Der gesetzliche Mindestlohn steigt deutlich. Ab 1. Oktober 2022 liegt er bei zwölf Euro brutto je Stunde. Von der Erhöhung profitieren mehr als sechs Millionen Menschen, vor allem in Ostdeutschland und viele Frauen. Über 25% aller in Brandenburg Beschäftigten profitieren von der Erhöhung, laut DGB sind es in Berlin knapp 18 Prozent.
Frauen und geringfügig Beschäftigte als Profiteure
„Die Anhebung des Mindestlohns ist Ausdruck der Leistungsgerechtigkeit und des Respekts vor guter Arbeit“, so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Der Mindestlohn erreiche damit ein Niveau, wie es auf europäischer Ebene empfohlen wird. „Das hilft Menschen ganz konkret und ist ein wichtiger Beitrag unser Land wirtschaftlich und sozial zusammenzuhalten.“ Die Mindestlohnhöhe entspricht künftig ungefähr 60 Prozent des Medianlohns in Deutschland – eine Richtgröße, die für einen angemessenen Mindestschutz empfohlen wird.
Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung betrifft die Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro pro Stunde rund 22 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse. Das sind etwa doppelt so viele wie bei der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015. Profitieren werden neben vielen Ostdeutschen und Frauen vor allem Beschäftigte in Mini- und Teilzeitjobs sowie Neueinsteiger. Seit seiner Einführung im Jahr 2015 wurde der gesetzliche Mindestlohn in mehreren Schritten von anfänglich 8,50 Euro pro Stunde auf 10,45 Euro erhöht.
Wer bisher nach Mindestlohn bezahlt wurde, erhielt bei einer 40-Stunden-Woche 1.811 Euro brutto. Jetzt werden es 2.080 Euro sein. Mit dem Mindestlohnrechner können Sie berechnen, wie sich der Mindestlohn auf Ihr Gehalt auswirkt.
Vor allem Frauen und geringfügig Beschäftigten helfe die neue Lohnuntergrenze. Besonders in Branchen wie dem Gastgewerbe, bei Lieferdiensten und im Einzelhandel verweigern Arbeitgeber*innen den Beschäftigten oft anständige Löhne. Und in Betrieben ohne Tarifvertrag werden besonders häufig Niedriglöhne bezahlt. „Der gesetzliche Mindestlohn ist auch ein Mittel gegen Lohndumping-Konkurrenz durch Unternehmen, die sich Tarifverträgen verweigern“, erklärte Techen. Dennoch sei klar: „Der Mindestlohn kann immer nur die unterste Haltelinie sein. Gute Löhne gibt es nur mit Tarifvertrag. Umso wichtiger ist es, die Tarifbindung wieder zu stärken.“
„In Berlin und Brandenburg kommt der höhere Mindestlohn 569.887 Beschäftigten zugute, die aktuell weniger als 12 Euro pro Stunde verdienen“, erklärte Nele Techen. Das seien 17,8 Prozent aller Beschäftigten in Berlin und 28,2 Prozent aller Beschäftigten in Brandenburg, die grundsätzlich Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. Techen betonte: „Diese Zahlen zeigen: Der Mindestlohn wirkt. Wir Gewerkschaften haben uns lange dafür eingesetzt, die Lohnuntergrenze auf 12 Euro je Stunde anzuheben – mit Erfolg.“
“Quer durch alle Branchen erhalten jedoch nach wie vor viele den gesetzlichen Mindestlohn trotz Anspruchs nicht.” Der DGB fordert deshalb mehr Kontrollen. „Die Bundesregierung muss die zuständige Behörde Finanzkontrolle Schwarzarbeit personell deutlich stärken. Mindestlohnbetrügereien sind keine Kavaliersdelikte, sondern müssen geahndet werden. Das geht nicht ohne effektive Kontrollen und Sanktionen“, sagte Techen.
Trotz der Mindestlohnanhebung wies der DGB Berlin-Brandenburg mit Nachdruck auf die Sorgen vieler Menschen hin. „Auch mit Mindestlohn ist eine echte Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben nicht möglich. Schlimmer noch: Viele machen sich aktuell ernsthafte Sorgen, was im Herbst und Winter auf sie zukommt“, sagte Techen. „Die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise kann auch der neue Mindestlohn nicht auffangen. Die Bundesregierung muss jetzt schnellstens eine Energiepreispauschale und einen Energiepreisdeckel beschließen. Um das zu finanzieren, muss der Gesetzgeber die Übergewinne der großen Energie- und Mineralölkonzerne abschöpfen.“
Mindestlohnkommission entscheidet künftig wieder
Grundsätzlich schlägt nach dem Mindestlohngesetz die Mindestlohnkommission, in der Gewerkschaften und Arbeitgeber vertreten sind, die Mindestlohnanpassung vor, die dann per Rechtsverordnung verbindlich wird. Mit dieser gesetzlichen Erhöhung weicht die Bundesregierung einmalig vom vereinbarten Vorgehen ab. Künftig wird wieder die unabhängige Mindestlohnkommission über die Anpassungsschritte befinden – erstmalig zum 30. Juni 2023 für die Zeit ab dem 1. Januar 2024. Sie entscheidet nach gesetzlich geregelten Kriterien. Zu ihnen zählen faire Wettbewerbsbedingungen, mögliche Auswirkungen auf die Beschäftigung und eine Orientierung an der tariflichen Entwicklung.
Anhebung der Mini-Job Grenze
Die Anhebung des Mindestlohns wirkt sich auch auf die geringfügig entlohnte Beschäftigung aus – sogenannte Mini-Jobs. Damit eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum Mindestlohn möglich ist, wird mit dem Gesetzentwurf die Mini-Job-Grenze von 450 Euro auf 520 Euro erhöht. Sie wird künftig mit jeder weiteren Erhöhung des Mindestlohns angepasst.
Hintergrund:
Die Daten zu den Profiteuren des Mindestlohns beruhen auf einer Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, die detaillierte Daten für die Bundesländer und die rund 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte liefert. In der Untersuchung haben die Forscher das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) und die neuesten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet und bis September 2022 fortgeschrieben. Die Auswertung betrachtet alle Beschäftigungsverhältnisse ohne Auszubildende, Praktikantinnen/Praktikanten sowie Minderjährige.