sicherzustellen, sondern auch qualitativ abzusichern!
– Bildung endlich zur Chefsache zu machen!
Die Bildungspolitik darf keine Baustelle der aktuellen Landesregierung bleiben. Und es darf keine verlorene Schüler-Generation geben!
SPD-Landtagsfraktion: „Die SPD-Landtagsfraktion hat den Rücktritt von Britta Ernst als Ministerin für Bildung, Jugend und Sport mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Wir bedanken uns bei Britta Ernst für die gute Zusammenarbeit in den zurückliegenden Jahren, insbesondere für die großen Fortschritte bei der kontinuierlichen Verbesserung des Personalschlüssels und die großen Schritte zur Elternentlastung auf dem Weg zur Beitragsfreiheit in Kitas und Horten. Zudem hat sie 2021 als Präsidentin der Kultusministerkonferenz einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise in den Schulen geleistet. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Steffen Freiberg. Aus seiner bisherigen Arbeit als Staatssekretär kennt er die Herausforderungen für die Schulen und Kitas unseres Landes. Insbesondere im Bereich der Digitalisierung der Schulen verfügt er über umfassende Erfahrungen, die in den kommenden Jahren noch wichtiger werden. Wir sind uns sicher, dass er die bevorstehenden Aufgaben beherzt und zielgerichtet anpacken wird. Die SPD-Fraktion wird ihn dabei nach Kräften unterstützen.“
Ralf Schneider, Vorsitzender des Elternbeirats Cottbus: “Der Schritt war lange überfällig und ermöglicht endlich einen Neustart. Ob diese Chance genutzt wird, liegt bei den handelnden Akteuren der Landesregierung. Frau Ministerin Ernst macht Platz für einen hoffentlich frischen Wind im Ministerium. Die Aufgaben und Probleme sind gewaltig, es braucht wieder mehr Mut, Engagement, frische Ideen und Freude am Amt, um die Fülle an Aufgaben zu bewältigen. Für die Zukunft wünschen wir uns im Brandenburger Bildungsministerium mehr Blick auf die Lebensrealität von Familien mit kleinen Kindern, das Wissen um die Bedeutung, Qualitätssteigerung in der frühkindlichen Bildung und vor allem die Dringlichkeit von Reformen. Wir wünschen dem künftigen Minister Steffen Freiberg viel Erfolg im Sinne unserer Kinder und sind bereit für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Frau Britta Ernst wünschen wir alles Gute für Ihren weiteren Weg.”
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg, Dr. Jan Redmann: „Ich bin Britta Ernst dankbar, dass sie einige Zöpfe sozialdemokratischer Bildungspolitik wie beispielsweise das Schreiben nach Gehör abgeschnitten hat. Doch um den Scherbenhaufen verfehlter Politik der letzten 30 Jahre aufzuräumen, bedarf es einer breiten und verlässlichen Unterstützung. Der Schritt, den die Ministerin nun geht, verdient Respekt. Ich danke ihr für die in schwieriger Zeit geleistete Arbeit. Wir hoffen, dass beim Zukunftsthema Bildung nun mit aller Kraft die Weichen in Richtung Zukunft gestellt werden und die hierfür notwendige Unterstützung vorhanden ist.“
Der Generalsekretär der FDP Brandenburg, Jeff Staudacher: “Ministerin Ernst hat nach mehreren Monaten des Protestes gegen ihre Arbeit die richtige Konsequenz gezogen und ist zurückgetreten. Anderthalbjahre vor der Landtagswahl steht damit bereits heute fest, dass diese Legislatur als verlorene 5 Jahre für die Chancen junger Menschen in die Geschichte eingehen werden. Jetzt gilt es neben dem personellen Neuanfang auch inhaltlich neue Schwerpunkte zu setzen. Der akute Lehrermangel und die mangelnde Digitalisierung an den Schulen müssen höchste Priorität haben. Das Lehramtsstudium muss dual gestaltet und der Sanierungstau an Bildungseinrichtungen entschlossen angepackt werden. Über die engere Zusammenarbeit mit dem Bund und eine Stärkung der Autonomie in den Schulen vor Ort, müssen Trendwenden für die Bildung der Zukunft eingeleitet werden, damit Brandenburg die letzten Plätze im Bildungsranking endlich verlässt.”
BVB / FREIE WÄHLER Fraktionsvorsitzender Péter Vida: „BVB / FREIE WÄHLER begrüßt den Rücktritt von Bildungsministerin Ernst. Dieser war seit geraumer Zeit überfällig. Der Schritt ist ein Sieg für die Schüler, Eltern und Lehrer des Landes und zeigt, dass sich qualifizierter Protest auszahlt. Britta Ernst war schon lange eine Belastung für die Bildungslandschaft Brandenburgs und der Schritt ist ein spätes Eingeständnis des eigenen Versagens.“ Insbesondere in Corona-Zeiten zeigte sich die völlig unzureichende Verwaltungsstruktur und der sträflich vernachlässigte Digitalisierungsfortschritt. Hierzu Péter Vida weiter: „Für die zukünftige Entwicklung ist es wichtig, dass die Brandenburger Dauerbaustelle Bildung endlich in geordnete Bahnen ohne Experimente gelenkt wird. Ob dies mit der SPD zu machen ist, darf aufgrund jahrzehntelangen Gegenbeweises begründet bezweifelt werden. In Zukunft müssen endlich wieder die Schüler im Mittelpunkt des Handelns stehen und nicht die Parteipolitik.”
Kitarechtsreform soll mit Datenschutz fortgesetzt werden
Die verschleppte Kitarechtsreform soll laut Bildungsministerium nun fortgesetzt werden, jedoch nicht mehr in dieser Legislaturperiode abgeschlossen sein. Es wurden noch unter Ernst Themen in einer Prioritätenliste erarbeitet, auf Top 1 steht der Datenschutz. Dieses Vorgehen sorgte unter Elternbeiräten ebenfalls für heftige Kritik, auch weil die Finanzierung noch nicht geklärt ist. Vom Bildungsministerium unter Ernst hieß es am 04.04.2023: „Ich freue mich, dass am Kita-Gesetz weitergearbeitet werden kann. Angesichts der weiterhin hohen Belastungen der kommunalen Ebene soll dies in Teilschritten erfolgen. Bevor die Arbeit an einem neuen Abschnitt begonnen wird, erfolgt darüber jeweils eine Verständigung. Mit diesem Vorgehen modernisiert Brandenburg mit Unterstützung der Partner Schritt für Schritt das Kita-Gesetz.“ Die folgenden Themen sollen in Teilschritten bearbeitet werden, begonnen wird mit dem Thema „Datenschutz“, die weitere Reihenfolge steht noch nicht fest: Datenschutz, Erlaubnis und Aufsicht, Qualität und Aufgaben, Fachkräfte, Beteiligung, Ganztag, Grundsätze der Kindertagesbetreuung, Rechtsanspruch und Gewährleistung, Bedarfsplanung sowie Kinderschutz und Gesundheit.”
Kita-Kollaps-Tag soll auf Missstände aufmerksam machen
Am 15. Mai 2023 machen Eltern, Pädagog*innen, Kita-Träger und viele Weitere im ganzen Land mit vielfältigen Aktionen auf den drohenden Kollaps der Kindertagesbetreuung in Brandenburg aufmerksam. Auf der Aktionsseite www.kitakollaps.de heißt es dazu:
Es fehlen Kitaplätze, Fachkräfte und klare gesetzliche Regelungen für Finanzierung und Bildungsqualität. Das hat gravierende Folgen:
- Kitas müssen Öffnungszeiten reduzieren oder tageweise schließen; Eltern werden gebeten, ihre Kinder schon mittags abzuholen oder gleich zu Hause zu betreuen.
- Familien geraten aufgrund fehlender Betreuung beruflich immer häufiger unter Druck.
- Eine Fachkraft betreut im Kindergarten teilweise 20 Kinder oder mehr.
- Fachkräfte brennen aus oder kündigen.
Wir setzen uns gemeinsam ein:
- Höhere Bildungs- und Betreuungsqualität für unsere Kinder
- Bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für unsere Fachkräfte
- Mehr Kitaplätze und eine bedarfsgerechte Planung
- Eine bessere Personalausstattung
- Ein neues Kitagesetz mit eindeutigen Vorgaben u.a. für Finanzierung, Qualitätsstandards und eine sich am Bedarf der Kinder orientierende Personalbemessung
Schließt euch dem KiTaKollaps-Aktionstag an. Entscheidet gemeinsam als Eltern, Pädagog*innen, Einrichtungsleitende und Kita-Träger, welche Aktion ihr am 15. Mai vor Ort umsetzen wollt. Den Ideen sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Einige Anregungen haben wir hier zusammengestellt. Ab Ende April 2023 werden an dieser Stelle alle bis dato angemeldeten Aktionen dort veröffentlicht.
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Red. / Presseinformation